RückblickSo lief 2023 in Leverkusen politisch

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Zwei Areale, die sich in den kommenden Jahren komplett wandeln werden: das Postgeländen (oben l.) und die City C (rechts neben der B8).

Zwei Areale, die sich in den kommenden Jahren komplett wandeln werden: das Postgeländen (oben l.) und die City C (rechts neben der B8).

Schier endlose Ratssitzungen, der Wandel der Stadtmitte – wir geben einen Überblick über was, was in der Politik in Leverkusen gelaufen ist.

Im Rückblick auf das politische Jahr 2023 in der Stadt fallen dem Betrachter einige Stichworte sofort ein: Windkraftanlagen in Kooperation mit Monheim, fortwährender Protest gegen die Ausbaupläne der Autobahn GmbH für A1 und A3 und schließlich: die neue Partnerstadt Nikopol in der Ukraine.

Gleich eine ganze Reihe von Entscheidungen und Entwicklungen betreffen jedoch das Wiesdorfer Stadtzentrum. In Summe werden sie dazu führen, dass sich das Gesicht der Stadtmitte in einem Jahrzehnt deutlich gewandelt haben wird.

Mitte August wird bekannt, dass die Stadt weitere der zumeist seit Jahren leerstehenden Ladenlokale in der City C, der Shopping-Mall parallel zur Friedrich-Ebert-Straße, kauft. Ziel ist, alleinige Eigentümerin der Ladenflächen zu werden. Denn, das macht die unter anderem für dieses städtebaulich wichtige Projekt eigens gegründete Stadtteilentwicklungsgesellschaft Wiesdorf/Manfort (SWM) Ende Oktober öffentlich, anstelle der gescheiterten, weil von Anfang an falsch konzipierten Einkaufsmeile soll am südlichen Ende von Wiesdorf ein komplett neues Wohnviertel mit 250 Wohnungen entstehen.

Die City C in Leverkusen wird umgestaltet.

Die City C in Leverkusen wird umgestaltet.

Das Vorgehen der SWM hatte der Stadtrat in seiner Sitzung Ende August abgesegnet. Wenn alles glattgeht, könnte die City C bereits 2030 ein völlig neues Gesicht haben, prognostiziert SWM-Geschäftsführer Björn Krischik. Wenn nicht, dann eben später. Aber das Ziel wird jetzt mit neuem Drive durch die SWM verfolgt. Ein neues Gesicht wäre dem Wiesdorfer Stadtzentrum auch am westlichen der Fußgängerzone zu wünschen, spätestens seit der Aufgabe der Kaufhof-Filiale im Juni eine Problemecke der City.

Der Plan, dort erneut ein großes Kaufhaus aufzuziehen, scheiterte im Herbst spektakulär. Nachmieter Friedrich-Wilhelm Göbel ist untergetaucht, sein früheres Unternehmen TEH Textilhandel GmbH insolvent. Ob es SWM-Chef Krischik war, der die Stadt und die Ratsfraktionen hier zum Handeln drängte, oder ob der Impuls aus der Stadtspitze kam, gleichviel. Jedenfalls beschloss der Stadtrat in eigens einberufener Sondersitzung am 13. November mit Mehrheit die Gründung einer SWM-Tochter für besonders heikle Immobiliendeals.

Diese Tochter kaufte dem Immobilienunternehmen Branicks Group AG das ehemalige Kaufhof-Areal für etwa zwölf Millionen Euro ab. Damit hat die Stadt an der Kreuzung von Breidenbach-, Haupt- und Nobelstraße sowie Wiesdorfer Platz das Heft des Handelns in der Hand. Wie es dort weitergeht, ist freilich noch offen. Man arbeite an Alternativen für die Nutzung der Immobilie, ist aus der SWM zu hören.

Das ehemalige Kaufhof-Gebäude im Dunkeln.

Die Stadt hat das ehemalige Kaufhof-Gebäude gekauft.

Die Entwicklungsgesellschaft und mit ihr die gesamte Stadt wird vermutlich einen langen Atem und viel Geld benötigen, bis sich an dieser Stelle etwas städtebaulich zufriedenstellendes zeigt. Doch nicht nur die nicht mehr zeitgemäße Riesenfläche, die sich mit mehreren Laden- und Büroebenen auf sage und schreibe zwei Hektar (genau 20.400 Quadratmeter) erstreckt, ruft nach Veränderung.

Auch in die Debatte über das unansehnliche Pavillonensemble zu Füßen der Herz-Jesu-Kirche kommt Bewegung, wie sich Ende Oktober bei der City Labor-Veranstaltung in der Kirche zeigte. Die Stadtverwaltung in Person von Baudezernentin Andrea Deppe warb dort offensiv für mehr Wohnungen, mehr Grün, mehr Aufenthaltsgelegenheiten und weniger Einzelhandelsfläche für das westliche Ende des Stadtzentrums.

Was freilich für das eine Quartier im Wiesdorfer Zentrum gilt, muss für das andere nicht eins zu eins übertragen werden. Nur so lassen sich zwei weitere wichtige städtebauliche Entscheidungen fürs Stadtzentrum deuten. Das hässliche Ensemble aus Parkplätzen, Anlieferzonen und Parkhausrampen auf der Rückseite der Rathaus-Galerie wird bebaut, und zwar mit einem achtstöckigen Hotel und einem westlich anschließenden fünfstöckigen Gebäuderiegel für Wohnungen und Geschäfte, so beschlossen vom Stadtrat ebenfalls Mitte November.

Die Stadtspitze sieht die nördliche Kante des Stadtzentrums zur Wohnkolonie II Anna hin attraktiv arrondiert. Wie sich allerdings die Aufenthaltsqualität im Zentrum im Schatten des 55-Meter-Hotelturms entwickelt, bleibt abzuwarten. Städtebaulich verändert wird sich in gut einem Jahrzehnt auch die südöstliche Ecke der Stadtmitte präsentieren.

Das Wiesdorfer Postgelände zwischen Bahnhof-Mitte und Europa-Ring, Busbahnhof und Manforter Straße, insgesamt 5,5 Hektar Fläche, soll in drei Abschnitten bis spätestens 2035, mit einem weiteren Hotel, Raum für Arztpraxen, Einzelhandel und vor allem viel Bürofläche vom Meerbuscher Investor Gerd Esser bebaut werden, so beschlossen vom Stadtrat in seiner letzten Sitzung vor Weihnachten am 11. Dezember. Esser hat das Areal der Post abgekauft.

Die Bauarbeiten für den ersten Bauabschnitt sollen spätestens im Sommer 2027 beginnen. Wohnbebauung wird es auf dem von der Bahntrasse und der Stadtautobahn eingeschlossenen Areal wegen der Lärmbelästigung nicht geben.


Das politische Jahr in Leverkusen in Kurzform

Januar

Nach jahrelanger Diskussion führt Leverkusen als letzte Großstadt der Region die Biotonne für Haushalte und Gewerbebetriebe ein. Der Entsorger Avea hatte bis Januar bereits 11.000 braune Tonnen verteilt. Mit Jahresbeginn ändert sich auch die Abfallgebührenberechnung — sie besteht aus einem Grund- und einem Leistungspreis.

Februar

Etwa 400 Bürgerinnen und Bürger protestieren in Wiesdorf gegen den oberirdischen Ausbau der A1 und die Vergrößerung des Kreuzes Leverkusen. In der Bürgerhalle erläutert die Autobahn GmbH ihre Pläne. Die Stadt ändert ihre Strategie im Kampf gegen den Ausbau und spricht im November wieder mit Verkehrsminister Volker Wissing.

März

In einer bewegenden Sitzung am 30. März besiegeln der Stadtrat und Vertreter der ukrainischen Stadt Nikopol während einer Live-Schaltung ihre Partnerschaft. Der Oberbürgermeister von Nikopol, Oleksandr Sayuk, sagt während der Sitzung: „Wir brauchen ihre Hilfe mehr als je zuvor. Sie ist für uns überlebensnotwendig.“

April

Ende des Monats haben die Technischen Betriebe Leverkusen den Deich an der Dhünn östlich des Ortskerns von Schlebusch nach gut sieben Monaten Bauzeit fertiggestellt. Das sechs Meter breite und 135 Meter lange Bauwerk soll das Zentrum vor verheerenden Überflutungen wie während des Hochwassers Mitte Juli 2021 schützen.

Mai

Das größte Fahrradparkhaus im Rheinland steht in Opladen. So jedenfalls titulierte der Nahverkehrsträger „Go Rheinland“, ehemals Nahverkehr Rheinland, den Mitte des Monats eröffneten, luftigen 70-Meter-Stahlbau am Bahnhof Opladen, in dem fast 400 Fahrräder abgestellt werden können, 300 davon überdacht und besonders gesichert.

Juni

Lange sah es so aus, dass auch die Stadt Leverkusen dem bundesweiten kommunalen Bündnis „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ beitreten würde. Doch nach zustimmendem Votum in der Bezirksvertretung II lehnt der Stadtrat es am 6. Juni mit 21 zu 20 Stimmen ab, sich dem Tempo-30-Bündnis anzuschließen.

Juli

Die Arbeitsgruppe bringt einen Antrag für ein Christopher Street Day-Fest (CSD) auf den Weg. Im August gründen die Organisatoren auch aus den Reihen des Fanclubs „Bayerjunxx“ dafür den Verein „Pride am Rhein“. Im Dezember wird bekannt, dass der erste Leverkusener CSD im Rahmen des Schlebuscher Volksfestes Anfang Juni 2024 steigt.

August

Jahrelang hieß es, für Windkraftanlagen gebe es keinen Platz in Leverkusen. Doch diese Einschätzung hat sich geändert. Jedenfalls kündigen Oberbürgermeister Uwe Richrath und sein Monheimer Amtskollege Daniel Zimmermann Mitte des Monats auf einem Feld bei Hitdorf an, dort gemeinsam drei große Windräder bauen zu wollen.

September

Mitte des Monats wird der Bahnhof Leverkusen-Mitte nach gut siebenwöchiger Komplettsperrung der Strecke wieder für den Verkehr freigegeben. Die Sperrung sollte nur vier Wochen dauern, verlängerte sich zum Leidwesen der Pendler aber erheblich. Immerhin: Die RRX-Strecke ist jetzt zwischen Langenfeld und Leverkusen ausgebaut.

Oktober

Wie der Ukraine-Krieg erreicht der Überfall der Hamas-Terroristen auf Israel am 7. Oktober die Kommunalpolitik. Die Stadt hisst am Rathaus zum Zeichen ihrer Solidarität eine Israel-Flagge. Sie wird zweimal von Unbekannten entwendet und zweimal von der Stadt ersetzt. Der Stadtrat verurteilt den Terrorangriff in einer Resolution.

November

Die Gewerbesteuereinnahmen sprudeln in der Stadt mit ihrem seit Jahren niedrigen Hebesatz. Das berichtet Kämmerer Michael Molitor Ende des Monats dem Finanzausschuss. Seiner Prognose zufolge liegen sie um mindestens 40 Millionen über dem für 2023 prognostizierten Niveau von 160 Millionen Euro.

Dezember

Ariane Koepke, im Mai 2022 Kandidatin der SPD Leverkusen zur Landtagswahl, Vize-Vorsitzende des Unterbezirks, Stadtratsmitglied, tritt aus der SPD aus. Daraufhin wirft auch ihre Fraktion sie aus ihren Reihen. Fraktionschefin Milanie Kreutz wirft ihr mangelndes Engagement vor. Koepke ist genervt von parteiinternen Machtkämpfen.

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