„Krasser Rückschritt für Energiewende“NRW-Biogasbauern zittern vor geplanter Gewinnabschöpfung

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Der Euskirchener Landwirt Reiner von Meer steht auf seinem Hof vor der Biogasanlage. Sollte die Stromerlösabschöpfung auch für Flexanlagen kommen, droht ihm die Insolvenz.

Der Euskirchener Landwirt Reiner von Meer steht auf seinem Hof vor der Biogasanlage. Sollte die Stromerlösabschöpfung auch für flexible Anlagen kommen, droht ihm die Insolvenz.

Die Regierungspläne zur Abschöpfung von Zufallsgewinnen bei Stromerlösen könnte viele der 3500 Biogasbauern in die Pleite treiben, fürchtet der Landesverband Erneuerbare Energien. 

Mit Bangen blickt der Biogasbauer Reiner von Meer (59) am Nikolaustag aus Euskirchen nach Berlin. Der Himmel ist grau, zwei Grad, Nieselregen, kein Wind. Das ist exakt die Wetterlage, bei der in seinen vier Biogasanlagen die Motoren laufen und Ökostrom ins Netz einspeisen. Drei Stunden am Morgen, drei Stunden am Abend, denn dann ist der Bedarf am größten.

Vor ein paar Jahren hat van Meer sich entschieden, seine alte Biogasanlage mit einer Leistung von 500 KW auf das Vierfache zu erweitern und damit flexibler zu werden. „Insgesamt habe ich fünf Millionen Euro in die Anlage investiert, damit ich den Strom nicht wie vorher üblich über 24 Stunden, sondern bedarfsgerecht ins Netz einspeisen kann“, sagt von Meer. Das könnte ihm und weiteren 3500 Biogas-Landwirten in Deutschland, die auch auf Flex-Anlagen umgestellt haben, nun zum Verhängnis werden.

Euskirchener Landwirt hat fünf Millionen Euro investiert

Ortswechsel. Im Sitzungssaal 3.101 des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses im Schatten des Reichstags in Berlin tagt am Nachmittag der Ausschuss für Klimaschutz und Energie. Es geht um die sogenannte Stromerlösabschöpfung, mit der die Bundesregierung Übergewinne von Stromerzeugern einkassieren will. Der Gesetzesentwurf liegt vor, erarbeitet unter Federführung von Staatssekretär Patrick Graichen aus dem Bundeswirtschaftsministerium.

Sollte der Entwurf wie geplant am 16. Dezember vom Bundestag verabschiedet werden, droht dem Betrieb von Reiner von Meer mit seinen 40 Mitarbeitern auch wegen der in den vergangenen Monaten drastisch gestiegenen Rohstoffkosten die Pleite. „Während der Rohstoff Wind und Sonne kostenlos ist, sind auch wir Biogasbauern von der Teuerungswelle erfasst worden.“

Anlage produziert Ökostrom, wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint 

Doch das ist nicht der Kern des Problems. Reiner von Meer und Thomas Griese, Vorstandsmitglied des Landesverbands Erneuerbare Energie (LEE) in Nordrhein-Westfalen, versuchen seit ein paar Tagen, das Bundeswirtschaftsministerium auf einen ihrer Auffassung nach handwerklichen Fehler im Gesetzentwurf aufmerksam zu machen, der in erster Lesung schon vom Bundestag debattiert worden ist.

Hätte der Euskirchener Landwirt nicht in die Flexibilisierung einer Biogasanlage investiert, um den Strom bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen, müsste er vor der Gewinnabschöpfung nicht zittern. Die alte Anlage mit einer Leistung von 500 KW, die 24 Stunden stur Ökostrom produzierte, „auch bei 30 Grad im Sommer oder viel Wind“, fällt unter die Bagatellgrenze. Die liegt bei einem Megawatt. Anlagen dieser Größenordnung werden in der Regel nach dem Erneuerbaren Energien-Gesetz mit 19 Cent vom Staat pro Kilowattstunde produziertem Ökostrom vergütet.

Die vier Anlagen auf dem Hof von Reiner von Meer haben aber eine Leistung von zwei Megawatt. Dass sie in der Regel nur sechs Stunden am Tag Ökostrom produzieren, für den der Landwirt natürlich deutlich höhere Preise erzielt, weil er sie erst dann hochfährt, wenn die Nachfrage da ist, bleibt unberücksichtigt.

Experten vermuten handwerklichen Fehler im Gesetzentwurf

„Diese Flex-Anlagen sind zurzeit technisch die einzige mögliche Antwort, mit erneuerbaren Energien bei einer Dunkelflaute Versorgungsengpässe zu verhindern“, sagt LEE-Vorstand Griese, der selbst rund 20 Jahre als Staatssekretär in den Umweltministerien von NRW und Rheinland-Pfalz gearbeitet hat. „Die Landwirte, die in die Flex-Anlagen investiert haben, sind dabei auch den Vorgaben der Politik gefolgt, weil es keinen Sinn macht, Windkraft und Photovoltaik abschalten zu müssen, damit es wegen des Dauerbetriebs der alten Biogasanlagen zu Überkapazitäten im Netz kommt.“

Die Biogasbranche hofft, dass dem Bundeswirtschaftsministerium bei der Vielzahl der Gesetze und Verordnungen einfach nur ein handwerklicher Fehler unterlaufen ist. „Unsere Jahresdurchschnittsleistung liegt auch bei der Flex-Anlage nicht über 500 KW am Tag“, sagt Landwirt von Meer. „Ich kann doch nicht dafür bestraft werden, dass ich eine Anlage mit vier Motoren habe, die aber jeweils nur zu einem Viertel laufen. Und zwar immer dann, wenn der Strom gebraucht wird.“

Der Landesverband Erneuerbare Energien fordert deshalb von den Bundestagsabgeordneten aus NRW, sich noch vor der Abstimmung über das Gesetz am 16. Dezember im Bundestag für Änderungen starkzumachen. Wenn eine Erlösabschöpfung für Biogasanlagen in Betracht komme, müsse für die Berechnung nicht die Maximalleistung der Anlage, sondern die jährliche Durchschnittsleistung herangezogen werden. „Der Bundestag muss den Gesetzentwurf ändern, damit die Biogaserzeugung weiterhin für die Versorgungssicherheit genutzt und ausgebaut werden kann“, fordert LEE-Vorstand Griese.

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