Nach ExplosionDas steht im zweiten Gutachten über die Leverkusener Sondermüll-Anlage

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Prof. Dr.Christian Jochum spricht im Umweltausschuss. Hinter ihm sitzt Currenta-Geschäftsführer Hans Gennen.

Christian Jochum – hier bei einem Vortrag im Umweltausschuss der Stadt – erklärt, warum der zweite Bürriger Ofen laufen darf.

Die „NTN-Mutterlauge“ ist eine heikle Spezialität aus dem Chempark Dormagen. Die Gutachter um Christian Jochum erklären, warum sie die Verbrennung des Stoffs in Bürrig für verantwortbar halten.

Seit drei Wochen läuft ein zweiter Ofen in Bürrig. Nachdem Gutachter und die Bezirksregierung die Abläufe unter die Lupe genommen hatten, bekam Currenta die Genehmigung, auch die Verbrennungsanlage IV wieder in Betrieb zu nehmen. Daran gibt es Kritik: Nur einen Tag vor der Erlaubnis war auf der Bürriger Anlage ein Feuer ausgebrochen. Nicht sicherheitsrelevant sei das, hieß es. 

Am Freitag machte das Team um den Sicherheitsexperten Christian Jochum die Gründe öffentlich, warum aus ihrer Sicht ein weiterer Sonderabfall in der am 27. Juli 2021 schwer havarierten Anlage verbrannt werden kann. Im Ofen IV wird ausschließlich „NTN-Mutterlauge“ entsorgt. Das ist ein Abwasser aus dem Chempark Dormagen, und es wird nach Angaben von Currenta seit rund 30 Jahren in isolierten Containern nach Bürrig zur Verbrennung gefahren. Der Prozess stehe in keinem Zusammenhang mit der Explosion vom Juli 2021, heißt es. Die Anlage sei  bei der Explosion und dem Folgebrand nur geringfügig beschädigt und inzwischen wieder instandgesetzt worden.

Nicht zu heiß, aber auch nicht zu kalt

Aus Sicht der Gutachter lässt sich die Lauge gut handhaben – sofern sie nicht übermäßig heiß wird. 138 Grad sollten nicht überschritten werden, zu stark abkühlen sollte der Stoff aber auch nicht: Unter 70 Grad entstehe ein Rückstand, der Probleme bereiten kann. Um das zu vermeiden, werde die Lauge in Bewegung gehalten und normalerweise binnen eines Tages verbrannt – so beschreibt das Team Jochum das bisherige Vorgehen mit dem Dormagener Sonderabfall. 

Für das bewährte Rühren und Umpumpen des Stoffs braucht man natürlich Strom. Sollte der ausfallen, reiche aber die Leistung der Notstrom-Versorgung in Bürrig. Fazit der Gutachter: Eine Störung des Betriebs könne im Sinne der Störfallverordnung „vernünftigerweise ausgeschlossen“ werden. Im Zweifel erhöhe zudem der hohe Wasseranteil in der Lauge die Sicherheit. Das verhindere ein „Aufschaukeln“ der chemischen Reaktionen und eine Überhitzung.  

Proben werden nirgends genommen

Ein Problem gibt es allerdings: Die Lauge wird weder bei der Anlieferung in Bürrig noch bei der Abfüllung in Dormagen kontrolliert. Das unterbleibe aus Gründen des Arbeitsschutzes, heißt es. Doch mit diesem Mangel können die Gutachter leben: Die Produktion werde technisch so gut überwacht, dass der Tüv Süd, dessen Experten die Abläufe in der Entsorgung ebenfalls anschauen, keine Einwände habe. Nächstes Fazit: „Aus Sicht des Sachverständigen ist ein Verzicht auf eine Beprobung jeder einzelnen Tankcontainer-Anlieferung mit NTN-Mutterlauge in die Verbrennungsanlage Bürrig sicherheitstechnisch vertretbar.“ Der Erzeugerbetrieb könne eine gefährliche Abweichung von den Abfall-Spezifikationen „mit ausreichender Sicherheit“ ausschließen. Außerdem sollen Vertreter der Bezirksregierung die Abläufe noch unter die Lupe nehmen.  

Aber auch wenn Jochum insgesamt Grünes Licht gibt für das Wiederanfahren der Verbrennungsanlage IV: Currenta sollte versuchen, NTN-Mutterlauge weniger heikel zu machen. Das ist aber ein Auftrag an Dormagen, nicht an Bürrig. 

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