Michelin-Sterne werden vergebenWelche Chancen die Spitzenköche im Rheinland haben

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Sterneküche I

Preisgekrönt und sterngekränzt: Maximilian Lorenz, hier noch  im „L’Escalier“ tätig, führt jetzt ein Restaurant  unter eigenem Namen.

  • Der Guide Michelin verteilt am Dienstag seine Sterne für das Jahr 2019.
  • Im Rheinland glänzen neben den Stars einige junge und ambitionierte Köche.
  • Ein Überblick über die gastronomische Spitzenszene in der Region.

Köln – Es war nicht die Stunde null der Gourmetküche im Rheinland, aber es war ihr bedeutendster Moment: Herbert Schönberner, 1949 in Köln geboren, erhielt 1982 die begehrte Höchstbewertung von drei Michelin-Sternen verliehen – als erster deutscher Koch überhaupt. In den einzigen anderen beiden deutschen 3-Sterne-Restaurants – beide in München – standen mit Eckart Witzigmann ein Österreicher und mit Heinz Winkler ein Südtiroler am Herd. Schönberner hatte den „Goldenen Pflug“ von einer Merheimer Vorort-Kneipe in die höchsten Weihen emporgekocht.

Köln war damals auch dank dem „La Poêle d’Or“ des Lothringers Roland Bado, dem „Chez Alex“ von Rachel Silberstein und Rino Casati für ein knappes Jahrzehnt ein kulinarischer Hot-Spot der Republik. Auch vor den Toren Kölns, in Grevenbroich, stand mit Dieter Kaufmann ein legendärer Könner am Herd. Später kochte Hans Horberth im „La Vision“ des Hotels im Wasserturm groß auf und Dieter Müller im Schlosshotel Lerbach. Müllers Nachfolger Nils Henkel entwickelte hier als Pionier seine hoch individuelle Gemüseküche – doch heute wirken beiden nicht mehr im Rheinland. Nur Joachim Wissler aus dem „Vendôme“ in Bensberg hält die kulinarische Flagge international noch hoch. Obwohl sich die Spitzenküche in und um Köln zuletzt teils rasant profiliert hat – den gleichen kulinarischen Rang wie Berlin oder München hat sie noch nicht.

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Wenn am Dienstag der Guide Michelin 2019 erscheint und seine Sterne verteilt an die Restaurants der Republik – dann wird man sehen, ob die durchaus positive Entwicklung in der Stadt auch international anerkannt wird. Aktuell hat Köln so viele Sternerestaurants wie nie zuvor; es gibt eine junge Generation: Daniel Gottschlich (Ox & Klee), Maximilian Lorenz, aber auch Sonia Baumann und Erik Scheffler, die ihre Kreativkraft nach dem besternten Gut Lärchenhof jetzt im Kölner „NeoBiota“ ausleben oder Julia Komp, die das Schloss Loersfeld gerade für eine Bildungsreise verlassen hat – sie alle haben dazu beigetragen, dass in der Region so vielfältig, individuell und interessant wie nie zuvor gekocht wird.

Einer, der genau weiß, wo das Rheinland heute kulinarisch steht, ist Gastronom Peter Hesseler, der mit dem „Gut Lärchenhof“ in Pulheim und dem „La Société“ in Köln gleich zwei Sterne-Restaurants unter seinen Fittichen hat. „In der Breite sind wir sehr gut aufgestellt, nur in der Spitze ist außer Wissler und Moissonnier ja nichts – Jean-Claude Bourgueil noch, der hat im Sommer noch das Konzept seines Restaurants umgekrempelt. Da könnten die Städte Düsseldorf und Köln mehr bieten, das Publikum dafür ist da. Eher in Düsseldorf – der Düsseldorfer gibt mehr Geld für Essen aus als der Kölner, der ist hinterwäldlerischer.“

Bei den Top-Adressen müssen Gäste lange vorher reservieren

Auch international sieht der vielgereiste Hesseler Deutschland noch im Hintertreffen. „In anderen Ländern sind die Spitzenrestaurants mittags und abends brechend voll. Da stehen auch Mittelklassewagen davor. Bei uns ist es nur ein Drittel des Publikums und alle fahren hochpreisige Autos. Die Entwicklung geht etwas langsamer als in anderen Ländern. Der deutsche Gast ist nicht so offen für Neues – dem müssen erst zehn Leute sagen: das ist super.“

Bei den Top-Adressen ist die Nachfrage dennoch hoch. In den Kölner Spitzenrestaurants „Le Moissonnier“, „Ox & Klee“ und „Maximilian Lorenz“ muss man für einen Tisch am Wochenende zwei bis drei Wochen vorher reservieren. In der Woche bekommt man manchmal am gleichen Tag noch Plätze, drei Tage im Voraus anzufragen ist aber ratsam. Die kulinarische Szene Deutschlands ist im Wandel, klassische Gourmetrestaurants haben es schwer, dafür entstehen immer mehr sogenannte Bistronomy-Konzepte wie in Köln das „MaiBeck für dich“. Ohne Dresscode und gestärkte Tischdecken, weg von winzigen Soßenklecksen hin zu verständlichen Speisen und größeren Portionen. Hesseler sieht diesen Trend noch nicht am Ende: „Ein bis drei von den Sternerestaurants werden sich im Rheinland noch selber weg revidieren. Es werden eher weniger als mehr.“

Die Gourmetküche hat es derzeit allgemein schwer

Der angesagteste Küchenstil derzeit ist ein radikaler Regionalismus mit extrem produktorientierter, minimalistischer Küche, wie in den Berliner Restaurants „Ernst“ oder „Nobelhart & Schmutzig“. „So eine reduzierte Gastronomie geht auch nur da, weil Berlin so verrückt und so international ist wie keine andere Stadt.“

Hesseler ging in seinen Restaurants stets mit den kulinarischen Trends, aber es gibt im Rheinland auch Häuser, die sich jahrzehntelang treu geblieben sind. Einer von ihnen ist Erhard Schäfer vom „Landhaus Kuckuck“. Der 1959 in der Eifel geborene gelernte Koch und Konditor gilt als Grandseigneur der klassischen französischen Küche. Nicht alle Entwicklungen der letzten Jahre sieht er positiv: „Es wird viel experimentiert, was ja nicht verkehrt ist. Aber das Schlimme ist, dass viele versuchen irgendwas zu kopieren. Es gibt keine guten Kopien. Nur gute Originale.“

Ob klassisch oder modern, die Gourmetküche hat es zurzeit allgemein schwer. Das liegt an neuen Arbeitsschutzgesetzen aber auch an fehlendem Nachwuchs. „Es trifft alle“, konstatiert Schäfer, „aber mir ist nicht bang um die kulinarische Entwicklung im Rheinland, denn wir sind unglaublich begünstigt. Wir haben das Vorgebirge. Das ist eine gesunde Landschaft, wo man Spargel und entsprechendes Gemüse beziehen kann. Und in Gillenfeld, wo ich herkomme, da gibt es Ziegenkäse, der in Deutschland landauf und landab bekannt ist.“

Schäfer hat immer schon regional gekocht, mit frischen, saisonalen Zutaten. Der Trend ist dorthin zurückgekehrt. Wer heute in ein Spitzenrestaurant geht, will nicht mehr unbedingt Hummer auf dem Teller, sondern weiß auch einen heimischen Saibling zu schätzen. Gastronom zu sein bedeutet heute mehr denn je, die besten lokalen Produzenten zu finden. Im Kölner Restaurant „Maximilian Lorenz“ setzt man gar exklusiv auf deutsche Produkte.

Über seine Grenzen hinaus bekannt ist das Rheinland für seine Brauhausküche, die jedoch nur in Ausnahmefällen – wie beispielsweise im „Johann Schäfer“ – höhere kulinarische Weihen verdient. Doch neben dieser gibt es noch einen zweiten kulinarischen Schwerpunkt: die asiatische Küche. Ob das „Taku“ mit Mirko Gaul in Köln, Yoshizumi Nagayas „Yoshi“ und „Nagaya“ in Düsseldorf oder „Gut Lärchenhof“ mit Torben Schuster in Pulheim, der im letzten Jahr vom „Gault& Millau“ zur „Entdeckung des Jahres“ gekürt wurde: Die verschiedensten Küchen aus Asien finden sich auf dem Teller wieder.

Einer der höchstdekorierten Repräsentanten dieses Küchenstils ist Christian Sturm-Willms vom „Yunico“ im Kameha Grand Bonn. „Was asiatische Küche betrifft, sind wir im Vergleich zu ländlichen Gegenden und selbst gegenüber vielen Großstätten perfekt aufgestellt. Besonders natürlich durch die Hochburg der japanischen Kultur in Düsseldorf.“

Der Trend startete vor rund fünfzehn Jahren. „Auf einmal hat man neue Zutaten geschmeckt und viel einfacher und erschwinglich bekommen, um Neues auszuprobieren.“ Sturm-Willms sieht diesen Trend noch lange nicht am Ende; seiner Meinung nach passt die asiatische Küche wunderbar ins Rheinland. „So eine Vielfalt von Kulturen und Gegensätzen gibt es doch sonst nirgends als bei uns Frohnaturen!“ Auf das Restaurant, das die Brauhausküche mit der kulinarischen Welt Asiens verbindet, müssen wir noch warten. Ansonsten hat das Rheinland eine große Bandbreite zu bieten – und viele kulinarische Talente, die in den nächsten Jahren für Furore sorgen werden.

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