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Hamburg, Rotterdam, AntwerpenMega-Containerschiffsstau erreicht die Nordsee

Lesezeit 3 Minuten

Ein Containerschiff mit Kurs auf den Hamburger Hafen (Archivbild)

Ganz schön was los auf der Nordsee. Wer derzeit im Landeanflug auf den Amsterdamer Flughafen einen Blick auf die südliche Nordsee werfen kann, der sieht sie - fein säuberlich aufgereit: Schiffe, bis hinauf Nach Helgoland, die auf eine Löschung ihrer Waren in Rotterdam, Antwerpen oder Hamburg warten. Derzeit stecken zwei Prozent der weltweiten Containerflotte vor und in den Häfen Deutschlands, Hollands und Belgiens fest, was einer Anzahl von gut 100 Schiffen entspricht, wie es vom Kieler Wirtschaftsforschungsinstituts IfW heißt.

„Für die Nordsee ist das sehr viel“, sagte IfW-Ökonom Vincent Stamer. Dabei seien die deutschen Häfen mit Hamburg an der Spitze gar nicht so stark betroffen - die meisten Schiffe lägen vor Europas größtem Seehafen Rotterdam und vor Antwerpen, der Nummer 2, auf Reede. Das bestätigt auch ein Blick auf den Schiffsortungsdienst Vesselfinder.

Zehn Schiffe warten im Bereich der Elbmündung

Beim Hafenlogistiker HHLA, Betreiber von drei Containerterminals im größten deutschen Seehafen, werden die Sorgenfalten dennoch tiefer. „Das ist eine neue Situation, die ein einzelner Terminalbetreiber nicht auflösen kann“, so HHLA-Sprecher Hans-Jörg Heims gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Allein zehn Schiffe warten im Bereich der Elbmündung auf eine Löschung an den Terminals der HHLA.

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IfW-Ökonom Stamer führt das Problem in Europa vor allem darauf zurück, dass sich die riesigen Staus vor den großen US-Häfen an der Westküste inzwischen aufgelöst haben. Dort lagen bis vor einigen Monaten teils mehr als 100 Schiffe auf Reede, weil die Häfen und der Hinterlandverkehr mit dem Entladen und dem Weitertransport der Waren nicht hinterherkamen. „Das Problem verlagert sich von einer Ecke der Welt zur anderen“, so Stamer. Auch vor chinesischen Häfen kommt es wegen Corona-Lockdowns immer wieder zu Staus.

Im Normalfall bleibt ein Container drei Tage im Hamburger Hafen

HHLA-Sprecher Heims nennt drei Faktoren, die mutmaßlich für Rückstau im Hamburger Hafen verantwortlich sind. „Viele Logistikunternehmen haben in Voraussicht vor drohenden Lockdowns in China ihre Lager voll gemacht, hätten zudem Lagerkapazitäten und Personalbestand heruntergefahren. Dazu kommen massive Störungen in der Struktur der Deutschen Bahn, die ihren logistischen Anforderungen bedingt durch Verspätungen, Baustellen und Witterungseinflüsse nicht vollumfänglich nachkommen kann. Als dritten Grund vermute ich eine Kaufzurückhaltung der Verbraucher, vor allem Luxusgüter betreffend, so dass die Ware nicht hier einfach liegen bleibt“ Im Normalfall bleibt ein Container drei Tage im Hamburger Hafen. „Derzeit sind es sechs bis sieben“, so Heims, „es gibt sogar welche, die hier 30 Tage stehen bleiben“.

Um den Stau aufzulösen führt die HHLA derzeit intensive Gespräche mit allen Beteiligten - mit Logistikunternehmen, vor allem aber mit Reedern. Die haben ein geradezu märchenhaftes erstes Quartal hinter sich: Allein die zehn größten Reedereien haben, bedingt durch den Nachholeffekt nach der Pandemie und knapp gewordene Transportkapazitäten, allein im ersten Quartal 2022 einen Gewinn von 43,1 Milliarden Dollar gemacht, was einer Verdreifachung zum sehr guten Vergleichszeitraum vor der Pandemie bedeutet.

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Eine Auflösung des Staus ist bitter von Nöten. Denn frühestens sechs bis acht Wochen droht ein neuer Ansturm von Containerschiffen, die nach dem langen Lockdown vor eineinhalb Wochen endlich Schanghai verlassen konnten. Und noch ein Problem beschäftigt die Hamburger Hafenbetreiber, wenn auch im Vergleich weniger dramatisch: Im Tarifkonflikt mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ist am Freitag eine letzte Gesprächsrunde angesetzt - scheitert die, drohen Streiks.