Artothek BayerIn Leverkusen findet sich große Kunst auch im Chempark

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Andrea Peters zeigt Bilder in der Artothek der Bayer AG.

Sie hat den Schlüssel für und den Überblick über die Artothek der Bayer AG: Andrea Peters, Kuratorin der Bayer-Kultur (hier vor einem Bild von Robert Lucander).

Im Chempark befindet sich inmitten von Industrieanlagen auch die Artothek von Bayer. Dort wird die Kunstsammlung des Konzerns aufbewahrt. Zudem zieren viele Werke namhafter Künstlerinnen und Künstler die Konzernzentrale und Büros. Ein Blick hinter die Chemparkmauern.  

Einlass zu finden in den Chempark ist nicht so leicht. Personalausweise. Besuchsausweise. Unterschriften hier und da. Schranken. Rote Ampeln. Das Betreten – „Jetzt können Sie. Schönen Tag!“ – braucht seine Zeit. Aber im Innern befinden sich ja auch jede Menge sensible Industrie-Anlagen.

Und, was womöglich die wenigsten wissen, Wert-Anlagen. Im Sinne von: Kunst. Zwischen Rohren und Schornsteinen, Gleisen und Bauten aller Art geht es im Chempark nicht immer nur um Chemie, sondern auch um die Schönheit des gemalten Bildes.

Maximale Platzausnutzung

Vor allem in der Artothek des Konzerns. Mehrere große Räume in einem Gebäude hinter Tor 11, dem man nicht ansieht, was sich hinter der Eingangstüre befindet, das aber einen Blick lohnt – wenn man denn reingekommen ist. An einer modellhaft wieder hergerichteten alten Werks-Apotheke mit ihren fast schon antik anmutenden Pulver- und Medizingläsern in dunkelbraunen Holzregalen vorbei geht es ins Herz der Artothek.

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Der Blick fällt auf lange, an der Decke befestigte Gitterelemente. An ihnen hängen Hunderte gerahmte Bilder. Sie unterteilen den Raum in mehrere lange Gänge. Daneben liegen in hohen Schränken zahllose ungerahmte Bilder und Grafiken. Man könnte sagen: Das hier ist eine perfekt komprimierte, die vorhandene Fläche maximal ausnutzende Dauerausstellung. Und im Raum nebenan sieht es genauso aus.

Rund 5500 Werke umfasst die in der Artothek zusammengefasste Sammlung Bayer. Aufgeteilt auf dieses Sammlungsherz nahe Tor 11, auf die Berliner Niederlassung – und natürlich auf die vielen Büros und Gänge der Bürogebäude des Konzerns, in denen Bilder hängen. Denn genau das ist ja mit der Sinn dieser Artothek: „Die Mitarbeitenden können sich hier Bilder für ihren Arbeitsplatz aussuchen“, erklärt Andrea Peters, die Kuratorin der Bayer-Kultur und diejenige, die den Schlüssel für die Artothek ihr Eigen nennt.

Sowas nennt man Kunstförderung, Kunstvermittlung, Arbeitsplatzverschönerung und Motivation in einem Rundumschlag. „Und dieses Angebot wird sehr rege genutzt. Hier kommen die Menschen sehr oft her“, betont Andrea Peters.

Große Namen und regionale Kunstschaffende

Natürlich: Eine solche Sammlung haben viele Konzerne und Firmen. Kunst gehört nunmal zur Wirtschaft dazu. Einmal im Jahr – und zuletzt vor gut zwei Monaten in Leverkusen – treffen sich Firmenvertreterinnen und -vertreter sogar zum Austausch, zusammengeschlossen im Verein „Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft“ Indes: Die Sammlung Bayers hat zweifelsohne Besonderheiten.

Sie umfasst nicht nur Werke namhafter Künstlerinnen und Künstler. Von Andy Warhol bis Gerhard Richter. Sondern sie umfasst auch zig Bilder regionaler Akteurinnen und Akteure. Etwa Karl Stachelscheids (1917 bis 1970), dessen Ansichten des Altenberger Doms und der Wiesdorfer Hauptstraße hier zu sehen sind. Oder Kurt Lorenz‘ (1914 bis 1987), der zu den renommiertesten Künstlern Leverkusens zählt und letztlich ja auch Namensgeber des jährlich verliehenen Kurt-Lorenz-Preises für besondere Verdienste um die Stadt wurde.

Was aber vor allem wichtig ist: „Bayer hat nie eine Corporate Collection angestrebt“, sagt Andrea Peters. Sprich: Der Konzern sucht seit jeher nicht nach einer bestimmten Richtung oder Art von Kunst, wenn es um Ankäufe geht. Vielmehr zählen die Vielfalt und der Blick über den Tellerrand.

Expressionismus, Moderne und junge Kunst

Nach dem Zweiten Weltkrieg kaufte der Konzern etwa verstärkt Werke von Expressionisten – auch um diese nach der Nazizeit, in der sie meist geächtet waren, zu rehabilitieren. Hinzu kam die klassische Moderne. Und – bis heute – eine Konzentration auf nachwachsende Künstlerinnen und Künstler. „Ein Unternehmen kann sich ja nicht als zukunftsorientiert darstellen – und junge Kunst außen vor lassen“, sagt Andrea Peters.

Deshalb hege man seit jeher Verbindungen unter anderem zur Düsseldorfer Kunstakademie oder zu den renommierten Kunsthochschulen in Berlin und München und sei Mitglied der „Griffelkunst-Vereinigung“, die sich auf zeitgenössische Akteurinnen und Akteure spezialisiert. Gerade durch die Mitgliedschaft in letzterer erhält die Artothek regelmäßig Zuwachs. Einen dezenten Street-Art-Charakter vermittelnde Bilder von Robert Lucander beispielsweise. Oder die auf digitale Visualität ausgelegten Arbeiten Julian Opies.

Richter, Vostell, Kippenberger

Große Namen und ein seit geraumer Zeit strikt verfolgtes Konzept, das auf mehr politisch motivierte Kunst und mehr Diversität abzielt, regieren dann ein paar hundert Meter von der Artothek entfernt an der Kaiser-Wilhelm-Allee. Hier steht die in einem beeindruckenden Halbrund aus Edelstahl und Glas gebaute neue Konzernzentrale. Und hier ist – neben der Computeranimation „People“ von eben Opie mit auf einer hell leuchtenden LED-Fläche vorübergehenden Menschen – vor allem an den Wänden der Konferenzetage ein Hingucker nach dem anderen zu sehen: Gerhard Richter grüßt mit „I.S.A.“ gleich am Eingang meterhoch über einer Sitzecke.

Dahinter folgen unter anderem Arbeiten der Schweizer Künstlerin Pia Fries. Das bekannte „Salzlager“ von Silke Leverkühne. Wolf Vostells unter dem Eindruck des Vietnamkrieges entstandenes Fluxus-Werk „Phantom“ von 1971. Dazu Bilder Martin Kippenbergers oder Imi Knoebels. Jedes einzelne davon auf seine Art beeindruckend und in den hellen, breiten und weiten Gängen zum Verweilen und Anschauen einladend.

Was aber trotz des Namedroppings großer Persönlichkeiten womöglich am Wichtigsten ist: „Die Sammlung Bayer ist eine dynamische Sammlung“, sagt Andrea Peters. Das bedeutet: Es kommen immer wieder neue Werke hinzu. Und einmal pro Jahr werden Dutzende von aussortierten Arbeiten ja auch an Liebhaberinnen und Liebhaber versteigert.

Kunst ist eben nichts Totes. Kunst lebt. Und ein Sammlung wie die von Bayer wächst und gedeiht und wird immer abwechslungs- und facettenreicher.

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