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Kölner Villa als TatortErst Lockvogel, dann Retter – „Goldpate“ tritt in Prozess um Geiselnahme auf

Lesezeit 3 Minuten
In dieser Villa in Rodenkirchen wurde das Paar aus dem Ruhrgebiet festgehalten.

In dieser Villa in Rodenkirchen wurde das Paar aus dem Ruhrgebiet festgehalten.

Der 25-Jährige aus Bochum gilt auch als Kronzeuge im laufenden Verfahren im Komplex „Kölner Drogenkrieg“.

Es war ein mit großer Spannung erwarteter Auftritt im Zeugenstand beim laufenden Strafprozess im Kölner Landgericht um die brutale Geiselnahme eines Paares aus dem Ruhrgebiet. Der Mann, der im Internet mit einer goldenen Pistole posiert und sich „Goldpate“ genannt haben soll, soll zunächst als Lockvogel agiert, die Opfer in die Falle gelockt haben. Gleichzeitig gilt er als deren Retter – denn in vielleicht letzter Minute für die Opfer wandte er sich selbst als Mittäter an die Polizei.

Köln: „Goldpate“ verweigert im Zeugenstand die Aussage

Polizeibeamte begleiteten den früheren Handyshop-Mitarbeiter in den Saal 112 des Kölner Justizgebäudes – er soll sich dem Vernehmen nach in einem Zeugenschutz-Programm befinden, gleichzeitig sitzt er wegen seiner Tatbeteiligung in Bochum in Untersuchungshaft. Der Vorsitzende Richter Alexander Fühling sprach den Kronzeugen direkt auf seine Mittäterschaft an, die dieser bei der Polizei selbst eingeräumt habe. „Sie müssen sich hier nicht selbst belasten“, so die Belehrung.

„Ich habe mit meiner Rechtsanwältin gesprochen und möchte erstmal nichts sagen“, hieß es dann von ihm. Richter Fühling akzeptierte das, denn dem 25-Jährigen steht aufgrund der Vorwürfe ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zu. Stattdessen sollen im Verfahren nun Polizisten aussagen, die den Mann vernommen hatten. So können die Aussagen zwar verwendet werden – sie verlieren jedoch an Beweiskraft, da sie nicht direkt im Rahmen der Verhandlung gemacht wurden.

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Köln: Kronzeuge soll Paar in die Falle gelockt haben

Der „Goldpate“ soll Kontakt zu der Kalker Drogenbande gehabt haben, der gewaltsam 350 Kilogramm Marihuana aus einer Lagerhalle in Hürth geraubt wurden. Als Verantwortliche machte der Chef der Bande laut den Ermittlern das Umfeld eines Bochumers und dessen Freundin aus Essen aus. Das wiederum waren Bekannte des 25-Jährigen. Zeitweise soll er sich sogar als Cousin der Frau ausgegeben haben – die das glaubte. Sie hatte in ihrer Großfamilie offenbar den Überblick verloren.

Ein Scheinkauf einer geringen Menge an Gras von dem Mann bekräftigte die Kalker Bande offenbar, dass es sich um ihre geraubten Drogen handelte. Kurz darauf wurde das Pärchen laut deren Aussagen in einen Mercedes AMG gelockt – unter dem Vorwand, gemeinsam ein Festival im Ruhrgebiet zu besuchen. Stattdessen wurden die beiden in ein abgelegenes Industriegebiet gebracht. Die Opfer vor Gericht: „Aus dem Gebüsch sprangen maskierte Männer, alle richteten ihre Waffen auf uns.“

Auch die goldene Pistole des „Goldpaten“ sei auf sie gerichtet gewesen, sagten die Geschädigten aus. Sie seien in einen Transporter befördert und in den Keller einer Villa nach Köln-Rodenkirchen verschleppt worden. Von dort aus wurden Videos von Misshandlungen aufgenommen und an den Bruder der männlichen Geisel verschickt. Offenbar wurde ein Ultimatum gestellt, bis wann die Drogen zurückgegeben werden sollten. Die Geiseln berichteten, mit ihrem Tod gerechnet zu haben.

Köln: SEK befreit Geiseln aus Villa in Rodenkirchen

In der Villa sollen mehrere Täter ein- und ausgegangen sein, auch Auftragstäter aus den Niederlanden. Irgendwann soll dem „Goldpaten“ die Situation zu heiß geworden sein. Dem Vernehmen nach wollte er sich weder an einem möglichen Mord beteiligen noch selbst in die Schusslinie geraten. Der Mann flüchtete zurück ins Ruhrgebiet, stellte sich der Polizei und packte aus. Ein SEK-Kommando wurde zur Rodenkirchener Villa geschickt – die Geiseln wurden gerettet.

Die Polizei ermittelt im Komplex „Kölner Drogenkrieg“ gegen etwa 40 Beschuldigte, zuletzt gab es zwei neue Anklagen. Aktuell laufen drei Prozesse am Landgericht, hier geht es auch um den eigentlichen Handel mit ursprünglich 700 Kilogramm Marihuana und weitere Vergeltungsaktionen nach dem Raub der Hälfte der Drogen. Wie in den Verfahren bekannt wurde, haben bereits mehrere Mittäter ihre früheren Komplizen belastet. Und es kommen immer neue Zeugenaussagen hinzu.