100 JahreGemünder Finanzamt feiert Jubiläum – Gedenken an raue Zeiten
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Schleiden-Gemünd – Es waren raue und unruhige Zeiten, als das Finanzamt in Gemünd vor 100 Jahren im Zuge des Aufbaus einer einheitlichen Reichsfinanzverwaltung an der Urftseestraße eröffnet wurde. Den Ersten Weltkrieg hatte Deutschland verloren, Truppen der Siegermächte besetzten die linksrheinischen Gebiete.
In Schleiden hatten die Franzosen das Sagen, und Eifeler Separatisten leisteten Widerstand. Deshalb waren die Verkehrsverbindungen rund um die Stadt teilweise unterbrochen. So mussten Geldtransporte von Kurieren unter sehr gefährlichen Bedingungen sogar zu Fuß oder mit dem Fahrrad nach Köln durchgeführt werden, wie in alten Chroniken nachzulesen ist. „Wegen der Geldentwertung in dieser Zeit hatten sie eine Flut von Papierscheinen in Koffern und Rucksäcken dabei“, erzählt der heutige Leiter des Finanzamts, Wolfgang Röhrig.
Geldtransporte zu Fuß
Eine große Feier zum runden Geburtstag in diesem Jahr werde man später nicht in den Annalen finden, denn die falle wegen der Corona-Pandemie ins Wasser, erklärt Röhrig. „Dabei hatten wir eigens eine Arbeitsgruppe mit gut zehn Mitgliedern gegründet, die die Historie des Amtes beleuchtet und zahlreiche Fotos gesammelt hat“, so der Dienststellenleiter weiter. Vor 1920 hätten die Städte und Gemeinden die Steuern erhoben.
Das Finanzamt im Gemünd war zuständig für die Kommunen im Altkreis Schleiden sowie für Heimbach und Einruhr. „Die 21 Mitarbeiter waren in elf Räumen im ehemaligen Kurhaus der Stadt Gemünd an der Urftseestraße untergebracht“, berichtet Ingrid Esch, die auch in der Arbeitsgruppe aktiv war, die die Historie des Amtes auf zwölf Seiten zusammengefasst hat. Die angrenzende Stadthalle nutzte die Stadt Gemünd für Veranstaltungen.
Die holprigen Anfänge
Die Einrichtung der neuen Dienststelle war sehr dürftig. Alte Büromöbel stellte die Kreisverwaltung leihweise zur Verfügung, neue wurden von den Besatzern erworben. Weil die Wasserversorgung damals in Gemünd im Sommer noch sehr schlecht war, konnten die sanitären Anlagen in dieser Zeit oft nicht benutzt werden.
Wenn sie dann wegen Wassermangel geschlossen wurden, hatten die Mitarbeiter nur zwei Möglichkeiten. „Entweder sie nutzten den Schutthaufen im Kellergeschoss und verursachten entsprechenden Gestank im Gebäude oder sie mussten in den 100 Meter entfernt gelegenen Wald laufen“, sagt Röhrig.
Vergrößerung in den 20er Jahren
Doch schon bald reichten die von der Stadt Gemünd angemieteten Räume nicht mehr aus. Daher wurde am 27. Januar 1923 bei einer Versteigerung das alte Apothekengebäude an der Schleidener Straße für 14,2 Millionen Reichsmark ersteigert.
Weil die Aufteilung auf zwei einen Kilometer auseinander liegende Gebäude nur eine Notlösung war, wurde ein Um- und Anbau an das Gebäude an der Schleidener Straße ins Auge gefasst. 1925 begannen die Arbeiten, zwei Jahre später waren sie vollendet. Die Belegschaft freute sich über die modernen Räume, die Zentralheizung und die gut funktionierenden Toiletten.
Schäden im Zweiten Weltkrieg
Leider gab es an dem Standort aber ein neues Problem. „Das Gebäude lag direkt an der Olef und war bei Hochwasser stark gefährdet“, erzählt Röhrig. Insbesondere bei Schneeschmelze trat die Olef häufig über die Ufer und drang in fast allen folgenden Jahren in die Kellerräume des Amtsgebäudes ein. „Die Mitarbeiter mussten deshalb Mobiliar und Akten bei Hochwasser aus dem Keller nach oben und anschließend wieder runtertragen“, so der Amtsleiter.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Finanzamt zwar durch Beschuss stark beschädigt, als einziges Behördenhaus aber nicht zerstört. Deshalb mussten die Bediensteten ihre ohnehin schon knappen Räumlichkeiten nun mit der Polizei, der Post, der Stadtverwaltung, dem Amtsgericht und dem Zoll teilen.
Stetiges Wachstum
1959 war die Belegschaft des Finanzamtes auf 81 Mitarbeiter angewachsen, und die Büroräume an der Schleidener Straße reichten nicht mehr aus. Nachdem zunächst über eine Aufstockung des Gebäudes oder einen Anbau diskutiert worden war, entschied man sich dann aber doch für einen Neubau an der Kurhausstraße.
Dieser wurde nach einer Zwischenlösung im Haus Marienfels an der Bergstraße Ende Dezember 1966 offiziell seiner Bestimmung übergeben. Heute kaum vorstellbar: Die Baukosten lagen mit 1,8 Millionen Mark um 370 000 unter dem Kostenvoranschlag. Doch schon 1977 bestand weiterer Raumbedarf. Ein Anbau mit 20 Zimmern wurde geplant, der im Jahr 1980 fertig war. Im Herbst des nächsten Jahres wurde der Haupteingang von der West- auf die Ostseite verlegt.
Modernisierung
Die nächsten Baumaßnahmen standen dann erst 2004 an. Die Fassade wurde umfangreich saniert und die Aktenräume im Keller zu Büros umgebaut. Drei Jahre später wurden die inzwischen stark verschlissenen und teilweise bereits unfallträchtigen Linoleumböden erneuert und eine moderne Schließanlage eingebaut.
Die gesamten Zugänge von außen in das Gebäude wurden mit einem elektronisch programmierbaren Zugangssystem versehen. Ferner wurde die mittlerweile unbrauchbare Kantinenküche aus den 1960er-Jahren durch eine zeitgemäße Edelstahlküche ersetzt. Weitere Modernisierungsmaßnahmen wurden 2015 und 2016 durchgeführt. Unter anderem wurde der Vorplatz des Amtes umgestaltet.
„Mit rund 140 Mitarbeitern gehören wir heute personell zu den kleinsten Dienststellen in Nordrhein-Westfalen“, sagt Röhrig. Flächenmäßig werde aber einer der größten Bereiche in NRW betreut. Die Mitarbeiter sind zuständig für die Städte Mechernich und Schleiden sowie für die Gemeinden Kall, Nettersheim, Dahlem, Blankenheim und Hellenthal. „In den Bereichen Land- und Forstwirtschaft sind wir für den ganzen Kreis Euskirchen zuständig“, betont Röhrig.