Geschichte der BraunkohleLebendig und doch schon ein Denkmal

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Buchpräsentation im Tagebau Garzweiler: Michael Jansen, Beigeordneter der Gemeinde Jüchen, sowie die Autoren Norbert Gilson, Barbara Rinn und Walter Buschmann freuen sich mit Landeskonservator Udo Mainzer (v.l.) über das neue „Großinventar“. BILDER: CHRIST

Buchpräsentation im Tagebau Garzweiler: Michael Jansen, Beigeordneter der Gemeinde Jüchen, sowie die Autoren Norbert Gilson, Barbara Rinn und Walter Buschmann freuen sich mit Landeskonservator Udo Mainzer (v.l.) über das neue „Großinventar“. BILDER: CHRIST

Rhein-Erft –  - Gemächlich tuckert der alte Schienenbus durch Köln. Immer wieder müssen die Köln-Bonner Eisenbahnfreunde, die das 53 Jahre alte Schätzchen liebevoll in Schuss halten, auf die Bremse treten: Die mit Briketts beladenen Güterzüge der „Häfen und Güterverkehr Köln AG“ genießen Vorrang auf der eingleisigen Strecke. Es ist eine geschichtsträchtige Fahrt, zu der der Landschaftsverband Rheinland eingeladen hat. Vom Niehler Hafen arbeitet sich das klobige Vehikel durch Ehrenfeld, den Kölner Stadtwald und schließlich zum Goldenberg-Kraftwerk in Hürth-Knapsack vor. 1894 wurde die „Köln-Frechen-Benzelrather Eisenbahn“ in Betrieb genommen, aber erst 1924 bekam die Frechener Braunkohle- und Tonwarenindustrie einen Schienenanschluss an den Niehler Hafen - die große Zeit der Braunkohle und der „Klüttenbahn“ war angebrochen.

Mit im Zug sitzen Dr. Walter Buschmann, Dr. Norbert Gilson und Dr. Barbara Rinn. Acht Jahre lang haben die Historiker an einem Buch gearbeitet, das sich auf 753 Seiten der Geschichte des rheinischen Braunkohlebergbaus widmet. In dem vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Bauen und Verkehr und dem Landschaftsverband Rheinland herausgegebenen „Großinventar“ wird die Entwicklung von rund 50 Brikettfabriken, Kraftwerken, Tagebauen oder Wasserwerken dargestellt. Mit der Besichtigungstour durch den Rhein-Erft-Kreis vermitteln die Geschichtsschreiber und Denkmalschützer einen Eindruck von den Dimensionen der Braunkohleindustrie. „Die Braunkohle ist der absolut dominante Industriezweig der Region Köln, Bonn, Düsseldorf und Aachen“, sagt Walter Buschmann, Referatsleiter Technik und Industriedenkmäler der Rheinischen Denkmalpflege und federführender Autor des wissenschaftlichen Werks. Keine andere Branche habe die Landschaft mehr verändert als die Braunkohle.

Umdenken

Alles zum Thema Häfen und Güterverkehr Köln

Den Schwerpunkt des von mehreren Städten und Kreisen geförderten Buchs bildet die Braunkohleindustrie im Rhein-Erft-Kreis. Die Historie der Brühler Roddergrube wird ebenso dargestellt wie die der Brikettfabrik Clarenberg in Frechen oder der Bergheimer Brikettfabrik Fortuna-Nord. Auch der Schaufelradbagger 255 im Tagebau Inden, das Kraftwerk Frimmersdorf in Grevenbroich oder die Fabrik Geich bei Zülpich werden ausführlich behandelt. Die wissenschaftliche Würdigung der Braunkohleindustrie ist auch Ausdruck des Umdenkens in der Denkmalpflege. „Bisher stand die Braunkohle für die Zerstörung von Kultur“, sagt Prof. Dr. Udo Mainzer, Leiter der Rheinischen Denkmalpflege: „Heute ist das, was die Braunkohle in diesem Land geschaffen hat, selbst denkmalwert.“

Einige der im Buch erwähnten Industriegebäude stehen bereits unter Denkmalschutz, die Brikettfabrik Carl in Frechen etwa, die zu Wohnungen umgebaut wurde, oder das Hürther Goldenberg-Kraftwerk. Auch die Köln-Frechen-Benzelrather Eisenbahn ist mittlerweile ein Denkmal. Der Landschaftsverband will nun daran arbeiten, dass auch der Rest des beschriebenen Braunkohle-Inventars eines Tages in der Denkmalliste auftaucht.

Dass die Braunkohleindustrie noch quicklebendig ist, stehe diesem Ziel keineswegs entgegen, sagt Buschmann: „Die Industriegebäude lassen sich am besten schützen, wenn sie weiter genutzt werden.“ Auch Veränderungen an geschützten Gebäuden seien möglich: „Die Veränderungen dürfen nur den Denkmalwert nicht beeinträchtigen.“

Die Architektur des Grevenbroicher Braunkohlenkraftwerks Frimmersdorf II bringt Buschmann regelrecht ins Schwärmen. Die Fassade der mit mit 500 Metern ehemals längsten Maschinenhalle der Welt sei eine „tolle Inkarnation der Formvorstellung der 1950er Jahre in Verbindung mit der damals besten Kraftwerkstechnik, die es gab“. Auch diese gewaltig wirkende Anlage würde er gern unter Denkmalschutz stellen. Bisher seien die Verhandlungen mit RWE Power als Betreiber jedoch erfolglos geblieben. Immerhin: Bei allen geplanten Veränderungen werden mittlerweile die Denkmalschützer vorher informiert.

Braunkohlenbergbau im Rheinland, Walter Buschmann, Norbert Gilson, Barbara Rinn, ISBN 978-3-88462-269-8, 54 Euro.

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