Vorne die Bleistifte, hinten die Radiergummis

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Laufendes Funkemariechen

Laufendes Funkemariechen

Drei Wochen früher als gewöhnlich - und doch wird es wieder nass werden. Der Köln-Marathon hat auch bei der achten Auflage mit dem Wetter wenig Glück.

Streckenrekorde. Für die Äthiopier Tadesse Hailemariam (26) und Tesfaye Tola (30) und den Kenianer Thomas Chemitei (26) zählt am Sonntag nur eins. 2:10:51 Stunden gilt es zu brechen und das möglichst deutlich. Dafür haben sie zwar eigentlich nicht trainiert, aber die Tatsache, dass sie es angesichts der knallharten Konkurrenz in ihren Ländern nicht gepackt haben, sich für die Olympischen Spielen von Athen 2004 zu qualifizieren, wurmt die Läuferseele. Dann eben in Köln zeigen, was man drauf hat.

Streckenrekorde. Für den Kölner Karl-Heinz Finger (58) hat das Wort eine ganz andere Bedeutung. Klar, auch er ist in seinem nunmehr 30 Jahre währenden Läuferleben immer ehrgeizig gewesen. 3:06 Stunden läuft man auch nicht aus dem Stand. Sein Rekord steht am Decksteiner Weiher und wird mindestens dreimal pro Woche ausgebaut. 30 000 Kilometer um „meinen geliebten Weiher“, früher als fröhliches Unikum, heute als einer, der die Kastanien bedauert, „weil die vor lauter Joggern und Walkern den Wald nicht mehr sehen“. Finger wird laufen, solange es ihm Spaß bereitet. Und jetzt, da er auf Altersteilzeit ist, erst recht. „Ich werde laufen, so lange, bis mein Körper mir die Gelbe Karte zeigt. Ich weiß zwar nicht, ob das mein Leben verlängern wird“, sagt er und lacht. „Zumindest sterbe ich gesünder.“

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Streckenrekorde. Die Startaufstellung beim Köln-Marathon folgt dem ungeschriebenen Gesetz aller Marathonläufe. Vorne laufen die Bleistifte, hinten die Radiergummis. Wenn die über die Startlinie gehen, hat die Spitze schon fünf Kilometer hinter sich. Und irgendwo dazwischen laufen die „Laktatkönige“, ein loser Zusammenschluss von Hobbyläufern ohne Vorstand, ohne Kassenwart, ohne Mitgliederliste. Alle haben Marathon-Erfahrung, alle waren spätestens immer nach vier Stunden im Ziel. Und diesmal wollen sie sich etwas ganz Besonderes gönnen: den Lauf als Funkenmariechen. Knallig rot glänzend fliegen die Laufschuhe im Sambarhythmus über den Asphalt. Der Blick wandert zwölf Beinpaare hoch: den ferrari-roten Schuhen folgen Socken und trainierte Waden, die unter weißen Spitzchenröckchen verschwinden. Im Laufrhythmus schlägt die dicke Trumm vor den Bauch, Schweiß tropft vom Kopf, den ein roter Dreispitz mit goldener Umrandung ziert. „Wir haben den Wein-Marathon von Medoc genossen, jetzt werden wir mal einen Kölsch-Marathon in Angriff nehmen“, sagt Paul Esters und muss schmunzeln. „Die Verpflegung ist gesichert. Wir haben unsere eigenen Verpflegungsstände und sind alle ziemlich gut trainiert. Sonst packt man das nicht.“

Streckenrekorde. 85 000 Liter wird die GEW RheinEnergie unters Läufervolk schütten, so viel wie nie zuvor. Das meiste wird getrunken, aus 500 000 Bechern, die danach recycelt werden. Dazu kommen 50 000 Bananen, 12 000 Liter Cola, Apfelsaft und Tee, 10 000 Äpfel, 61 000 Müsliriegel und 3000 Liter Kölsch - die allerdings erst im Ziel. Ohne Wasser von oben wird es wohl am Sonntag nicht abgehen: Vormittags drohen Schauer und Gewitter bei Temperaturen zwischen 15 und 17 Grad.

Streckenrekorde. So viele Baustellen hat es auf den 42,195 Kilometern noch nie gegeben, U-Bahnbau, Kanalarbeiten, Versorgungsleitungen, Umleitungen, die Bonner Straße ist besonders holprig, „da tun sich extrem viele Löcher auf. Das ist gefährlich, besonders für die Skater. „Die müssen höllisch aufpassen, dass da keiner auf die Nase fliegt“, fürchtet Hanspeter Detmer, Boss der „Kölner Rollmöpse“. Der Veranstalter hat - so gut es geht - reagiert und an den besonders unübersichtlichen Stellen eine weiße Lauflinie aufgebracht. Damit sich die Äthiopier, die die erste Hälfte mit Unterstützung von mehreren Tempomachern in 64:30 Minuten angehen wollen, um für die zweite ein Polster von 60 Sekunden zu haben, bloß nicht verlaufen - auf ihrer Jagd nach dem Streckenrekord.

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