BundestagswahlSo wählten die Menschen in den Flutgebieten

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Menschen warten vor einem Zelt in Bad Neuenahr, in dem ein provisorisches Wahllokal eingerichtet wurde.

Euskirchen, Erftstadt – Die Flut hat vieles verändert. Selbst die Bundestagswahl war in den betroffenen Gebieten anders als sonst. Der Wahlkreis 92 Euskirchen-Rhein-Erft-Kreis II umfasst die großen Hochwassergebiete in der Eifel, auch das heftig betroffene Erftstadt im Rhein-Erft-Kreis gehört dazu. Gewonnen hat dort Detlef Seif von der CDU, er erhielt 34,6 Prozent der Erststimmen. Bei der Wahl 2017 war Seif auf 42,8 Prozent der Stimmen gekommen. Seit 2009 ist der 59 Jahre alte Anwalt für die Region im Bundestag. Der Wahlkreis in der ländlichen Region ist seit jeher in den Händen der CDU.

Die Direktkandidatin der Grünen im Wahlkreis 92, Marion Sand, kam auf 13,1 Prozent der Erststimmen. 2017 hatte dort Hans-Werner Ignatowitz für die Grünen lediglich 5,5 Prozent verbuchen können. Sand sagt, der Klimawandel und die Flutkatastrophe als dessen Folge sei immer wieder ein wichtiges Thema bei ihren Gesprächen mit Bürgern gewesen. „Wir haben es wohl auch vor diesem Hintergrund geschafft, erstmals viele ältere Menschen für uns zu gewinnen. Das war früher eine Seltenheit“, erklärt die Erftstädterin. Sand war nicht auf der Liste der Grünen vertreten und wird also nicht dem Bundestag angehören.

Eine andere Art Wahlkampf

„Ich habe in den vergangenen Wochen zwei Prozent Wahlkampf gemacht und 98 Prozent Abgeordneten-Tätigkeit“, sagt Detlef Seif (CDU). Das habe vielleicht Auswirkungen auf sein Ergebnis gehabt, anders machen würde er es aber nicht. Wie Seif verzichteten auch Markus Herbrand (FDP), Dagmar Andres (SPD), Marion Sand (Grüne) und Hans-Rüdiger Lucassen (AfD) auf einen aktiven Stimmenfang in den betroffenen Flutgebieten.

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Bundestagswahl 2021 mit improvisierten Wahllokalen in Flut-Orten

„In der Zeit, in der ich um Stimmen werbe, kann ich auch einen Keller ausräumen“, sagt Dagmar Andres von der SPD. Sie habe ihre Wahlkampfhelfer gebeten, sich ebenfalls in den Krisengebieten zu engagieren. Auch sie würde sich jederzeit wieder so entscheiden. Allerdings, so Andres, könne man sich schon die Frage stellen, ob es die richtige Entscheidung gewesen sei. In Brühl und Wesseling war die SPD die stärkste Partei – dort fand ein aktives Werben um Wählerstimmen statt. „Es war ein außergewöhnlicher Wahlkampf“, berichtet auch Herbrand.

Neun Wahllokale mussten umziehen

Außergewöhnlich war das Werben um Wählerstimmen auch in Kall, Schleiden und Euskirchen. Dort mussten wegen des Hochwassers neun Wahllokale umziehen. Mehr Auswirkungen hatte die Flut auf die Wahl aber augenscheinlich nicht. In Schleiden, Kall, Bad Münstereifel und Euskirchen lag das Ergebnis ziemlich genau im Bundestrend. In Schleiden kam Lokalmatador Herbrand auf 23,6 Prozent. Ein Ergebnis, das er aber auch vor vier Jahren bereits holte.

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Wahllokal im Flutgebiet

„Ich habe mein Votum nicht von der Flut abhängig gemacht“, sagte eine Euskirchenerin nach der Stimmabgabe im Alten Rathaus. Ähnlich hielt es eine Arlofferin: „Die Wahl war mir zu wichtig, um es nur auf ein Thema zu reduzieren, zumal alle Parteien erkannt haben, dass man etwas fürs Klima tun muss.“

Auffällige Ergebnisse

Die Wahlergebnisse in den betroffenen Gemeinden fallen nicht so aus dem Rahmen, wie man es hätte erwarten können. In Bad Münstereifel liegen die Verluste für die CDU (-5,73 Prozent) ebenso im Rahmen des Bundestrends wie die Gewinnen von SPD (+3,69) und Grünen (+6,31). In dieser Größenordnung liegen die Gewinne der Grünen auch in den betroffenen Kommunen Nettersheim (+6,39), Schleiden (+ 5,97) oder der Kupferstadt Stolberg (+ 6,51).

Augenfällig waren die Veränderung im Wahlbezirk Erftstadt, wo die Grünen 7,96 Prozent dazu gewinnen konnten. In Leichlingen legten die Grünen gar um 9,46 Prozent zu.

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Ob das ein flutbedingter Zuwachs ist, lässt sich allerdings nicht ohne Einschränkung sagen. Die Grünen liegen im gesamten Kreisgebiet über 20 Prozent; Rösrath ist spätestens seit der Europawahl ein sehr grünes Pflaster und hat seit der vergangenen Kommunalwahl mit Bondina Schulze eine grüne Bürgermeisterin.

Hohe Wahlbeteiligung im Ahrtal

Die Wähler im von Flut zerstörten Ahrtal haben sich nicht von der Stimmabgabe abhalten lassen. Im Wahlkreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz lag die Wahlbeteiligung am Sonntag bei 79 Prozent, wie die Landeswahlleitung mitteilte. In Deutschland nahmen 77,2 Prozent der Wahlberechtigten an der Wahl teil. 2017 hatte die Wahlbeteiligung im Ahrtal bei 77,5 Prozent gelegen – im Vergleich zu Deutschland ein überdurchschnittlich hoher Wert.

Als Direktkandidatin wurde am Sonntag Mechthild Heil (CDU) wiedergewählt. Sie lag mit 34,3 Prozent der Stimmen vor Christoph Schmitt (SPD), der nach Auszählung fast aller Stimmzettel bei 30,3 Prozent lag. Heil konnte ihr Mandat somit verteidigen. Seit 2009 wurde sie jeweils als Direktkandidatin gewählt. (mit dpa)

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