Kommentar zur Zugfahrt nach KiewStarkes Symbol oder tollkühner Egotrip?

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Zugfahrt nach Kiew

Petr Fiala (v.l.n.r.), Mateusz Morawiecki und Janez Jansa,

  • Die Regierungschefs von Polen, Tschechien und Slowenien wollen im belagerten Kiew den ukrainischen Präsidenten Selenskyj treffen.
  • Ein Zeichen, wie unterschiedlich Europa mit dem Krieg umgeht.

Berlin – Drei Ministerpräsidenten und ein Parteichef fahren mit dem Zug durch ein Kriegsgebiet, auf dem Weg zum Staatsbesuch in einer belagerten Hauptstadt. Ist das mutig, ist das Wahnsinn, ist das ein Egotrip?

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, sein slowenischer Amtskollege Janez Jansa und der tschechische Regierungschef Petr Fiala reisen im Sonderzug nach Kiew. Begleitet werden sie von Jarosław Kaczyński, Chef der polnischen Regierungspartei und der eigentliche Treiber hinter diesem symbolischen Stunt.

Die Kaczyńskis warnten schon immer vor Putins Imperialismus

Kaczyńskis Bruder Lech war es, der 2008 kurz nach dem Kaukasus-Krieg nach Georgien fuhr. Dort gilt der 2010 verstorbene Staatschef bis heute als mutiger Held, weil er vor Putins Imperialismus und dessen Folgen warnte. Anderswo galt Kaczyński als Scharfmacher, doch jetzt wird seine Rede aus Tiflis wieder öfter zitiert. Sein Zwillingsbruder will ihm nun nacheifern, ihn übertreffen, koste es, was es wolle.

Alles zum Thema Wolodymyr Selenskyj

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In Kiew zieht die russische Armee ihren Belagerungsring immer enger. Bürgermeister Vitali Klitschko hat eine zweitägige Ausgangssperre ab Dienstagabend verkündet. In dieser Situation zum Staatsbesuch bei Präsident Wolodymyr Selenskyj aufzutauchen, ist schon fast tollkühn.

Aber es ist eben auch ein kraftvolles Symbol europäischer Solidarität und europäischen Mutes. Wir sind eure Nachbarn, wir stehen euch bei. Die Verteidiger Kiews kämpfen auch für die Freiheit Warschaus und Prags.

Appellieren oder Symbole schaffen?

In Brüssel aber sind die Spitzen der EU halb überrumpelt worden von diesem kurzfristigen, populistischen Trip. Abgesprochen war er nicht, im Auftrag der EU schon gar nicht. Am Rande des Gipfels vergangenen Freitag wurde Kommissionspräsidentin Ursula Leyen über eine bevorstehende Reise informiert, am Montagabend kam dann der Nachtrag, die Abreise stehe unmittelbar bevor.

In Brüssel warnt man vor Gefahren, in Warschau setzt man sich in den Zug. Die einen appellieren, die anderen schaffen Symbole. So lange Europas Westen und Osten dabei an einem Strang ziehen, kann es nur von Vorteil sein. 

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