Fotografien 70-80Museum Morsbroich zeigt unbekannte Bilder Sigmar Polkes

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Kunstvoller Blick ins Künstlerleben: Diese Bilder zeigen Sigmar Polke mit Freunden in Polkes Düsseldorfer Wohnung.

Kunstvoller Blick ins Künstlerleben: Diese Bilder zeigen Sigmar Polke mit Freunden in Polkes Düsseldorfer Wohnung.

Leverkusen – Warum diese Ausstellung von bislang nie gezeigten Fotografien Sigmar Polkes ausgerechnet in Leverkusen gelandet ist – obwohl sich doch zweifelsohne auch ganz andere Einrichtungen als das Museum Morsbroich um diese Schau gerissen hätten –, das erklärt Sigmar Polkes Sohn Georg gleichsam nachvollziehbar wie deutlich: „Die Situation des Museums hat mich erstens dazu überredet, die Bilder hierher zu bringen. Man muss Position für dieses Haus beziehen“, sagt er beim Rundgang durch „Fotografien 70-80“.

(Noch) Museumsdirektor: Fritz Emslander möchte sich in der Zeit nach der Polke-Ausstellung wieder ausschließlich dem Kuratieren widmen.

(Noch) Museumsdirektor: Fritz Emslander möchte sich in der Zeit nach der Polke-Ausstellung wieder ausschließlich dem Kuratieren widmen.

Und zweitens und überhaupt: In Köln und Krefeld habe es sich ob personeller Veränderungen auf den entsprechenden Museumsposten nicht ergeben. „Und in Düsseldorf, in der Kunsthalle, hatten sie keine Zeit und waren einfach zu blöd.“

Darum können sich nun der hiesige Interims-Museumsdirektor Dr. Fritz Emslander und alle Kunstfreunde der Stadt an den knapp 500 Fotografien des 2010 in Köln gestorbenen Künstlers von Weltruf erfreuen.

Zufallsfund im Keller

Georg Polke entdeckte sie nach eigener Aussage vor zwei Jahren zufällig in einer Kiste im heimischen Berliner Keller. Sein Vater hatte ihm die Sammlung, die insgesamt etwa 1000 zwischen 1970 und 1980 aufgenommene Bilder enthält, seinerzeit bei seinem Umzug von Willich nach Köln vermacht.

Im Angesicht des Vaters: Sohn und Erbe Georg Polke ermöglichte die Ausstellung der väterlichen Fotografien im Museum Morsbroich.

Im Angesicht des Vaters: Sohn und Erbe Georg Polke ermöglichte die Ausstellung der väterlichen Fotografien im Museum Morsbroich.

Als er sie wiederfand, sichtete Georg Polke die Fotografien und machte sich schließlich daran, einen Ausstellungsort für dieses Konvolut zu finden und der Welt einen weiteren Einblick in das Vermächtnis seines Vaters zu gewähren. Und jetzt sitzt der 58-Jährige in Leverkusen und erzählt: Aus dem Leben mit seinem Vater.

Kamera immer dabei

Davon, dass er stets genau dabei zuschaute, wie Sigmar im Fotolabor mit chemischen Substanzen und Belichtung experimentierte. Er spricht darüber, wie ihn all das beeinflusste – so sehr, dass Georg Polke selbst Fotolaborant und Fotograf wurde und gar die Berliner „taz“ mit begründete.

Und er betont, dass Sigmar Polke seine Kamera eben immer und überall bei sich trug, um jederzeit auf den Auslöser drücken zu können.

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Entsprechend sind die in Morsbroich gezeigten Fotografien, für die sich derzeit zig Medien aus dem ganzen Land interessieren, vor allem eines: Ein wunderbar abwechslungsreicher, authentischer und nicht selten humorvoller Einblick in den Alltag Sigmar Polkes. Ein Einblick, der zeigt, wie die ursprüngliche Fotografie ob der Bearbeitung der Bilder mittels Überbelichtung, Unterbelichtung oder durch das Auftragen chemischer Substanzen zur Kunst wurde.

Stadtansichten aus Köln und Düsseldorf

Die Motive sind mannigfaltig: Polke in der eigenen Badewanne. Polke gemeinsam mit Freunden, Freundinnen und Lebensgefährtin wie Imi Knoebel, Britta Zöllner oder Katharina Steffen. Polke in seiner alten Düsseldorfer Wohnung. Stadtansichten aus Köln und Düsseldorf. Von Polke fotografierte und collagierte Zeitungsausschnitte. Und fast immer ziehen sich im Fotolabor entstandene Verzerrungen, verschwommene, kuriose Formen und Strukturen durch die Bilder.

Kurzum: „Fotografien 70-80“, das ist ein Menschenleben im Fluss. Ein faszinierendes Abbild der verrückten und schon damals rasanten Welt dort draußen.

Informationen zur Ausstellung mit Bildern Sigmar Polkes

„Fotografien 70-80“ mit Bildern Sigmar Polkes wird am Sonntag, 27. Mai, um 12 Uhr im Museum Morsbroich eröffnet. Sie ist im Hause zu sehen bis zum 2, September. An diesem Tag wird es von 11 bis 17 Uhr eine Finissage geben.

Die Öffnungszeiten des Museums sind: dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr, donnerstags im Juni zu dem von 18 bis 21 Uhr sowie an Feiertagen von 11 bis 17 Uhr. Öffentliche Führungen gibt es jeden Sonntag um 15 Uhr, Gruppenführungen nach Vereinbarung. Nähere Informationen sind im Internet einzusehen.

Einen Katalog zur Ausstellung wird es ebenfalls geben. Er ist derzeit in Arbeit und soll am 1. Juli im Rahmen einer Sonderveranstaltung präsentiert werden.

Am Sonntag, 3. Juni, findet im Museum der Aktionstag „Museum für alle“ statt. Der Eintritt ins Museum ist an diesem Tag frei. (frw)

www.museum-morsbroich.de

Appell an die Stadt Leverkusen und Nachrichten-Sensation

Dr. Fritz Emslander, seit dem Ausscheiden von Markus Heinzelmann nicht mehr nur Kurator, sondern auch noch kommissarischer Museumsleiter in Morsbroich, appellierte bei der Präsentation der Polke-Ausstellung noch einmal an die Stadtpolitiker: Für einen begrenzten Zeitraum sei eine Interimsphase wie die jetzige machbar. „Aber wir hoffen, dass sich die Politiker in Leverkusen zum Museum bekennen und die Direktorenstelle demnächst wieder besetzen.“

Georg Polke, Sohn Sigmar Polkes und neben seiner Schwester Anna einer der Erben des väterlichen Kunstnachlasses, ließ in Leverkusen eine nachrichtliche Bombe platzen. Er kündigte an, dass Michael Trier, bislang künstlerischer Leiter des Polke Estate und somit Nachlassverwalter des Künstlers, bald entlassen werde. Er vertrete die Polke-Erben nicht mehr adäquat. „Er kocht sein eigenes Süppchen und ist nicht mehr tragbar.“ (frw)

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