Mit Spielarten des Teppichtricks wurden Senioren um hunderttausende Euro geprellt. Die vier Männer haben die Taten schon gestanden.
BetrugsprozessGroßfamilie aus Leverkusen nahm alten Leuten eine halbe Million Euro ab

Zwei Generationen aus der Leverkusener Großfamilie mit ihren Anwälten vor Gericht: Seit Mittwoch, 21. Mai 2025, geht es in Köln um Betrug in großem Stil zum Nachteil alter Menschen.
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Der Teppichtrick, in Varianten: Knapp eine halbe Stunde lang dauert es am Mittwoch vor dem Kölner Landgericht, die Anklage gegen vier Mitglieder der stadtbekannten Leverkusener Großfamilie zu verlesen. Der Schaden, den die Männer alten Menschen zugefügt haben, ist enorm, in Summe ist es mehr als eine halbe Million Euro.
Und es wäre noch viel mehr gewesen, wenn denn alle Pläne aufgegangen wären: Ein Coup in Hannover misslang wegen eines Streiks bei der Commerzbank: Die 85 Jahre alte Frau sollte mehr als 10.000 Euro abheben. Am Geldautomaten bekam sie aber nicht so viel. Eine 81 Jahre alte Zülpicherin bemerkte gerade noch rechtzeitig, dass zwei Komplizen ihr Haus nach Wertvollem durchsuchen und scheuchte sie weg. Zuvor hatte einer der Männer an der Tür geklingelt unter diesem Vorwand: Seine Kinder hätten einen Ball über die Grundstücksmauer gekickt, ob er den einsammeln könne. Als die Frau abgelenkt war, schlichen sich die anderen beiden Familienmitglieder ins Haus, wurden aber am Ende bemerkt und türmten ohne Beute.
In Kerpen 270.000 Euro Beute, in Köln 250.000
Anderswo lief es viel besser für die Betrüger: Ein 83 Jahre alter Kerpener wurde – das alles haben die Leverkusener mittlerweile zugegeben – um Geld und Gold im Wert von gut 270.000 Euro betrogen, ein 87 Jahre alter Kölner um rund 250.000. Dabei ging das Quartett – teils mit Hilfe von anderen Mitgliedern der Roma-Familie – immer nach derselben Masche vor, die je nach Lage ein bisschen variiert wurde. Und die sich aus Sicht der Täter seit vielen Jahren bewährt.
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Betagte Menschen werden kontaktiert, die Besucher bieten Teppiche zum Kauf an, danach gibt es angeblich Probleme mit einem Container voller wertvoller Teppiche, der in einem Hafen vom Zoll blockiert wird und nur gegen die Zahlung hoher Summen ausgelöst werden kann. Weil die Betrüger angeblich gerade nicht flüssig sind, soll das Geld von den Opfern kommen. Sonst droht der ganze Teppichdeal zu platzen, alle stehen mit leeren Händen da, so die Lüge. Ergebnis: Die alten Leute plündern ihren Konten. In Raten.
Goldbarren glänzten nur, Silber war Kupfer
Der Mann aus Kerpen zum Beispiel hob in nicht mal zwei Wochen Beträge zwischen 15.800 und 95.500 Euro ab. Außerdem tauschte er echte Krüger-Rand-Münzen und einen Goldbarren gegen plumpe Fälschungen: 80 wertvolle Münzen sahen nur aus wie Gold, die vorgeblichen Silberbarren waren unter einer Beschichtung aus Kupfer.
Wie viel Aufwand die Betrüger betrieben, um ihre Opfer möglichst vollständig auszunehmen, zeigen Details: Dem damals 83 Jahre alten Mann aus Kerpen legte der jüngste Täter gefälschte Zollpapiere vor, aus denen angeblich hervorging, dass der in Wahrheit gar nicht existierende und in Rotterdam blockierte Container Teppiche für 750.000 Euro enthalte. Von der verlangten Garantiesumme habe eine türkische Bank schon 120.000 Euro übernommen. Auch diese Belege waren nicht echt.
Eine Kassette voller Falschgeld
Im Fall eines zur Tatzeit 87 Jahre alten Kölners aus der guten Gegend am Zoo ging es vor allem um Gold und Münzen. Ihm wurde vorgelogen, dass seine Goldmünzen mit Diamanten veredelt werden und so in ihrem Wert beträchtlich gesteigert werden sollten. Die Details einer Begegnung muten besonders perfide an: Der Senior habe 176.000 Euro in Goldbarren und Münzen übergeben, außerdem 35.000 Euro in bar. Die Betrüger hätten das Geld in eine Kassette gesteckt, die dem Augenschein nach voller 500-Euro-Noten war und als Pfand beim Opfer bleiben sollte, heißt es in der Anklage. In Wahrheit war das Papiergeld; nur die echten 35.000 Euro des Kölners ließen die Betrüger in einem unbeobachteten Moment verschwinden. In diesem Fall steckte ein angeblicher Container voller wertvoller Teppiche im Duisburger Hafen fest.

Der Bau an der Carl-Leverkus-/Ecke Kaiserstraße in Wiesdorf ist eines der über ganz Leverkusen verteilten Domizile der Großfamilie. Er soll zwangsversteigert werden.
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Einer 70 Jahre alten Bonnerin wurden angeblich vom bekannten Fachhändler Gitizad zwei Teppiche zum Sonderpreis angeboten. Einer sollte ein Geschenk sein, der zweite 2000 Euro kosten. In Wahrheit reisten die Betrüger mit zwei Stücken an, deren Wert Spezialisten auf 60 und 330 Euro taxierten. Dieses Opfer ließen die Leverkusener ein halbes Jahr nicht aus ihren Fängen. Als die Seniorin die geforderten 24.000 Euro für eine Container-Auslöse nicht aufbringen konnte, nahm sie für den Betrag laut Anklage ein entsprechendes Darlehen bei der Postbank auf.
Geständnisse der Leverkusener gibt es schon
Alle vier Täter, die verschiedenen Generation der Familie angehören, waren für diese Betrügereien schon in Untersuchungshaft. Und sie haben Geständnisse abgelegt.
Kaum war am Mittwoch in Köln die Anklage verlesen, baten ihre vier Verteidiger die 3. Große Strafkammer um ein Rechtsgespräch. Hinter verschlossenen Türen ging es darum, Strafmaße auszuloten – je nachdem, wie kooperativ die Angeklagten denn im Prozess wären. Auch eine – mangels Einkünften bei weitem nicht ausreichende – Wiedergutmachung des finanziellen Schadens wurde in zwei Fällen in Aussicht gestellt.
Von der Staatsanwaltschaft und vom Vorsitzenden Richter Stefan Kloke kamen am ersten Prozesstag keine konkreten Zusagen. Die Verteidiger wünschen sich niedrige Strafen, in zwei Fällen könnte gar eine Bewährung drin sein. Nicht zuletzt, weil die Taten schon drei bis fünf Jahre zurückliegen. So referierte Richter Kloke das Gespräch später. Ob es so kommt, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.