Trotz massiver KritikWarum Scholz' Ukraine-Kurs bei der Bevölkerung gut ankommt

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Ein Panzer vom Typ Leopard 2A6 schießt bei einer Übung auf freiem Gelände mit Rauchgranaten.

Ein Leopard 2 schießt bei einer Übung mit Rauchgranaten.

Olaf Scholz erntet für sein Zögern bei Panzerlieferungen Kritik, die Bevölkerung aber steht hinter seinem Kurs. Ein Experte erklärt die Gründe.

Unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs als beherrschendes Thema und kontroversen Diskussionen über deutsche Waffenlieferungen hat sich die politische Stimmungslage in den ersten Wochen des Jahres leicht zugunsten der Partei von Bundeskanzler Olaf Scholz verschoben.

Die SPD landet in der „Sonntagsfrage“ des Instituts Forsa für das RTL/ntv-„Trendbarometer“ mit 20 Prozent der Stimmen zum ersten Mal seit Mai 2022 wieder vor den Grünen (19 Prozent) und kann ihren Abstand zur Union auf sieben Punkte verringern. Anfang Januar lag die Differenz noch bei elf Punkten.

Forsa-Chef Manfred Güllner führt die positive Entwicklung für die SPD auf Sympathiegewinne für Scholz und dessen Ukraine-Kurs zurück. Bei der (hypothetischen) Direktwahl des Kanzlers würden sich jetzt 25 Prozent für Scholz entscheiden, ein Plus von vier Punkten gegenüber dem Jahresbeginn.

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In der Kanzlerpräferenz rangieren Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) mit 21 Prozent wie auch die Grünen-Minister Robert Habeck (20) Annalena Baerbock (19) hinter dem Amtsinhaber. 

Es ist, wie so oft in der Politik: Wachsende Sympathie für eine politische Spitzenpersönlichkeit färbt ab auf ihre Partei. Nach Güllners Analyse profitieren die Sozialdemokraten derzeit von dieser Wechselwirkung.

Nun konnte der Kanzler in den vergangenen Monaten nicht gerade auf einer riesigen Beliebtheitswelle reiten. Zuletzt fielen auch die Attribute für seine Haltung zu Panzerlieferungen an die Ukraine fielen nicht sonderlich freundlich aus: zögerlich, unentschlossen, träge, ein Zauderer und Hasenfuß. Was in politischen Debatten und Kommentaren an Kritik laut wurde, spiegelt sich in der Stimmungslage der Bevölkerung aber nicht wider – im Gegenteil.

Nur 20 Prozent der Deutschen halten Kritik an Scholz' Kurs für berechtigt

Fast drei Viertel der Bürgerinnen und Bürger (73 Prozent) finden es richtig, dass der Bundeskanzler erst nach Abstimmung mit anderen Nato-Partner eine Entscheidung über die Lieferung von Kampfpanzern des Typs Leopard 2 getroffen hat. Nur 20 Prozent der Befragten halten die Kritik an Scholz’ Kurs für berechtigt. Am intensivsten fällt der Rückhalt für Scholz erwartungsgemäß bei den Anhängern der „Ampel“-Parteien aus. Die Unterstützer der SPD stehen in der Frage der Panzerlieferungen zu 88 Prozent hinter Scholz, von den FDP-Anhängern sind es 84 Prozent, bei der Grünen-Klientel 78 Prozent.

Die Anhänger von CDU/CSU als führenden Oppositionsparteien sehen das Vorgehen des SPD-Kanzlers zwar zu einem Drittel kritisch. Aber auch in der Unionsklientel trifft es mit deutlicher Mehrheit (60 Prozent) auf Zustimmung. In der AfD-Anhängerschaft liegt der Wert sogar noch um neun Punkte höher.

Güllner spricht von einer Stimmungsumkehr unter wechselnden Vorzeichen. „Das Scholz-Bild war lange Zeit nicht sonderlich positiv. Sein Lavieren während der Corona-Krise etwa in der Frage der Impfpflicht und auch sein Agieren in der Energiekrise kamen bei den Leuten nicht gut an. Aber genau das, was sie Scholz zuvor ankreideten, halten sie ihm jetzt mit Blick auf Deutschlands Haltung zum Ukraine-Krieg als Besonnenheit zugute.“

Große Angst vor einer Ausweitung des Kriegs

Der Demoskop erkennt aber noch einen weiteren Zusammenhang: In der deutschen Bevölkerung herrscht große Angst vor einer Ausweitung des russischen Angriffskriegs über das Territorium der Ukraine hinaus. 72 Prozent der Bürgerinnen und Bürger geben dies als ihre stärkste Befürchtung an. Die Sorge geht quer durch die politischen Lager: SPD- und Unionsanhänger liegen mit jeweils 69 Prozent gleichauf. Noch stärker schlägt die Kurve der Angst vor einer Kriegseskalation in der Klientel von AfD (81 Prozent) und Grünen (80) aus.

Die Diskussionen über die Lieferung von immer noch mehr – und potenziell offensivem – Militärgerät „schürt die Angst“, erklärt Güllner. „Die Menschen glauben mehrheitlich nicht, dass das den Krieg beendet.“ Dazu passt, dass die Meinung zur Lieferung von Kampfjets, Kriegsschiffen oder U-Booten an die Ukraine deutlich ablehnend ausfällt. 70 Prozent aller Bürgerinnen und Bürger stehen solchen Überlegungen negativ gegenüber. Praktisch einhellig ist die Ablehnung in der AfD-Klientel (97 Prozent). Auf das höchste Maß an Zustimmung träfe die qualitative Ausweitung der Waffenlieferungen derzeit bei den Anhängern der Grünen (28 Prozent Befürworter, 58 Prozent Gegner) und der FDP (27 zu 61 Prozent).

Sorgen um die wirtschaftliche Lage oder die Energiesicherheit treten zurück

Hinter der Angst vor einer Ausweitung des Kriegs treten andere Sorgen wie die um die wirtschaftlichen Verhältnisse des Landes, die eigene finanzielle Situation oder die Sicherheit der Versorgung mit Strom, Wärme und Sprit deutlich zurück. „Die Energiekrise wirkt im Vergleich zum Kriegsgeschehen fassbar“, erklärt Güllner. „Da glaubt man, zu wissen, was auf einen zukommt und wie man sich darauf einstellen kann. Ganz im Gegensatz zum Krieg, auf den man keinen Einfluss hat und über den einem jeder Experte, jede Expertin etwas anderes erzählt.“

Für das RTL/ntv-„Trendbarometer“ vom 27. und 30. Januar befragte Forsa 1002 Personen.

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