Köln – Zeit für Partys hat Kristina Junghans eigentlich kaum noch. Alle drei Monate nimmt sich die 28-jährige Studentin bewusst einen Samstagabend frei und geht mit ihren Freunden aus. Der Rest der Zeit gehört der Universität und vor allem Emma. Emma ist drei, Kristinas Tochter und damit ein – wundervoller – Vollzeitjob.
Studium mit Kind, das ist ein Leben, das perfekt organisiert sein will. Morgens um acht bringt Kristina Junghans Emma zur Kita im heimischen Erftstadt, fährt mit der S-Bahn nach Köln, besucht Seminare und reist anschließend wieder zurück nach Hause. Der Rest des Tages gehört Emma. Im Nacken hat Kristina oft das schlechte Gefühl, nicht genug für die Uni zu lernen. Erst wenn die Kleine abends einschläft, packt die Lehramtsstudentin ihre Bücher aus und paukt. „Manchmal bin ich aber so geschafft, dass ich dabei einnicke.“
Das sind die guten Tage. Die Tage, an denen alles perfekt läuft. An denen Emma nicht krank wird, die Kita nicht geschlossen hat, die Großmutter oder der Partner die Betreuung wie geplant übernehmen kann und die Bahnmitarbeiter nicht streiken und die S-Bahn planmäßig am Kölner Südbahnhof einfährt. Die Tage, an denen an der Uni alles glatt läuft.
Als Emma geboren wurde, war Kristina im achten Semester. Anfangs dachte sie, die Professoren würden ihr entgegenkommen – wegen der doppelten Belastung. Hatte gedacht, sie könnte weniger lange Referate schreiben oder andere Klausurtermine wählen. Das entpuppte sich schnell als Illusion. Stattdessen erlebte sie, wie einmal ein Dozent eine Studentin mit schreiendem Baby bat, die Vorlesung zu verlassen.
Fünf Prozent der insgesamt 2,6 Millionen Studenten in Deutschland lernen mit Kind. An der Kölner Uni sind das immerhin 2500 angehende Akademiker. „Das Hauptproblem ist die mangelnde Flexibilität“, sagt Maike Helmig vom Büro der Gleichstellungsbeauftragten, die auch studentische Eltern berät. Die Studenten können daher oft nur Kurse wählen, die am Vormittag oder am frühen Nachmittag liegen, weil sie sich später um ihre Kinder kümmern müssen. Die meisten Kindertagesstätten und Tagesmütter sind bei den Betreuungszeiten nur wenig flexibel. So brauchen die Studenten länger, um alle geforderten Kurse zu absolvieren, und verlieren das eine oder andere Semester.
Das ist ärgerlich, weil die Studenten ihre soziale Infrastruktur verlieren: Lerngruppen orientieren sich weiter, Kommilitonen ziehen an den Eltern vorbei. Wenn Studienfächer einfach auslaufen, ist besondere Eile geboten. Wie bei Gesina Leininger (30), die Wirtschaftspädagogik studiert und Lehrerin werden möchte. Weil ihr Staatsexamen-Lehrgang 2016 auf einen Bachelor umgestellt wird, mit dem sie keine Lehrberechtigung hat, musste sie trotz der Betreuung für ihren Sohn Emil den Lernturbo einlegen. „Ich hab Vollgas gegeben“, sagt sie. Dank einer guten familiären Betreuung sieht es derzeit so aus, als könnte sie pünktlich ihre Prüfungen ablegen.
Eltern, natürlich auch Studenten, haben einige Möglichkeiten, finanziell unterstützt zu werden. Elterngeld (67 Prozent des vorigen Einkommens, maximal 1800 Euro) wird für maximal 14 Monate gezahlt. Antrag an die Elterngeldstelle der Stadt Köln. Das Kindergeld beträgt für das erste und zweite Kind 184 Euro, für das dritte 190 Euro, ab dem vierten Kind 215 Euro. Antrag bei der Familienkasse der örtlichen Arbeitsagentur. Alleinerziehende haben Anspruch auf Unterhaltsvorschuss vom Jugendamt, wenn der Partner für das Kind nicht zahlen kann oder will. Studentische Eltern haben auch Anspruch auf Bafög. (ris)
Während der Schwangerschaft und der Stillzeit gelten besondere Schutzvorschriften. Der Arbeitgeber muss nach dem Mutterschutzgesetz dafür sorgen, dass Mutter und Kind vor Gefahren am Arbeitsplatz geschützt werden. Nach der Entbindung gilt ein Beschäftigungsverbot für acht Wochen, bei Früh- und Mehrlingsgeburten verlängert sich der Schutz auf zwölf Wochen. Studentinnen haben aber das Recht, während des Mutterschutzes zu studieren. Während der ersten drei Monate nach der Geburt darf die Mutter bei der Arbeit nur mit solchen Aufgaben betraut werden, die sie leistungsmäßig nicht überfordern. (ris)
Die Sozialberatung des Kölner Studentenwerks informiert Eltern und Schwangere (Telefon 0221/ 16 88 15-0). Der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) hat ebenfalls ein Beratungsangebot zu den Themen Soziales und Bafög an der Universitätsstraße 16a (siehe Link unten). Die Uni Köln bietet für Studenten einen Notfallbetreuungs-Service an (Telefon: 0221/470-2174). Unter dem Ruf wird auch zu Angeboten zu Ferienfreizeiten informiert. Weitere Tipps bei Maike Helmig vom Büro der Gleichstellungsbeauftragten (Telefon 470-66 53). (ris)
www.asta.uni-koeln.de
www.gb.uni-koeln.de
Kita Stoppersöckchen, Kinderhaus Universität, Weyertal 111; Telefon 0221/470-88 60; Kita Stadt Köln, Weyertal 113, Telefon 0221/41 49 30; Uni-Kita Weyertal 113a, Telefon 0221/44 60 04; Uni-Kita, Zülpicher Straße 51, Telefon 0221/44 16 00; Kita PH, Gronewaldstraße 2, Telefon 0221/ 40 48 02; Uni-Kids Frangenheimstraße 4, Telefon 0221/406 15 37; Ev. Kita, Lindenthalgürtel 30, Telefon 0221/476 98 34; Kindertagesstätte Uniklinik, Robert-Koch-Straße 10, Telefon 0221/478-5301. Kusperhäuschen, Weyertal 113, 0221/44 60 04. Weitere Angebote auf der Homepage der Stadt. (ris)
www.stadt-koeln.de
Trotz mancher Probleme sieht Beraterin Helmig aber eine Trendwende an der Kölner Universität. „Noch vor zehn Jahren war das Thema »Kinder und Studium« nicht in den Köpfen der Dozenten.“ Das habe sich mittlerweile geändert. „90 Prozent der Professoren lassen mit sich reden, wenn man als Student auf sie zugeht.“ So gebe es an der Humanwissenschaftlichen und an der Medizinischen Fakultät Regelungen, die Studenten mit Kind ein Vorauswahlrecht bei den Kursen zubilligen. Mit viel Mühe habe Helmig einer schwangeren Studentin jüngst sogar ein Stehpult beschaffen können.
Manchmal hapert es nur an der Kommunikation: Dass es etwa eine Notfallbetreuung an der Uni gibt, wissen nur die wenigsten Studenten. Kristina Junghans hätte sich wohl einige Mühe erspart, als sie Emma einmal zu einer Sprechstunde mitnehmen musste, die außerhalb der Betreuungszeit ihrer Kita lag. Emma war an dem Tag außer Rand und Band, und Kristina Junghans hätte sich nichts sehnlicher gewünscht als eine Spielecke – oder eben eine Kurzzeitbetreuung.