„John Travolta? Disco? Schrecklich!“Leverkusener Punkband OHL feiert 40-Jähriges

Lesezeit 5 Minuten
Mikro an – und los geht’s: Sänger Deutscher W. hat zig kleine und große Bühnen durch mit OHL – auch die im Bunker Manfort.

Mikro an – und los geht’s: Sänger Deutscher W. hat zig kleine und große Bühnen durch mit OHL – auch die im Bunker Manfort.

Leverkusen  – Wenn es um im großen Stile einflussreiche Bands und Musiker aus Leverkusen geht, dann fallen meist die Namen Henning Krautmacher oder Klaus „Major“ Heuser. Der eine kommt aus Schlebusch und ist Sänger und Aushängeschild der Kult-Kapelle Höhner. Der andere ist gebürtiger Wiesdorfer und der für viele Fans einflussreichste und letztlich stilprägende Gitarrist von BAP. Indes: Da sind da ja auch noch OHL. Die etwas härtere Gangart. Sie werden in diesem Jahr 40 und feiern das mit einem Konzert in der alten Heimat.

Der Mythos einer Band

Gegründet wurden OHL 1980 vom gebürtigen Leverkusener Deutscher W. – und sind, wenn man so will, noch immer eine „Noch immer“-Band, denn: Sie sind noch immer aktiv. Deutscher W. ist noch immer ihr Sänger. Und er möchte noch immer nicht seinen wirklichen Namen nennen, weil all das zum Mythos dieser Truppe einfach dazugehöre. Zum Mythos einer Truppe, die den deutschsprachigen Punk maßgeblich beeinflusste und bis heute ein großer Name im Genre ist.

Das könnte Sie auch interessieren:

Deutscher W., erklärt Deutscher W., leite sich ab vom Wort „Deutscher Widerstand“. Er habe sich damals so genannt, weil er vom Engagement dieser Gruppe, die während der Nazizeit gegen das NS-Regime kämpfte, schon immer fasziniert gewesen sei. OHL wiederum ist die Abkürzung für jene „Oberste Heeresleitung“, die es im Ersten Weltkrieg gab – und ein Begriff, der sich für eine blutjunge Punkband damals einfach gerade genug martialisch und maximal provokant anhörte. „Heute würde ich sicherlich einen anderen Namen nehmen“, sagt W. Aber Ende der 70er, Anfang der 80er? Da sei er als Teenager eben auf der Suche nach etwas Aufregendem gewesen.

Im Radio BFBS gehört

„Ich war ein 15-jähriger Jungspund und fand Punk cool“, erinnert er sich. „Es gab zwar kein Internet. Aber es gab den britischen Sender BFBS und die dort ausgestrahlte Show mit John Peel. Für kleine Jungs wie uns, die nicht wussten, wohin mit sich, war das perfekt!“

Dort sei diese laute, für ihn neue Musik gespielt worden. „Und das faszinierte mich.“ Es sei ihm nie um die Optik im Punk, um Frisuren oder Klamotten, gegangen. Irokesenschnitt, Lederkutte – egal. Ihn habe nur interessiert, wofür Punk stehe. Nämlich dafür, selbst etwas zu machen. Die „Schnauze aufzumachen“. „Nicht Mainstream zu sein.“ „Wenn Du Teenager bist, dann ist sowas super“, sagt W. „Ich meine: Was gab es denn sonst noch damals? John Travolta? Disco? Schrecklich!“

Am Bass: Dr. Saubermann

Mitstreiter waren seinerzeit Bassist Dr. Saubermann sowie Gitarrist Stiebel Eltron, die nicht mehr mit an Bord sind. Zwei weitere Typen mit weiteren verrückten Namen, wie sie im Punk ja an der Tagesordnung sind – oder warum sonst heißt Campino Campino und singt in einer Band namens Die Toten Hosen?

Die ersten OHL-Proben fanden im Keller des Saubermann’schen Hauses in Manfort statt. „Sein Vater war Chemiker bei Bayer und stellte uns einen Raum in der Villa der Familie zur Verfügung“, erzählt W. Er lacht dazu, denn: „Das war so gar nicht Punk.“ Aber egal: OHL hatten einen festen Treff und konnten ihrer Leidenschaft frönen: „Musik war eine Revolution für uns. Wir waren völlig euphorisch.“ Und sie sollten es die kommenden vier Dekaden bleiben.

Premiere im "TT Embargo"

Aus der ersten, im Keller irgendwie zusammengebastelten Kassette wurde irgendwann die erste Platte. Ersten Auftritten im Wiesdorfer „TT Embargo“ – einem Kulturtreff von Künstlern und politisch Aktiven der Stadt, aus dessen Umfeld auch Ars Vitalis, Wilfried Schmickler und viele der später im Kulturausbesserungswerk (KAW) tätigen Menschen hervorgingen – folgten Bühnen in Köln. Später immer häufiger auch außerhalb des Rheinlands. Und irgendwann waren OHL dann sogar eine Band, die beim international besetzten „With Full Force“-Festival in Gräfenhainichen (Sachsen-Anhalt) vor über 30 000 Fans des Punks und anderer Genres lauter Gitarrenmusik auftraten. Gerade haben sie ihre 23. Platte „Das Salz in deiner Wunde“ veröffentlicht. Die geschätzte 23. zumindest – weil es über all die Jahre derart viele Platten gab, die Songs der Band enthielten, auf denen manchmal noch andere Bands mitwirkten oder die Konzertaufnahmen umfassten, dass man auch von 30, 35 ausgehen kann. Je nachdem, welche man alle dazuzählen möchte.

Dass OHL wegen ihres Namens mitunter auch umstritten waren und sind, will W. nicht verschweigen. „Wir wollen eben provozieren.“ Das sei ein Merkmal des Punks. Er wolle sich von dieser Schiene auch nicht verabschieden und unabhängig bleiben. „Denn dann muss ich mir nicht die Fragen stellen: Muss ich Englisch singen? Sanftere Töne anschlagen? Wie die Toten Hosen klingen? Nein! Punk muss weh tun! Wir machen keinen angepassten Altherrenrock und haben nun einmal keine Lieder für, sondern vor allem gegen etwas.“ Und „gegen“ bedeute: „Gegen jede Art von politischem Extremismus und religiösem Fanatismus im Sinne einer Religion, die sich zur Staatsmacht erhebt.“ OHL gehe es um die absolute Freiheit und Selbstverantwortlichkeit des Menschen.

Sozialstunden im Bunker

Apropos Selbstverantwortlichkeit: Genau die beachtete W. als Teenager zweimal nicht so wirklich – weswegen die Konzerte der Band zu besonderen Bandgeburtstagen denn auch stets im Bunker Manfort stattfinden: Dort leistete er als Jungspund nämlich gleich zweimal Sozialstunden wegen Gesetzesverstößen ab. Einmal, weil W. zuvor mit dem Käfer seiner Mutter durch den Carl-Duisberg-Park gefahren war, „um auf dem Rasen ein wenig rumzuschleudern“, wie er sich erinnert. „Leider war da ja ein Kennzeichen am Wagen…“

Ein andermal weil er mit einem Kumpel Fahnen der Messe „Fotokina“ in Köln von Fahnenmasten runterzuholen versuchte, „um gegen die hohen Eintrittspreise zu protestieren“. „Als ich gerade auf einem Mast hing, kam ein Polizist und erwischte uns.“ Beim Ableisten der „wohlverdienten“ Sozialstunden lernte W. dann den damaligen wie heutigen Leiter des Jugendtreffs Bunker, Reiner Hilken, kenne. Die beiden wurden Freunde. Und es gebe gar keine Diskussion, wo der 40. Bandgeburtstag nun lautstark gefeiert werde. Wie schon der 20., der 25., der 30. und der 35. Und einmal mehr vor ausverkauftem Bunkerhaus. Was zeigt: Der Punk lebt. Und ein guter Teil von ihm kommt: aus Leverkusen.

OHL treten am Samstag, 29. Februar, ab 20 Uhr (Einlass 19 Uhr) im Manforter Bunker an der Dr.-August-Blank-Straße auf. Das Konzert ist bereits ausverkauft. Ab dem Wochenende ist ihre neue Platte „Das Salz in deiner Wunde“ erhältlich.

www.facebook.com/ohl1980

KStA abonnieren