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Kontroverses ThemaWie die Macher auf die Diskussionen über das Museum Morsbroich blicken

5 min
Das Museum Morsbroich und seine Ausrichtung ist Teil vieler Diskussionen in Leverkusen. Thekla Zell (Kuratorin) Fritz Emslander (Kommissarischer Direktor) Lucia Riemenschnitter (Museumsvermittlung) wollen das Museum und die Menschen in der Stadt zusammenbringen.

Thekla Zell (Kuratorin) Fritz Emslander (Kommissarischer Direktor) Lucia Riemenschnitter (Museumsvermittlung) wollen das Museum und die Menschen in der Stadt zusammenbringen.

Über die Ausrichtung des renommierten Museums in Leverkusen gehen die Meinungen in der Stadtgesellschaft auseinander.

Es gibt Themen in Leverkusen, über die jeder mitreden will. Zu denen man durchaus unterschiedliche Meinungen haben kann und über die viel und gerne diskutiert wird. Eines davon ist das Museum Morsbroich und seine Ausrichtung. Die einen schätzen das Museum für zeitgenössische Kunst und seinen künstlerischen Ansatz, die anderen beklagen, dass die Macherinnen und Macher so, wie die Einrichtung derzeit betrieben wird, zu wenig Menschen ins Schloss holen.

Und die nackten Zahlen sind durchaus ernüchternd. 7747 Menschen besuchten im Jahr 2023 das Museum, die Hälfte davon zahlend. Die zuletzt veröffentlichten Zahlen für 2024 ließen ebenfalls eine konstant niedrige Besucherzahl erkennen. Zum Vergleich: 2016 kamen noch 23.638 Menschen ins Museum. Das stößt einigen Menschen auf, schließlich wird das Museum von der Kommune, und damit letztlich von den Menschen in Leverkusen, finanziert. 

„Jeder hat zum Museum eine Meinung“, weiß auch Lucia Riemenschnitter. Sie ist Kunstvermittlerin des Museums und mit Dr. Fritz Emslander, dem kommissarischen Direktor, sowie Thekla Zell, Kuratorin, für das Museum verantwortlich. Allerdings, so berichten es die drei im Gespräch im Jagdzimmer des Schlosses, komme das zumindest im Museumsbetrieb eher weniger an. „Aber natürlich ist uns die Diskussion bewusst“, sagt Emslander, der das Museum in Abwesenheit von Museumsdirektor Jörg van den Berg führt.

Das Museum Morsbroich und seine Ausrichtung ist Teil vieler Diskussionen in Leverkusen.

Das Museum Morsbroich und seine Ausrichtung ist Teil vieler Diskussionen in Leverkusen.

Von den Besucherinnen und Besuchern, so Thekla Zell, bekomme man eher positive Rückmeldung, teilweise sogar überraschte. Eher im Sinne von: „Wenn ich das gewusst hätte …“ Als habe man etwas Neues in seiner Stadt entdeckt, ergänzt Riemenschnitter. Und gerade deshalb sei dem Team sehr daran gelegen, die Besucherkreise zu erweitern, so Emslander.

Wobei die Zahlen für die drei eher wenig aussagekräftig sind. Denn nicht mitgezählt würden zum Beispiel die Menschen, die den Schlosspark besuchen, indem zum Beispiel mit dem Skulpturenpark auch Kunst zu bestaunen sei. „Uns ist die Verbindung wichtig“, sagt Zell. Also das Gesamtensemble: Museum, Park, Kunstverein. Das ganze Ensemble sei als Begegnungsort mit Kunst gedacht. Dazu gehört auch die Hochzeit, die man im historischen Ambiente feiert und das vermeintlich unauffällige Kunstwerk, das man beim Betreten des Schlosses vielleicht sogar übersieht.

„Es geht nicht darum, etablierte Künstler hierhin zu holen“, findet der kommissarische Museumsdirektor Emslander. Diesen Ansatz verfolgen die Museumsmacher nicht. „Wir wünschen uns, dass die Menschen, die hierhin kommen, mit Fragen wieder hinauslaufen“, sagt Zell. Riemenschnitter ergänzt: Ein Format zeichne sich nicht dadurch als erfolgreich aus, dass es hohe Besucherzahlen generiere. „Es geht um mehr“, so Zell. Zum Beispiel um den Bildungsauftrag, den das Museum verfolge, oder darum, auch junge Kunst dort zu zeigen. Aber natürlich sagt Emslander auch: „Ein Kunstwerk ist ohne die Wahrnehmenden keine Kunst.“

Leverkusen: Menschen sollen Kunst begegnen

Aber wie passt das mit sinkenden Besucherzahlen zusammen? „Diskussionen fördern und anregen“, sagt Lucia Riemenschnitter. Das sei es, was das Museum auslösen müsse. Und in Morsbroich befinde man sich natürlich in der luxuriösen Situation, das auch so umsetzen zu können, weil man öffentlich finanziert sei. Allerdings: Genau das ist der Ansatz, den viele Kritiker dieser von der Kunst und nicht vom Besucher aus gedachten Ausrichtung beklagen. Thekla Zell sagt: „Uns ist es wichtiger, dass die Menschen, die da sind, immer wieder kommen.“

Früher, sagt Emslander, habe das Leverkusener Museum, das nach dem Krieg das erste Museum für zeitgenössische Kunst in Deutschland war, weniger Konkurrenz gehabt. „Man hatte ein Alleinstellungsmerkmal.“ Jetzt gibt es deutlich mehr solcher Einrichtungen. Der Direktor meint aber, dass der Stellenwert des Museums Morsbroich in der Stadtgesellschaft grundsätzlich gleich geblieben sei.

Sehr wichtig ist bei der Museumsarbeit inzwischen die Kunstvermittlung. Es habe in den vergangenen beiden Jahren einen auffälligen Anstieg an Besuchen von Schulklassen gegeben, berichten die Museumsmacher. Ohnehin versuche man durch verschiedene Initiativen zu zeigen, dass das Museum „ein offener Ort, kein erhobener“ sei. Durch den Proberaum zum Beispiel, in dem Gruppen – zuletzt Schülerinnen und Schüler der Hauptschule Im Hederichsfeld – ihren eigenen Ausstellungsraum aus Werken aus dem Museumsdepot zusammenstellen können. Oder durch verschiedene Museums-Clubs für verschiedene Altersklassen.

Zeitgenössische Kunst braucht Vermittlung
Thekla Zell, Kuratorin

„Zeitgenössische Kunst braucht Vermittlung“, konstatiert Thekla Zell. Und rechtfertigen habe man sich als Museumsmacher eigentlich schon immer gemusst. Sie meint, dass die Akzeptanz für die Ausrichtung eher größer als kleiner werde. Das sehe man daran, dass es immer mehr Museen für solche Werke gebe. Und – den Zahlen zum Trotz – es gebe immer Gruppen und einzelne Leute, die durch eine bestimmte Aktion zum Museum gekommen und dann geblieben seien, berichtet Lucia Riemenschnitter. Und darauf lege man mehr wert.

Angesichts der größer werdenden Konkurrenz, sagt Zell, müsse man natürlich zeigen, wieso man denn nach Leverkusen kommen solle. Das gelte auch für Künstlerinnen und Künstler. Ein großes Pfund dabei: das Schloss selbst. Die verschiedenen Räume, der Außenbereich. „Das hier ist kein nüchterner Museumsraum“, sagt die Kuratorin. Man könne Arbeiten für die verschiedenen Räume neu entwickeln. Das komme auch bei Künstlerinnen und Künstlern an. Überhaupt, so Zell, sei die überregionale Sicht auf das Haus eine andere als die Diskussion in Leverkusen oft vermuten lasse. Das Museum Morsbroich sei nach wie vor renommiert.

Eine gewisse Dynamik im Programm ist den Museumsmachern wichtig. Das heißt: Es geht ihnen nicht darum, historische Werke zu zeigen. Zeitgenössische Kunst sei immer Auseinandersetzung mit der Gegenwart. „Aktuelle Kunst mit neuen Perspektiven, Fragen und Impulsen zu zeigen“, erklärt Fritz Emslander.

Und das soll „selbstverständlich“ für die Menschen in der Stadt sein, sagt Lucia Riemenschnitter. Ohne Scheu. Und für das Museum gehöre es auch weiter dazu, Dinge auszuprobieren. Man müsse bereit sein, weiterzulernen, sagt Thekla Zell: „Das wichtigste ist, dass man nicht stehen bleibt.“

Von Sonntag, 31. August, bis zum 11. Januar, ist im Museum Morsbroich die neue Ausstellung zu sehen: „The good in the pot, the bad in the crop“. Eine Ausstellung, die sich mit der Sammlung beschäftigt. „Warum bleiben manche Werke im Depot liegen? Warum werden andere ausgestellt?“, sagt Zell. Das wolle sie in dieser Ausstellung aufgreifen. Dazu gehöre zum Beispiel auch, etwas über den Ankauf von Werken zu sprechen.