Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Tödlicher Polizei-EinsatzSPD will neue Vorschriften für Maschinenpistolen-Gebrauch

4 min

Zwei Polizistinnen mit Maschinenpistolen in Köln.

Dortmund – Nach den tödlichen Schüssen bei einem Polizeieinsatz in Dortmund fordert die SPD-Fraktion im Landtag klarere Regeln für den Einsatz von Maschinenpistolen bei der NRW-Polizei. „Es gibt zweifelsohne Situationen, in denen der Einsatz von Maschinenpistolen erforderlich ist – zum Beispiel bei der Abwehr von Terrorangriffen oder schwer bewaffneten Gegnern“, sagte die innenpolitische Sprecherin der SPD, Christina Kampmann, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

„Ob dies aber auch bei Einsätzen im Zusammenhang mit Suizid-Androhungen gilt, muss dringend überprüft und hinterfragt werden. Hier sind klare Regelungen erforderlich“, erklärte Kampmann.

Bei dem Polizeieinsatz im Hof einer Dortmunder Jugendhilfeeinrichtung hatte die Polizei vor vier Wochen einen 16-jährigen Asylbewerber aus dem Senegal getötet. Der Jugendliche hatte zuvor gedroht, sich mit einem Messer umzubringen. Als er sich den Beamten näherte, feuerte ein Polizist mit einer Maschinenpistole auf Mouhamed D.. Vier Projektile trafen den Angreifer am Kopf, an der Schulter, im Unterarm und am Bauch. Ein Treffer durchschlug gleich zwei Mal den Körper. Der Senegalese starb kurz darauf in einer Klinik.

Alles zum Thema Herbert Reul

spd_troisdorf4

Christina Kampmann (links)

Wäre diese Eskalation vermeidbar gewesen? Die Dortmunder Staatsanwaltschaft prüft mittlerweile Ermittlungen gegen den Todesschützen wegen Totschlags. Bislang ist noch nicht endgültig geklärt, ob der Schusswaffengebrauch unverhältnismäßig oder angemessen war.

„Warum kam es zum Einsatz einer Maschinenpistole, wenn im Notruf offenbar mitgeteilt wurde, dass sich der psychisch erkrankte Junge mutmaßlich mit einem Messer selbst das Leben nehmen will?“, fragt die SPD-Politikerin Kampmann.

Neuer Inhalt

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU).

NRW-Innenminister Herbert Reul hatte im Innenausschuss angekündigt, er werde „eine Prüfung aller relevanten Handreichungen, Dienstvorschriften und Manuale veranlassen, die mit diesem Einsatz zu tun haben“. Darunter fielen auch die Bestimmungen zum Thema „Schießen/Nicht Schießen“. Man müsse sich zudem fragen, ob „die Inhalte zum Beispiel in Bezug auf den Einsatz der MP5 noch aktuell“ seien.

Marc Lürbke

Marc Lürbke ist Innen-Experte der NRW-FDP.

Marc Lürbke, stellvertretender Vorsitzender und innenpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, die Polizei habe jeden Tag sehr schwierige Einsatzlagen zu meistern. „Wo immer möglich, sollte eine deeskalierende und klare Kommunikation das erste Mittel sein, um die Einsatzlage in den Griff zu bekommen“, sagte der Liberale. Gleichzeitig dürften aber die Handlungsfähigkeit und taktischen Einsatzmöglichkeiten der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in brenzligen Gefährdungslagen wie Amokfällen oder Terrorabwehr nicht eingeschränkt werden. „Eine Überprüfung der Maschinenpistole MP5 im Streifendienst sollte deshalb keinesfalls nach Bauchgefühl, sondern nur faktenbasiert erfolgen“, sagte Lürbke.

Gregor Golland

Der CDU-Landtagsabgeordnete Gregor Golland

Gregor Golland, Innenexperte der CDU, sieht das ähnlich: „Die rechtlichen Voraussetzungen zum Einsatz von Pistole oder Maschinenpistole sind gleich“, sagte Golland unserer Zeitung. Die MP diene zum Beispiel der Abwehr von Amok- und Terrorlagen und gehöre „weiterhin zur notwendigen Ausrüstung der Polizei NRW“.

Die Grünen, die gemeinsame mit der CDU zu den Regierungsfraktionen im Landtag gehören, halten sich mit Kritik an der Polizei zurück. „Der Polizeieinsatz muss gründlich aufgearbeitet werden und es ist richtig, zu überlegen, ob und wie die Arbeit der Polizei in Situationen mit Suizidgefährdeten verbessert werden kann“, erklärte Innenexpertin Julia Höller. „Nicht zuletzt ist es auch im Sinne der Polizei selbst, diese sehr herausfordernden Einsatzsituationen möglichst ohne Schusswaffengebrauch zu lösen“, sagte die Politikerin aus Bonn.

Das könnte Sie auch interessieren:

Bei dem umstrittenen Polizeieinsatz waren zwölf Beamte beteiligt. Der getötete Jugendliche war laut Obduktionsbericht nur 1,61 Meter groß. NRW-Innenminister Reul hatte bereits erklärt, dass das Geschehen in Dortmund viele Fragen aufwerfen würden. Aus dem, was bislang als Ermittlungserkenntnisse durch die Staatsanwaltschaft kommuniziert worden sei, dränge sich bei ihm „schon auch der Eindruck auf, dass bei diesem Einsatz einige Dinge nicht einwandfrei gelaufen sein könnten".

Immer zwei MP 5 im Wagen

Seit Juli 2018 werden zwei „MP 5" dauerhaft auf jedem Funkstreifenwagen mitgeführt. Es sei derzeit nicht beabsichtigt, künftig davon abzuweichen, erklärte das Innenministerium auf Anfrage unserer Zeitung. Die Polizeibeamten entschieden über den Gebrauch in eigener Verantwortung. Der Einsatz der Schusswaffe sei grundsätzlich die „Ultima Ratio“. 

Auch von psychisch auffälligen Personen könne abhängig von ihrer Bewaffnung und dem geistigen Zustand eine große Gefahr für die Allgemeinheit und Einsatzkräfte ausgehen, hieß es. „Eine generelle Anweisung, die Maschinenpistole bzw. keine Schusswaffe bei erkennbar psychisch auffälligen Personen mitzuführen, ist daher nicht sachgerecht und keine Option", erklärte das NRW-Innenministerium.