JahresrückblickBad Münstereifel streitet über Fußgängerzone – und die Bahn kommt später

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Blick in die Marktstraße in Bad Münstereifel, auf der ein Auto und Fußgänger unterwegs sind. Am Straßenrand parken weitere Autos.

Auch die Marktstraße vor dem Rathaus in Bad Münstereifel soll nach dem Willen der Ratsmehrheit im neuen Jahr zur Fußgängerzone werden.

Das zweite Quartal 2023 im Kreis Euskirchen: Bad Münstereifel diskutiert das Verkehrskonzept, die Bahn revidiert ihren Wiederaufbau-Zeitplan.

Als der Gastronom Günter Portz 1976 nach Bad Münstereifel kam, sah die Stadt noch anders aus als heute. Die historischen Gebäude, die für viele Besucher den ganz besonderen Reiz des Fachwerk-Kleinods an der Erft ausmachen, gab es natürlich auch damals. „Aber damals hatte die Werther Straße noch einen Bürgersteig, teils fuhr der Schwerlastverkehr von Tor zu Tor. Am Markt gab es eine Ampel, eine zweite an der Post. Und vor der Apotheke war eine Zapfsäule zum Tanken“, erinnert er sich.

Sein Café mit Außenbestuhlung habe man zu der Zeit scherzhaft auch „Café zur Gaskammer“ genannt, weil die Abgasbelastung so hoch war. Eine Fußgängerzone gab es dann ab 1978 – allerdings nur auf der Werther Straße zwischen Alte Gasse und Werther Tor. Die Orchheimer Straße blieb für den Verkehr geöffnet, bevor sie dann ab 1993 jeden Mittag gesperrt wurde.

Bad Münstereifel: Mehr als 1600 Unterschriften für Bürgerbegehren

Dass in Bad Münstereifel rund 30 Jahre später wieder intensiv über das Thema Fußgängerzone diskutiert wird, zeigt, wie weit die Meinungen über Sinn und Zweck einer Fußgängerzone „von Tor zu Tor“ auseinandergehen und dass es neben den Befürwortern immer   noch erbitterte Gegner dieser Idee gibt.

Am 31. März beschloss der Stadtrat dann mehrheitlich die Einrichtung einer „großen“ Fußgängerzone: Größte Änderung ist die Erweiterung bis zum Orchheimer Tor und auf der Marktstraße bis zum Rathaus. Lieferverkehr soll an Werktagen von 7 bis 11.30 Uhr erlaubt sein. Innerhalb der Fußgängerzone entfallen jedoch viele Parkplätze, unter anderem die vor dem Gymnasium und am Salzmarkt und auf der Marktstraße.

Vor einem der Stadttore in Bad Münstereifel versperrt ein Baustellenschild die Zufahrt.

Das neue Innenstadt-Verkehrskonzept soll umgesetzt werden, wenn alle Bauarbeiten abgeschlossen sind.

Die von Hubert Roth und Reinhold Nelles vertretene IG Kernstadt, die sich gegen den Stadtratsbeschluss stellte, strengte ein Bürgerbegehren an, um die Ausweitung der Fußgängerzone zu verhindern. Mehr als 1600 Unterschriften wurden dafür bis zum Sommer gesammelt. Im Juni erklärte wiederum der Stadtrat dieses Bürgerbegehren aus formellen Gründen für unzulässig, woraufhin die IG Kernstadt Klage vor dem Aachener Verwaltungsgericht einreichte.

Kreis Euskirchen mahnt Rückkehr zur alten Verkehrsführung an

Mit einer richterlichen Entscheidung wird erst 2024 gerechnet – der Ausweitung der Fußgängerzone und einer Umsetzung des Ratsbeschlusses scheint aktuell also nichts entgegenzustehen, allerdings erst, wenn auch die Bauarbeiten an den Seitenstraße abgeschlossen sind. Bis dahin muss die Stadt Bad Münstereifel auf Anweisungen des Kreises innerhalb der Stadtmauern zu der Verkehrsführung zurückkehren, die vor der Flut Gültigkeit hatte. Die aktuell bestehende Sperrung der bei der Flut zerstörten Kernstadt war aus Gründen der Schulwegsicherheit erfolgt. Diese rechtliche Basis bestehe nicht mehr, hieß es aus dem Kreishaus in Euskirchen.

Das heißt, dass in Bad Münstereifel vermutlich nach dem Weihnachtsmarkt an den Toren wieder ein Zufahrtsverbot außer für Anlieger existiert und der Kernstadtbereich verkehrsberuhigt ist. Außerdem müssen die Parkplätze auf der Orchheimer Straße, dem Salzmarkt und vor dem St.-Michael-Gymnasium – inklusive Markierung und eines Parkscheinautomaten – wieder eingerichtet werden. „Und nach drei Monaten wird der ganze Rotz wieder abgebaut“, ärgert sich Ludger Müller (CDU) im Hinblick auf die geplante Fußgängerzone, die dann ab Sommer 2024 Realität werden könnte.

Baumängel in Euskirchen, Diskussion auch in Zülpich

Mit dem Ärger rund um ihre Fußgängerzone stehen die Kurstädter aber nicht allein im Kreis Euskirchen da: In der Kreisstadt besteht aktuell Unmut über nicht fachgerecht ausgeführte Pflasterarbeiten bei der Sanierung der Fußgängerzone, im kleinen Gemünd stockt es bei einigen Geschäften immer noch mit der Behebung der Flutschäden.

Und auch in Zülpich wurde in diesem Jahr viel diskutiert. Politisch ist inzwischen entschieden, dass die Münsterstraße keine reine Fußgängerzone wird – zumindest noch nicht. Die Politik hat sich dazu durchgerungen, den Verkehr aus der Münsterstraße herauszuholen, indem die Einbahnstraßenregelung der Brauersgasse umgekehrt wird. In der Münsterstraße fallen zudem die Parkplätze weg, Autos dürfen aber weiter durch die Straße fahren.


Verzögerung beim Bahnbau – und die nächsten Baustellen warten schon

Rund zweieinhalb Jahre sind seit der Flutkatastrophe im Sommer 2021 vergangen, viele Schäden wurden seitdem behoben. Umso deutlicher fallen daher die Baustellen im privaten sowie im öffentlichen Umfeld ins Auge, auf denen immer noch gearbeitet wird.

Auf dem ehemaligen Sägewerksgelände in Kall werden von einem Bagger mit Greifarm Bahnschwelllen aus Beton von einem Lkw abgeladen.

Rund 10.000 Bahnschwellen wurden bereits im Frühjahr in Kall angeliefert. Verlegt wurden sie auf der Eifelstrecke noch nicht.

Der Wiederaufbau der fast völlig zerstörten Bahnstrecke im Urfttal zwischen Kall und Nettersheim sowie weiter bis ins rheinland-pfälzische Gerolstein ist zum Beispiel immer noch im Gange. Bis zum zweiten Quartal 2024 sollen auf dem Abschnitt wieder Züge verkehren, sagte ein Bahnsprecher im Frühsommer und musste damit eingestehen, dass der ursprüngliche Zeitplan nicht mehr zu halten war. Zuvor war die Wiederaufnahme des Zugverkehrs südlich von Kall für Ende des Jahres 2023 angekündigt worden.

Ursache für die Verspätung: „Die Schäden im Unterbau des zehn Kilometer langen Abschnitts im Urfttal sind größer als bislang vermutet“, sagte Bahn-Projektleiter Dennis Rien, der mit seinem Kollegen Felix Raffelsiefen für den Wiederaufbau der Eifelstrecke bis Nettersheim verantwortlich ist. Erst nach dem vollständigen Rückbau von Schienen, Schwellen und Schotter habe die Bahn den Baugrund tiefergehend untersuchen können. Dabei hätten die Fachleute mehrere, zuvor nicht ersichtliche Schlammstellen festgestellt.

Terminplanung fraglich – Startschuss für die Elektrifizierung

Für die Tragfähigkeit des betroffenen Untergrunds musste daher der Erdboden in einer Tiefe von bis zu 1,50 Metern schichtweise mit einem zementartigen Gemisch versetzt und so verfestigt werden. Zum Hauptquartier der mit dem Wiederaufbau befassten Firmen wurde das ehemalige Sägewerksgelände zwischen Kall und Sötenich. Dort lagerten im Frühjahr 10.000 Bahnschwellen aus Beton und rund 30.000 Tonnen Bahnschotter, der zum Teil vor Ort aufbereitet wurde, um ihn wieder in die Strecke einzubauen.

Ob der Termin Mitte 2024 gehalten werden kann, wird sich zeigen. Auch mit Blick auf die Erfttalbahn zwischen Euskirchen und Bad Münstereifel ist Skepsis angebracht, denn obwohl die Bahn dort schon weiter ist, sind die Arbeiten auch dort noch nicht abgeschlossen. Statt in diesem Dezember soll die Wiederaufnahme des Zugverkehrs erst im März 2024 erfolgen.

Anliegerkommunen befürchten längere Wartezeiten an den Schranken

Allerdings wurde bei der Erfttalbahn auch schon das nächste große Bauprojekt offiziell begonnen: die Elektrifizierung der Trasse. Die steht auf der Eifelstrecke Köln-Trier natürlich auch noch an, weshalb sich Bahnnutzer auch in den kommenden Jahren immer wieder auf den nicht besonders beliebten Schienenersatzverkehr per Bus einstellen müssen.

Die Elektrifizierung der Bahnstrecken in der Region wird sich wohl auch auf den Autoverkehr auswirken, denn die damit verbundene Taktverdichtung dürfte an den Bahnübergängen entlang der Strecken zu einer Zunahme der Schließzeiten führen.

In Mechernich hat sich die Politik daher schon mit der Frage beschäftigt, ob man die innerstädtischen Bahnübergänge mit einer neuen Ortsumgehung, der so genannten Osttangente, entlasten kann. Und auch in Weilerswist befasste man sich im Rat schon mit der Frage von Unter- oder Überführungen.


Flutopfer aus der Nordeifel werden zu Helfern in der Not

Kriege, Naturkatastrophen und Unglücke aller Art – die Nachrichten waren auch 2023 wieder voll davon. Vielleicht lag es daran, die Flutkatastrophe des Sommers 2021 hautnah miterlebt zu haben, dass eine Familie aus Gemünd in diesem Frühjahr selbst aktiv wurde, als sie von einer Naturkatastrophe in Norditalien erfuhr.

„Ich habe schon Angst, was ich dort erleben werde“, sagte Anna Uccello im Mai, bevor sie in die Heimat ihrer Familie aufbrach. Ob die ganzen Bilder, das Fluttrauma, alles, was sie in Gemünd am eigenen Leib erfahren musste, nicht wieder hochkommen, wenn sie in die Flutgebiete der Emilia Romagna fahren werde. Der Schlamm, die Gerüche, die Verzweiflung der Menschen, die in diesem Jahr das mitmachten, was ihr und ihrer Familie 2021 widerfahren ist.

Anna und Vincenzo Uccello mit Kisten voller Hilfsgüter und Spielsachen.

Mit zwei Transportern voller Hilfsgüter ist die Familie Uccello aus Gemünd über Pfingsten in die Flutgebiete der Emilia Romagna gefahren. Anna und Vincenzo Uccello sortieren vorab die Hilfsgüter.

Im Frühjahr war ihr Onkel in Bologna in der gleichen Situation. „Er hat sein Haus verloren, saß mit seiner Frau zwei Tage auf dem Dach, bis er gerettet wurde“, so Anna Uccello. Mit zwei Transportern samt Anhänger machte sie sich schließlich auf den Weg nach Bologna, dann weiter nach Faenza und Cesena – dorthin, wo es am Schlimmsten war.

Mit dabei waren ihr Mann Corrado, ihr Bruder Danilo Pinci und die 14-jährige Tochter Giulia. Obwohl das Mädchen selbst noch unter den Folgen der Flut litt, wollte sie unbedingt mitfahren. „Ich habe das bisher nicht verkraftet“, gab sie zu: Die Erinnerung sei immer noch wach.

Hilfe für Erdbebenopfer in der Türkei und für Flutgebiete in Slowenien

Große Unterstützung hatte ein paar Wochen vorher auch der Gemünder Gastronom Cafer Kasisaris erfahren, als er im Februar nach dem schweren Erdbeben in der Türkei zur Hilfe für die Opfer aufrief. Auch er war 2021 mit seinem Restaurant in Gemünd schwer getroffen worden. Kurzentschlossen brach Kasisaris in die Region auf, wo er aufgewachsen war. „Wir kaufen auch Holz für die Leute“, berichtete er damals: „Damit können sie draußen Feuer machen, sich daran aufwärmen und kochen.“ Helfen wollten auch viele Menschen aus dem Kreis Euskirchen: Allein auf dem Paypal-Spendenkonto der Familie Kasisaris gingen mehrere Tausend Euro für die Vor-Ort-Hilfe ein.

Und auch, als es im August in Slowenien nach heftigen Regenfällen zu Überschwemmungen kam, waren wieder Helfer aus dem Kreis Euskirchen aktiv: Klaudia Skodnik, Vorsitzende des Vereins „Fortuna hilft“, und viele andere sammelten Hilfsgüter und organisierten den Transport in die von den Wassermassen zerstörte Region.


April 2023

Montag, 3.: Die Firma Sieber Forming Solutions, deren Standort in Eicherscheid bei der Flut zerstört worden war, bezieht die neuen Firmenhallen im Zingsheimer Gewerbegebiet. Investitionsvolumen: 4,5 Millionen Euro.

Dienstag, 11.: Knapp 50.000 Besucher werden beim historischen Jahrmarkt anno dazumal im Kommerner Freilichtmuseum gezählt.

Samstag, 15.: In Bad Münstereifel erinnert nun ein Flutmuseum an die verheerenden Zerstörungen vom Sommer 2021.

Der Rasen eines Fußballplatzes wird mit einer Maschine abgeschält.

Zu einem für den Verein überraschenden Rasentausch kam es im April in Kommern.

Mittwoch, 19.: Die Fußballer aus Kommern wundern sich, dass mitten in der laufenden Saison der Rasen ihres Sportplatzes abgetragen wird, weil er erneuert werden soll.

Sonntag, 23.: Erstmals seit der Corona- und Flut-Zwangspause lädt die Stadt Euskirchen wieder zu einem Stadtfest ein.

Mittwoch, 26.: Wechsel an der Spitze der Grünen-Stadtratsfraktion in Euskirchen. Dorothee Kroll und Guido Bachem, beide fast 27 Jahre in ihren Ämtern, werden abgewählt.


Mai 2023

Dienstag, 2.: In Olef werden die Sanierungsarbeiten an der von der Flut getroffenen Pfarrkirche abgeschlossen.

Dienstag, 2.: Ein 34 Tonnen schweres Trafohäuschen aus dem Jahr 1904 wird mit einem Schwertransporter von Bürvenich ins Freilichtmuseum nach Kommern transloziert.

Dienstag, 16.: Alt-Kanzlerin Angela Merkel löst ein Versprechen ein: Knapp zwei Jahre nach der Flut besucht sie erneut die Stadt Bad Münstereifel, um sich ein Bild vom Fortgang der Wiederaufbauarbeiten zu machen.

Angela Merkel und Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian in Bad Münstereifel. Um sie herum stehen (v.l.) MdB Detlef Seif, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst und Landrat Markus Ramers.

Alt-Kanzlerin Angela Merkel hielt ihr Versprechen und besuchte Bad Münstereifel.

Freitag, 19.: In Mechernich kommt es bei der Filiale der Volksbank zu einer versuchten Geldautomatensprengung. Es wird allerdings nur die Eingangstür der Bank beschädigt.

Sonntag, 21.: Das 900-jährige Bestehen des Klosters Steinfeld wird zusammen mit dem Hermann-Josef-Fest groß gefeiert.

Montag, 22.: Heimatministerin Ina Scharrenbach übergibt in Mechernich und Zülpich insgesamt rund 34,3 Millionen Euro für den Wiederaufbau nach der Flut.

Juni 2023

Samstag, 3.: Das THW demontiert in Roitzheim die Behelfsbrücke über die Erft, die nach der Flut errichtet wurde.

Mittwoch, 7.: In Kall beginnt der von den Sportlern herbeigesehnte Wiederaufbau der Sportanlage.

Dienstag, 13.: Der Rat der Stadt Euskirchen beschließt die Umbenennung: Das Erftstadion soll künftig Heinz-Flohe-Stadion heißen. Der Weltmeister von 1974 war im Juni 2013 verstorben.

Visualisierung eines Büro-Neubaus der VR-Bank Nordeifel.

Im Kaller Gewerbegebiet am Brucker-Kreisel plant die VR-Bank Nordeifel den Neubau ihres Hauptquartiers. Das 17-Millionen-Euro-Projekt soll im ersten Halbjahr 2026 bezugsfertig sein.

Mittwoch, 14.: Der Kreistag gibt grünes Licht für die Zukunftswerkstatt: Der BZE-Neubau in Euenheim soll rund 76 Millionen Euro kosten.

Freitag, 16.: Beim Sommerempfang von Landrat Markus Ramers steht das Thema Fachkräftemangel im Mittelpunkt.

Dienstag, 20.: Der Stadtrat beschließt das Ende des Eifelstadions in Mechernich. Dort soll ein Baugebiet entstehen.

Mittwoch, 21.: Die VR-Bank Nordeifel stellt die Pläne zum Neubau ihrer Hauptstelle im Gewerbegebiet Kall vor. Das Projekt soll 17 Millionen Euro kosten.

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