Nur im Zirkushimmel ein Paar

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Seit ihrer Jugend eng befreundet, aber nie ein Paar: Christoph Gobet (l. ) und Rodrigue Funke

Seit ihrer Jugend eng befreundet, aber nie ein Paar: Christoph Gobet (l. ) und Rodrigue Funke

Für spektakuläre Kunststücke in luftiger Höhe erntet das Trapez-Duo „Sorellas“ stehende Ovationen.

Die Zirkusfans sehen zu ihnen auf: Christoph Gobet (29) und Rodrigue Funke (28) gehören im Circus Roncalli mit einer atemberaubenden Luftnummer zu den erklärten Lieblingen des Kölner Publikums. Hoch oben in der Zirkuskuppel verbinden die „Sorellas“ (übersetzt: Schwestern) perfektes Muskelspiel, atemberaubende Partnerakrobatik und Nervenkitzel mit einem Schuss Erotik. „Eine Portion Sex gehört doch dazu“, sagt Funke und lacht.

Die Show am Trapez wirkt kraftvoll, ästhetisch und vor allem gut aufeinander eingespielt. Man spürt die Nähe der beiden. So eine Nummer gab es von einem Männerpaar bislang nur selten zu sehen. Das kommt an. „Viele unserer männlichen Fans warten nach der Vorstellung, wollen uns gratulieren“, sagt Funke: „Und von älteren Damen kriegen wir schon mal merkwürdige Post mit eindeutigen Einladungen.“

Dabei machen die beiden Künstler aus ihrer Vorliebe für Männer keinen Hehl. „Wir sind immer offen damit umgegangen, schwul zu sein“, betonen beide. „Da wollten wir uns nie verstecken. Sonst wird man nicht glücklich in der Arbeit.“ Sie kennen sich seit 13 Jahren, trainierten von 1993 bis 1997 auf der Artistenschule in Berlin, waren aber nie ein Paar. „Doch immer eng befreundet, haben zeitweise auch zusammengewohnt - wie Schwestern halt“, verrät Gobet. So haben italienische Freunde ihnen den Spitznamen „Sorellas“ verpasst, der sich als Bühnenname großartig eignete.

Funke war im Osten Berlins groß geworden. Der Vater war aus Ghana, die Mutter Deutsche, die als Kostüm- und Theaterdesignerin arbeitete. „Ich war ein hyperaktives Kind. Wurde zu DDR-Zeiten schon früh gecastet, sollte turnen oder boxen. Aber das wollte ich alles nicht.“ So landete er mit sieben Jahren in der Artistengruppe im „Haus der jungen Talente“, in dem alte Ost-Artisten ihr Wissen weitergaben. „Wenn die Mauer nicht gefallen wäre, hätte ich es wohl bis in den Moskauer Staatszirkus geschafft. Ich war immer davon überzeugt, dass ich mal berühmt werde.“ Für dieses Ziel hat er hart trainiert, aus Leidenschaft. Täglich vier Stunden in der Schule und dann nochmal drei Stunden alleine.

Ähnlich ehrgeizig war Gobet. Der Schweizer kam über einen Jugendzirkus und eine Akrobatikschule aus Basel nach Berlin und lernte Funke kennen. „Wir haben aus Spaß zusammen geprobt und Grundlagen der heutigen Nummer entwickelt.“ Doch zwei Männer am Trapez? „So ein Luftballett will doch keiner sehen“, hieß es damals. So machte Funke seine Abschlussprüfung als Equilibrist in einer „Hand auf Hand“-Nummer mit einem kleinen blonden Mädchen („Wir galten als das Traumpaar der Schule“), während Gobet Solo am Trapez turnte.

Mit diesen Nummern begannen sie ihre Varieté-Karriere, die beide Männer zuweilen bei der gleichen Show zusammenführte. 1999 in Kassel kam der Durchbruch. Da sollten alle Künstler bei einer Benefiz-Show etwas anderes als das „Normale“ zeigen, und die „Sorellas“ glänzten mit ihrer Trapezschau. „Gleich am Tag danach erhielten wir einen Vertrag fürs nächste Jahr.“

Seit Mai 2000 machen die zwei Luftmenschen - preisgekrönt in Paris (2003) und in China (2005) - gemeinsame Sache. Und bei Roncalli nun erstmals in einer Zirkusmanege. Da mussten sie sich etwas umstellen, denn das Trapez baumelt rund vier Meter höher als im Varieté. Als einzige ihrer Zunft fangen sie sich mit den Füßen auf, und viele Tricks sind eigene Kreationen mit Namen wie „die Tote“ (Gobet liegt auf Funkes Füßen) oder „der Schnepper“ (Handstand auf den Füßen des Partners).

„Wir haben schnell gemerkt, dass unsere Nummer gut in den Zirkus passt. Die Zuschauer lieben uns. Gerade in Köln läuft alles perfekt“, erzählt Funke. Hier hat er sich frisch verliebt. „Ich hab jetzt 'nen kölschen Jung.“ Gobet hat seit einem Jahr eine feste Beziehung mit einem Artistenkollegen. „Unsere Freunde müssen viel mitmachen. Unser Beruf ist ja kein Nebenher. Da muss man nach Plan schlafen, essen und trainieren.“

Bis zum 10. Dezember stehen die Sorellas noch bei Roncalli unter Vertrag. Wo sie 2007 ihre Künste zeigen, ist noch unklar. „Wir haben Angebote aus aller Welt. Da hat uns Roncalli schon Türen aufgemacht.“ Revue oder Varieté, Zirkus oder Kreuzfahrtschiff oder doch das große US-Unternehmen? Funke: „Da gibt es täglich zwei Shows und samstags drei. Nonstop. Ich weiß nicht, ob wir uns das antun sollen. Das Leben nebenher muss ja auch gelebt werden.“

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