GamescomDie Frau mit der Pistole in der Hand

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Katrin Preckwinkel war professionelle Computerspielerin. (Bild: Christine Lehnen)

Katrin Preckwinkel war professionelle Computerspielerin. (Bild: Christine Lehnen)

Zocker sein - das wird in Köln von Mittwoch an nichts besonderes sein. Schließlich reisen zur Computerspielmesse Gamescom Spieler aus aller Welt an, um Trends auszuprobieren. In der Mehrheit werden es aber Männer sein, denn bislang interessieren sich nur selten Frauen für Counter Strike und andere Spiele. Katrin Preckwinkel aus Köln ist also doch etwas besonderes.

Die 31-Jährige spielt Computer- und Videospiele seit sie denken kann. "Obwohl meine Mutter gar nicht begeistert war. Sie rannte immer am Fenster vorbei und hat geguckt: Was spielt sie jetzt? Ist das was Gutes oder was Böses? Ich weiß noch, dass sie einmal bei mir ans Fenster geklopft und ganz böse geschaut hat, weil ich im Spiel eine Pistole in der Hand hielt." Ihre Eltern versuchten, den Spielkonsum von Katrin Preckwinkel und ihrer kleinen Schwester durch Verbote zu beschränken. "Aber sobald sie beim Einkaufen waren, haben wir wieder gezockt."

Katrin Preckwinkel spielte nicht bloß aus Spaß, sie war professionelle Gamerin. Nicht nur ihre Eltern, auch Freundinnen und Klassenkameradinnen hatten kein Verständnis für ihre Leidenschaft. "Seltsam" fanden es alle. Denn Frauen waren damals schon als gewöhnliche Computerspielerinnen eine Seltenheit, professionell spielten höchstens eine Handvoll. Doch davon ließ sich Preckwinkel nicht abhalten. Sie trat mit 21 Jahren einem Clan namens uTp bei, einer Mannschaft von Computerspielern, und begann, Counter Strike professionell zu spielen: In der ESL, der Liga für elektronische Sportarten.

In ihrem Clan war Preckwinkel das einzige Mädchen. Sie startete damals einen Aufruf, um ein weibliches Team zu bilden, aber es fand sich niemand. Auf einer öffentlichen LAN-Party im Saarland mit 1000 Teilnehmern gehörte sie zu der kleinen Handvoll Gamerinnen.

Aber Preckwinkel ließ sich nicht entmutigen. Sie spielte weiter. Selbst dann, als sie begann, Germanistik und Geografie zu studieren. Der Wettbewerbsgedanke reizte sie nach eigenen Angaben, die Herausforderung, "immer geschickter zu werden, immer schneller, immer besser." Und sie wurde immer geschickter, immer schneller, immer besser.

Dass sie überhaupt zu Computer- und Videospielen fand, erklärt die 31-Jährige mit ihrer ländlich geprägten Jugend unter Jungs. Aufgewachsen ist Preckwinkel in Limbach im Westerwald. "Da wohnen 500 Leute. " Getroffen hat sie sich mit Boris, der bei ihr im Haus wohnte, und den anderen Jungs. "Das erste Mädchen war auf meinem 13. Geburtstag zu Besuch." Gemeinsam entdeckten sie und die anderen Jungen im Dorf, wie sehr Video- und Computerspiele die manchmal langweiligen Tage auf dem Land spannender machen konnten.

Ihr erster Computer war ein C64, ihre erste Konsole ein NES. Als sie älter und die Computer besser wurden, begann sie, mit ihren Freunden LAN-Partys im kleinen Kreise zu veranstalten. Sie spielten das berühmt-berüchtigte Counter Strike. Da war Katrin Preckwinkel 18 Jahre alt.

Nach dem Erfurter Amoklauf im Jahr 2002 gerieten Computerspieler in die Defensive. Insbesondere Ego-Shooter wie Counter Strike wurden beschuldigt, Schuld an den Ereignissen zu tragen. Die öffentliche Stimmung richtete sich gegen Gamer. Preckwinkel spielte damals gerade seit einem Jahr in der ESL. Es war in dieser Zeit nicht leicht, professionell zu spielen, schon gar nicht als Frau. Sie und ihre Mitstreiter fühlten sich falsch dargestellt: "Natürlich kommt es immer auf den sozialen Hintergrund der einzelnen Person an. Es gibt es auch solche, für die Computerspiele nicht unbedingt geeignet sind. Aber alle Spieler, die ich kenne, sind ganz normal."

Viele profitierten ihrer Meinung nach auch in anderen Lebensbereichen vom Spiel. Sie selbst sei nun viel besser deutschlandweit vernetzt. Ein Bekannter lernte seine zukünftige Frau bei einem Online-Rollenspiel kennen. Der Clan-Leader des uTp, sozusagen der Spielemacher, war von der Hüfte abwärts querschnittsgelähmt und fand in Computerspielen ein neues Hobby, welches nicht durch seine körperliche Behinderung beeinträchtigt wurde.

Preckwinkel und ihr Clan ließen sich trotz der schlechten Stimmung in der Öffentlichkeit ihre Leidenschaft nicht nehmen. Jeder übriggebliebene Cent wurde in den Computer investiert, immer die neuste Hardware gekauft - der PC musste mithalten mit den steigenden Fähigkeiten der Spieler. Immer schneller, immer besser.

Schlecht behandelt wurde sie von ihren männlichen Mitspielern nie. "Manche haben sich am Anfang schon ein wenig gewundert, gewöhnten sich aber daran."

Vom Computer zum Tierschutz

Trotzdem beendete Preckwinkel ihre Gaming-Karriere, als sie 25 Jahre alt war: "Mein Ex-Freund spielte auch Counter Strike und war beleidigt, wenn ich besser war. Deshalb habe ich mir irgendwann gedacht: Der Ärger ist es mir nicht wert, lass ihn mal seinen Spaß haben und zock' eben etwas anderes."

So einfach war es natürlich nicht. "Der Schwerpunkt verschiebt sich einfach", erklärt sie, während sich ihr Mischling Lina neben ihrem Frauchen auf dem Sofa zusammenrollt. Preckwinkel hat sie aus einer Tötungsstation auf Lanzarote gerettet.

Inzwischen ist die 31-Jährige Referendarin an einem Gymnasium in Mülheim und lebt mit ihren drei Hunden Lina, Micky und Kelly in Bergisch Gladbach. Neben ihrem Beruf ist Tierschutz ihre neue Leidenschaft. Katrin Preckwinkel engagiert sich unter anderem beim Tierschutzverein Köln-Porz und der Tierrechtsinitiative Köln.

Spielen ist für sie inzwischen nur noch ein Hobby. Eine Karriere in dem Bereich kam für Katrin Preckwinkel nie infrage. "Ich wollte etwas Sinnvolles machen." Also wurde sie Lehrerin. Computer- und Videospiele hebt sie sich für entspannte Abende auf der Couch auf, wie ein gutes Buch oder einen schönen Film.

Wenn ihre Mutter Katrin Preckwinkel also einen unangekündigten Besuch abstattet, sollte sie besser nicht durch das Balkonfenster hineinspähen. Es könnte nämlich sein, dass sie sieht, wie ihre Tochter im Spiel wieder eine Pistole in der Hand hält.

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