GerichtViele Daten, aber wenige Fakten im Prozess gegen Leverkusener Zahnarzthelferin

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Das Amtsgericht Leverkusen in Opladen.

Das Amtsgericht Leverkusen in Opladen.

Für die angeklagte Zahnarzthelferin steht viel auf dem Spiel – für den Leverkusener  Zahnarzt auch.

Um diesen Job kann man den Richter nicht beneiden: Letztlich muss er alleine eine Entscheidung treffen, ob eine Leverkusener Zahnarzthelferin verurteilt wird, ob sie es schaffen konnte, große Beträge an ihrem Arbeitsplatz zu hinterziehen. Sie könnte zwar Rechnungen herausgegeben haben, aber Barzahlungen der Patienten eingesteckt haben. Die Anklage gegen sie lautet auf Untreue. Die Rede ist von bis zu 200.000 Euro. Das wäre vermutlich nie aufgefallen, aber das Leverkusener Finanzamt machte eine Buchprüfung. Einige Rechnungsbeträge waren nicht versteuert worden.

Der Zahnarzt selbst wird von einem Dreierteam als Nebenkläger vor Gericht vertreten. Das sind zwei erfahrene Anwälte und eine Protokollantin, die ununterbrochen in ihren Laptop tippt.

Wer hat in die Kasse gegriffen? Der Zahnarzt oder die Helferin?

Es wird schwer, der Zahnarzthelferin die Schuld nachzuweisen, denn die Helferin hat zwei engagierte Verteidiger, eine Frau und ein Mann, die versuchen, sie aus der Schusslinie zu nehmen. Ihre Version der Sache ist, dass der Zahnarzt womöglich selbst in die Kasse gegriffen haben könnte und den Betrug somit wissentlich seiner ehemaligen Angestellten in die Schuhe geschoben haben könnte.

Je nachdem, wie das Gericht entscheidet, hätte das weitreichende Folgen: Stimmt die Version des Zahnarztes, wäre die Helferin dran. Sie würde bestraft und vermutlich regresspflichtig. Sprächen die Fakten für die Helferin, bekäme der Zahnarzt schwere Probleme mit dem Finanzamt und ihm droht womöglich zusätzlich ein Verfahren wegen falscher Verdächtigung. Die Sache ist also höchst vertrackt und es geht um viel: Die Anwälte reden sich die Köpfe heiß und giften sich streckenweise im Saal heftig an.

Zentral ist das Erfassungsprogramm der Zahnarztpraxis. Im Gericht lernt man, in welcher Detailgenauigkeit Daten in die Krankenakte eingeschrieben werden: Wer bei wem wann was wie und in welchem Raum behandelt hat; wann eine Rechnung auf welchem Computer ausgestellt wurde, die dann wohl in Bar gezahlt wurde, aber nicht in den Steuerunterlagen auftaucht und um welche Uhrzeit die Rechnung ausgedruckt wurde.

Nur eins kann über die Datenbank nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden: Ob die Zahnarzthelferin das Bargeld heimlich in die Tasche ihres weißen Kittels rutschen ließ, oder ob ein anderer später am Abend in die Kasse gegriffen hat und leichtfertig auf die Steuer pfiff. Um den harten Fakten näherzukommen, wollen die Verteidiger die Originaldaten aus den Servern untersuchen.

Das ist nicht leicht: Selbst der Richter, der das Recht hat, die Daten für seinen Prozess anzufordern, scheint ernsthafte Probleme mit renitenten Mitarbeitern der Firma zu haben: Er habe sogar schon sein Telefon anonym geschaltet, in der Hoffnung, dass er auf diese Weise einen Verantwortlichen der Softwarefirma zu packen bekomme, um ihm zu erklären, was ein Beschluss eines Gerichts bedeute. Der Prozess wird fortgesetzt.

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