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LVR-FreilichtmuseumIn Kommern entsteht eine Kopie der alten Gerichtssäule

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Der im Rollstuhl sitzende Ortsbürgermeister schlägt mit Hammer und Meißel in einen Sandsteinblock. Dahinter stehen der Museumsleiter, die Steinmetzmeisterin und der Bürgermeister.

Den ersten Schlag am Sandsteinblock durfte der Kommerner Ortsbürgermeister Rolf Jaeck im Beisein von Museumsleiter Dr. Carsten Vorwig (Mitte) und Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick führen.

Die einst von alkoholisierten Ratsherren zugefügten Einschusslöcher an der Original-Säule hat das Freilichtmuseum Kommern verwischt.

Rund 300 Jahre lang stand die alte Gerichtssäule als Zeichen der Kommerner Gerichtsbarkeit unweit des Rathauses im idyllischen Ortskern – bis sie vor knapp 60 Jahren unter recht eigenwilligen Umständen ins Freilichtmuseum überführt wurde.

Doch einige alteingesessene Kommerner wollten diesen Verlust nie so richtig hinnehmen. „Es gibt schon seit vielen Jahren Bestrebungen, die Gerichtssäule wieder in den Ort Kommern an ihren angestammten Platz zurückzuholen“, weiß auch Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick zu berichten.

Die Original-Gerichtssäule bleibt im Freilichtmuseum Kommern

Für den Landschaftsverband Rheinland (LVR), der das Freilichtmuseum betreibt, ist die Rückgabe eines inventarisierten Ausstellungsstückes jedoch keine leichte Aufgabe. „Wir konnten dem Wunsch, die Gerichtssäule zurückzugeben, leider wegen der Besitzverhältnisse nicht nachkommen“, sagt daher auch Museumsleiter Dr. Carsten Vorwig.

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Die Gerichtssäule, die über keinerlei Inschriften verfügt und deren Entstehungszeit auf das Jahr 1650 geschätzt wird, wird also weiter ihren Platz in der Baugruppe Eifel des Museums behalten. „Dort steht sie zwischen Kapelle und Schultheißenhaus, wo sie auch sehr gut hinpasst“, findet Vorwig. Doch in Basta-Mentalität geht man in Kommern nicht vor, stattdessen hat man eine Idee entwickelt. „Ich bin sehr froh, dass wir heute ein sehr spannendes Kooperationsprojekt beginnen können“, sagt Vorwig dazu. Das Museum und die Stadt Mechernich haben vereinbart, eine Kopie der alten Gerichtssäule zu erstellen, die dann nach ihrer Fertigstellung im Kommerner Ortszentrum aufgebaut werden soll.

Der erste Schlag mit Hammer und Meißel war Rolf Jaeck vorbehalten

„Die Stadt übernimmt dabei die Materialkosten“, sagte Schick beim anlässlich des Arbeitsbeginns anberaumten Ortstermin, an dem auch der Kommerner Ortsbürgermeister Rolf Jaeck teilnahm. Dieser bedankte sich im Namen aller Kommerner Bürger, dass das Projekt jetzt umgesetzt wird.

Die Steinmetzmeisterin trägt einen Hut und Arbeitskleidung. Sie hält ein Werkzeug in die Höhe.

Die Steinmetzmeisterin Ulrike Glaubitz zeigt einige ihrer Werkzeuge, mit denen sie dem Stein zu Leibe rückt.

Die Steinmetzmeisterin hält eine hölzerne Schablone an die Gerichtssäule.

Mit hölzernen Schablonen wird in Kommern der Fortschritt der Arbeiten überprüft.

Jaeck war dann auch – unter der Anleitung von Steinmetzmeisterin Ulrike Glaubitz – der erste Schlag mit Hammer und Meißel auf einen der drei Sandsteinblöcke vorbehalten, die in den kommenden Monaten zu einer werkgetreuen Kopie der insgesamt etwa 2,30 Meter hohen Säule umgeformt werden. Glaubitz freut sich ebenfalls auf das Projekt – das ihr allerdings eine Menge Arbeit bescheren wird. Mit mehr als 200 Arbeitsstunden ist es kalkuliert: „Auf diese Weise können wir dem Ort Kommern etwas zurückgeben, was den Menschen offenbar sehr viel bedeutet.“

Die Aufstellung der Gerichtssäule ist für den Mai 2026 geplant

Die Steinmetzmeisterin, die seit dem Jahr 2022 neben ihrer selbstständigen Tätigkeit auch im Freilichtmuseum arbeitet, lädt die Kommerner und alle Interessierten ein, ihr bei den Arbeiten über die Schulter zu schauen – ein Angebot, das auch Jaeck annehmen möchte: „Ich gehe erst in die Reha, aber wenn ich meine neue Beinprothese habe, komme ich gerne wieder vorbei, um zu sehen, wie es vorangeht.“

Bis die Kopie der Gerichtssäule in Kommern aufgestellt werden kann, wird es allerdings ein Weilchen dauern: Der Abschluss der Arbeiten ist für den Mai des kommenden Jahres geplant. Glaubitz ist in der Regel mittwochs und donnerstags im Kommerner Museum in ihrer Steinmetzhütte in der Baugruppe Bergisches Land anzutreffen. „Darüber hinaus werde ich auch beim Apfelfest und an einem Schwerpunkttag am 2. November im Museum sein, um an dem Stein zu arbeiten“, berichtet Glaubitz.

Eine Kugel mit 25 Zentimetern Durchmesser wird die Säule krönen

Die drei Sandsteinblöcke, aus denen die Gerichtssäule entstehen wird, kommen aus dem Kylltal, genauer gesagt aus einem Steinbruch in Bitburg-Matzen. „Das ist ein sehr schönes, gebändertes Material“, sagt die Expertin mit Blick auf die „Maserung“ des Steins, in der sich die verschiedenen Sandschichten und Verwerfungen sehr gut erkennen lassen. „Der Sandstein aus Matzen kommt europaweit zum Einsatz, zum Beispiel auch am Freiburger Münster.“

Zunächst wird Glaubitz die etwa 60 Zentimeter hohe Basis für die Gerichtssäule formen, bevor sie mit den Arbeiten an der eigentlichen, 145 mal 28 Zentimeter messenden Säule beginnt. „Im wahrsten Sinne gekrönt wird die Säule dann von einer Kugel, die einen Durchmesser von 25 Zentimetern haben wird“, so die Handwerkerin.

Die Säule soll in Kommern nahe der Burg und der Pfarrkirche stehen

Anschließend werden die drei Einzelteile mit Edelstahldübeln sowie einem speziellen Kleber miteinander verbunden. „Am Aufstellort in Kommern, also in der Nähe von Burg und Pfarrkirche, muss für die notwendige Standsicherheit dann auch noch ein frostfreies Fundament mit einer Tiefe von 80 Zentimetern errichtet werden“, so Glaubitz weiter.

Unterstützung bei der Vorbereitung des Projekts erhielt die Steinmetzmeisterin bereits von den anderen Gewerken im Museum: „Wir arbeiten Hand in Hand, so wie das früher schon üblich war auf den Baustellen“, freut sich Glaubitz. In der Schreinerwerkstatt des Museums wurden zum Beispiel die Kontrollschablonen gefertigt, die der Steinmetzin dabei helfen, die an der Original-Säule genommenen Maße korrekt auf die Kopie zu übertragen.


So kam die Kommerner Gerichtssäule ins Museum

Die Gerichtssäule stand früher unweit des alten Kommerner Rathauses. „Es muss Ende der 60er-Jahre gewesen sein“, berichtet der Kommerner Ortsbürgermeister Rolf Jaeck, „als eine Ratssitzung der damals noch selbstständigen Gemeinde Veytal zu vorgerückter Stunde aus dem Ruder lief.“

Im Anschluss an den öffentlichen und den nicht-öffentlichen Teil der Ratssitzung hatten die Ratsherren offenbar noch einen geselligen Teil folgen lassen – der dann sehr gesellig wurde. „Dabei, so habe ich mir sagen lassen, wurde wohl auch reichlich dem Alkohol zugesprochen“, so Jaeck, der damals noch nicht in Kommern lebte.

Einer der Ratsherren war wohl Jäger und hatte seine Flinte ins Rathaus mitgebracht. Zu vorgerückter Stunde wurden dann aus dem Fenster des Ratssaales Schießübungen abgehalten. Ziel war die Gerichtssäule.
Rolf Jaeck

„Einer der Ratsherren war wohl Jäger und hatte seine Flinte ins Rathaus mitgebracht. Zu vorgerückter Stunde wurden dann aus dem Fenster des Ratssaales Schießübungen abgehalten. Ziel war die Gerichtssäule“, weiß Jaeck zu berichten. Da die Schützen reichlich Zielwasser getrunken hatten, trug die Gerichtssäule etliche Kleinkaliber-Treffer mit den entsprechenden Beschädigungen davon.

Als Norbert Leduc, damals Gemeindedirektor im Kommerner Rathaus, am folgenden Morgen von dem Vorfall erfuhr, setzte er sich mit dem Leiter des Freilichtmuseums in Verbindung und bot die Gerichtssäule als Ausstellungsstück an – um die Spuren der nächtlichen Schießübungen zu verwischen. „Im Gegenzug wurde das Stück in der Steinmetzwerkstatt des Museums instandgesetzt“, berichtet der heutige Museumsleiter Dr. Carsten Vorwig.

Die Restaurierungsarbeiten verliefen erfolgreich: Von den einstigen Beschädigungen durch den Schusswaffengebrauch ist nichts mehr zu sehen. Heute steht die Gerichtssäule in der Baugruppe Eifel.