Umfrage zu Kölner Erzbistum„Keine Verbindung zwischen Bistumsleitung und Gottesvolk“

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Die von Papst Franziskus verfügte Auszeit für Kardinal Woelki endet am 2. März. Seine Zukunft im Erzbistum Köln ist bislang ungewiss. 

Köln – In einer repräsentativen Umfrage, die der „Kölner Stadt-Anzeiger“ in Auftrag gegeben hat, spricht sich eine überwältigende Mehrheit der Menschen im Erzbistum Köln gegen die Rückkehr von Kardinal Woelki aus. Die Göttinger Politologin Tine Stein erklärt im Interview, inwiefern Meinungsumfragen in der Kirche sinnvoll sind und wie weit die „Demokratisierung“ der Kirche gehen soll.

Frau Professorin Stein, Sie sind Politologin und engagierte Katholikin. Halten Sie Meinungsumfragen zu kirchlichen Angelegenheiten für angemessen? Tine Stein: Ja sicher. Man könnte zwar meinen, dass in einer Glaubensgemeinschaft wie der katholischen Kirche diejenigen, die die Leitungsvollmacht innehaben, ein Gespür für den Spürsinn des Gottesvolkes haben und nicht nur wissen, was die Gläubigen denken, sondern sich auch danach richten. Aber die Ergebnisse dieser Umfrage zeigen ja in dramatischer Weise, dass überhaupt keine Verbindung mehr zwischen Bistumsleitung und Gottesvolk besteht. Die Gläubigen sagen mit überwältigender Mehrheit im Grunde: Wir haben keine legitime Leitung mehr.

Aber die Befragten haben doch am Ende gar keine Befugnisse.

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Und man sieht in Köln, wohin das führt! Die Auswahl der Bischöfe hat sich unter den Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. immer weiter politisiert – in dem Sinne, dass die Kandidaten vornehmlich danach ausgewählt wurden, ob sie bestimmte kirchenpolitische Positionen beziehen, wie etwa die Ablehnung der Priesterweihe für Frauen. Ob sie einen guten Ruf im Gottesvolk hatten; ob sie als Person über Autorität verfügten, etwa durch ihre vorherige Tätigkeit als Weihbischof oder aus anderen Ämtern heraus – all das spielte keine Rolle.

Tine Stein ist Inhaberin des Lehrstuhls für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Georg-August-Universität Göttingen

Tine Stein ist Inhaberin des Lehrstuhls für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Georg-August-Universität Göttingen

Auf dem Synodalen Weg der Kirche in Deutschland wird über mehr Partizipation beraten. Erste Beschlüsse für die Bestellung der Bischöfe sind gefallen. Wie ließe sich das auf die aktuelle Lage in Köln anwenden?

Es muss das ganze Volk Gottes bei der Bestellung einbezogen werden. Das Domkapitel sollte sich – was möglich ist, ohne dass auch nur ein Buchstabe des Kirchenrechts geändert werden müsste – freiwillig in seiner Entscheidung an den Rat eines neu einzurichtenden Gremiums binden, dessen Mitglieder gewählt werden und das die Gemeinschaft der Gläubigen repräsentiert, also Laien wie Geweihte. Gemeinsam würden dann dieses Gremium und das Domkapitel eine Liste mit geeigneten Kandidaten erstellen und dann, wenn die Dreierliste des Apostolischen Stuhls zurückkommt, würde das Domkapitel das Gremium anhören, welches auch berechtigt ist, eine mehrheitliche Wahlempfehlung abzugeben.

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Wie weit soll die „Demokratisierung der Kirche“ eigentlich gehen? Die Kirche als Glaubensgemeinschaft, sagen Kritiker, sei nun mal kein demokratisches Gemeinwesen.

Ja, das stimmt meines Erachtens sogar, aber nur in einer bestimmten Hinsicht – die Kirche ist keine Demokratie in dem Sinne, dass die Herrschaftsgewalt vom Volk ausgeht, so wie es im Grundgesetz für die staatliche Demokratie gilt. Aber es ist ein Missverständnis zu meinen, weil die Kirche eine „Stiftung“ ist, also auf Jesus Christus zurückgeht, sollte sie deswegen als absolutistische Monarchie verfasst und die Leitungsgewalt beim Bischof beziehungsweise beim Papst konzentriert sein. Wir haben im Missbrauchsskandal gesehen, zu welchem Machtmissbrauch die Machtkonzentration führen kann. Auch in der Kirche bedarf es eines Vertrauensverhältnisses zwischen denjenigen, die Leitungsämter innehaben und denjenigen, die von Leitungsentscheidungen betroffen sind. Zudem sollte die Leitungsgewalt geteilt werden und nicht nur Geweihten vorbehalten sein. Also: Wahlen, echte Gewaltenteilung, Transparenzvorschriften, Kontrollverfahren, Rechtsbindung, Amtszeitbegrenzung, Rechtswegegarantien – die ganze Palette, die wir aus weltlichen Organisationen kennen, sollte auch in die Verfassung der Kirche Eingang finden.

Tine Stein, geb. 1965, ist Professorin für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Göttingen. Beim „Synodalen Weg“, dem Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland, wirkt sie als Beraterin mit.

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