Karl von LutzenbergZülpicher Pfarrer starb Heiligabend im Bombenhagel

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Zülpich – Es war ein sonniger Tag mit strahlend blauem Himmel, nicht allzu kalt. Paul Meyer aus Ülpenich machte sich an Heiligabend 1944 auf den Weg, um einen Weihnachtsbaum zu schlagen. Am Dorfrand legte er eine Rast auf dem „Duveberg“ ein. „Man konnte von dort aus die Schönheit des Zülpicher Landes genießen und weit in die Eifel sehen“, erinnert sich Meyer.

Plötzlich sah er am Horizont zahlreiche Flugzeuge der Alliierten, die von Westen kamen. Er erkannte die in der Sonne blinkenden Bomben, die Minuten später über Zülpich abgeworfen wurden. Als sich der Rauch verzogen hatte, war keine Kirche mehr da. Doch nicht nur St. Peter wurde von den Bomben dem Erdboden gleichgemacht. Auch Zülpichs Oberpfarrer Karl von Lutzenberger starb in den Trümmern des Pfarrhauses.

Hermann-Josef Klinkhammer, er war damals zehn Jahre alt, erinnert sich, dass sein Vater Josef an der Suche nach dem verschütteten Oberpfarrer und seiner Haushälterin Christine Dreesen beteiligt war: „Es wurde bis zur Erschöpfung in den Trümmern des Wohnhauses gegraben, aber es gab kein Lebenszeichen von den dort Verschütteten.“

Erst zwei Jahre später, am 15. Oktober 1946, wurden die Leichen des Oberpfarrers und der Haushälterin geborgen. Wie sich herausstellte, war die Suchmannschaft am Heiligabend 1944 bis auf zwei Meter zu dem verschütteten Oberpfarrer vorgedrungen. Da damals jedoch keine Klopfzeichen zu vernehmen waren, stellte man die Suche ein. Der Vater von Hermann-Josef Klinkhammer erlitt an den Weihnachtstagen 1944 einen Nervenzusammenbruch.

Bestürzung war groß

Die Bestürzung über den Tod des Zülpicher Oberpfarrers war groß. Weit über die Grenzen des Dekanats hinaus war Karl von Lutzenberger als Beichtvater, Prediger und aufrechter Christ bekannt und beliebt. Dabei galt der am 8. Februar 1875 in Seehaus bei Bamberg geborene durchaus als Hardliner. In theologischen Fragen war er stockkonservativ und autoritär. Dennoch hatte er ein Faible für moderne Kirchenkunst. So ließ er als Pfarrer von Kommern (1916 bis 1924) die dortige Kirche „modern“ ausmalen. Nach seinem Weggang nach Zülpich wurde die Kirchenkunst wieder übertüncht.

Lutzenberger führte tagebuchartige Aufzeichnungen. Aus ihnen geht auch seine Verfolgung und Bespitzelung durch die Nazis ab 1933 hervor. Er war ein aufrechter, aber für die Nationalsozialisten unbequemer Kanzelredner. Er predigte über die sich anbahnende gottlose Zeit und ermahnte seine Gemeinde immer wieder zum aufrechten Christentum.

Dass dies keine leeren Worte waren, sondern vorgelebte Nächstenliebe, und zwar ohne Ansehen von Religion und Herkunft, zeigte sich schon in den späten 20er Jahren. Nach Recherchen des Zülpicher Kulturhistorikers Hans-Gerd Dick beschwerten sich offenbar unterlegene Interessenten für zu verpachtendes Kirchenland beim Erzbischof. Es hieß, der Geistliche habe bei der Verpachtung christliche Kandidaten übergangen. Zudem pflege er einen derart kameradschaftlichen Umgang mit jüdischen Nachbarn, dass er sie am liebsten sogar in den Pfarrgemeinderat wählen lassen würde, lautete ein weiterer Vorwurf.

Tatsächlich hielt der Oberpfarrer mit seinen theologischen Vorbehalte gegen die Juden in seinen Predigten nicht hinter dem Berg. Im persönlichen Umgang mit den Mitgliedern der Synagogengemeinde Zülpich war er jedoch erfrischend unbefangen und vorurteilsfrei. Das Zülpicher Heimatmuseum hütet einen Briefes von von Lutzenberger an den Vorsteher der örtlichen Synagogengemeinde, Moritz Juhl, nach den Pogromen von 1938. Darin schreibt er: „Gestatten Sie mir, zugleich im Namen meiner Schwester, den Ausdruck unseres aufrichtigen Mitgefühls anlässlich all des Schweren und Bitteren, das Sie und Ihre Gemeinde betroffen hat. Ganz besonders hart ist ja der Verlust Ihres Gotteshauses. Allein unser Gottesglaube und unser Vertrauen auf das Walten der göttlichen Vorsehung, die sich in den Mitteln zur Erreichung ihrer Ziele niemals täuscht, kann uns in dieser Zeit höchster Prüfung und Läuterung trösten und aufrichten.“

Moritz Juhl hat diesen Brief nicht, was sicherer gewesen wäre, nach der Lektüre vernichtet, sondern mit in seine neue Heimat Israel genommen. Dieser Brief von Karl von Lutzenberger ist ein Zeitdokument. So fand auch der Historiker Dr. Anselm Faust keine anderen schriftlichen Zeugnisse von mitfühlenden Reaktionen anderer Geistlicher aus dem Rheinland.

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