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Stadtentwicklung in LeverkusenSchandfleck in Rheindorf verwandelt sich

Lesezeit 5 Minuten
Blick auf die Baustelle des Roten Hauses am Königsberger Platz in Rheindorf

Von außen sieht es noch wüst aus, innen ist die Musterwohnung seit Donnerstag fertig: das Hochhaus am Königsberger Platz in Rheindorf

Die Wohnungsgesellschaft Leverkusen beginnt mit der Vermietung des komplett sanierten „Roten Hauses“ am Königsberger Platz.

Ein Richtkranz weht oben am Gebäude. Zeit für ein Fest – in diesem speziellen Fall erst recht: Viele Jahre ließen ausländische Fonds das zentrale Hochhaus am Königsberger Platz in Rheindorf verrotten, nachdem Bayers längst nicht mehr existierende Wohnungsgesellschaft auch diesen Bau abgegeben hatte. Dann kam die WGL, nutzte vor eineinhalb Jahren „ein enges Zeitfenster“, so Geschäftsführer Gerald Hochkamer, übernahm den maroden Acht-Geschösser. Denn der prägt das Bild des Zentrums von Rheindorf-Nord. Und das muss verbessert werden.

Denn die städtische Wohnungsgesellschaft hat noch sehr viel vor in der Gegend: Auch die Südseite des Königsberger Platzes soll sich stark verändern, rund 500 Wohnungen neu entstehen. Unter anderem in einem ebenso hohen Gebäude wie es das „Rote Haus“ ist. Der Name kommt von der ursprünglichen Verklinkerung des Betonbaus. Im Moment ist sie wieder zu sehen hinter den Gerüsten. Aber das wird eine vorübergehende Erscheinung sein: Das Gebäude bekommt eine zeitgemäße und daher dickere Fassadendämmung. Eine Farbe zwischen Beige und Weiß kündigt Hochkamer an. Also ähnlich wie zuvor, nur in sauber und heile.

Thomas Seidel in einer WGL-Wohnung am Königsberger Platz vor dem Umbau

Thomas Seidel in einer Wohnung vor dem Umbau. Er managed, unter anderem das Umzugsgeschäft für die Mieter der WGL.

Mehr Licht dürfe es trotzdem geben: Zweiflügelige Türen werden auf die neuen Balkone führen, die auf der Westseite des Gebäudes angedockt werden. Am Fuß des Hauses betreibt die WGL ein bisschen Städtebau: Die Pavillons werden abgetragen und durch einen durchgehenden Anbau ersetzt. Die Geschäfte, die sich zuletzt in der flachen Passage am Königsberger Platz gehalten haben, sollen umziehen, sagt Jan Philip Schwencke, der den WGL-Bestand von derzeit rund 7000 Wohnungen managt.    

Die Kernsanierung des Hochhauses am Königsberger Platz wird das Wohnungsangebot der WGL nicht vergrößern: Weil die Erdgeschosswohnung, die ursprünglich mal für den Hausmeister gedacht war, den Läden zugeschlagen wird, reduziert sich die Zahl auf 72. Sie haben 63 oder 66 Quadratmeter Fläche und werden über drei Treppenhäuser erschlossen. An den Größen und dem Schnitt ändere sich nichts, erklärt Thomas Seidel. „Das war ideal“, jedenfalls für Zwei-Zimmer-Wohnungen, sagt der Mann, der sich unter anderem um das Umzugsmanagement bei der WGL kümmert, also auch den Mietern des Hochhauses neue Bleiben besorgt hat.   

WGL-Chef Gerald Hochkamer in der Musterwohnung

WGL-Chef Gerald Hochkamer in der Musterwohnung

Ein Blick in die seit Donnerstagmittag zugängliche Musterwohnung stützt diese Aussage: Der Flur ist gerade so groß, dass große Einbauschränke hineinpassen, das Wohnzimmer gewinnt deutlich durch den Balkon – in der Musterwohnung ist das sogar eine Terrasse, die auf die nun direkt angebauten Pavillons hinausgeht. Küche und Bad sind nicht sonderlich groß. Aber weil die WGL alles mit Möbel-Dummies aus Pappe eingerichtet hat, bekommt man einen zutreffenden Eindruck vom wirklichen Platzangebot. 

Serielles Bauen im Bad

Geschäftsführer Hochkamer lenkt den Blick auf etwas, das man nicht sieht. Die Bäder wurden in serieller Bauweise auf den neuesten Stand gebracht. Das heißt: mit fertigen Fliesenelementen, an denen Leitungen und Sanitär-Installationen schon montiert waren. „Für so einen Bad-Umbau braucht man nur zwei Wochen“, sagt er. Das sei einer der Gründe, warum die WGL am Königsberger Platz „echt Tempo“ machen konnte. Von dem 55 Jahre alten Haus habe zwischendurch eigentlich nur noch das Gerippe gestanden: Sämtliche Leitungen wurden ausgetauscht, die Fenster verändert, eine Photovoltaik-Anlage soll den Bau immerhin auf den KfW-40-Standard heben. Das geht, obwohl die Lüftungsanlage erhalten bleibt.  

Mit der Barrierefreiheit gab es kaum Probleme: Aufzüge gibt es sowieso, das Erdgeschoss ist ohne Stufen zu erreichen. Das ist wichtig – nicht nur, weil Wohnhäuser ohne Stufen im Neubau mittlerweile Standard sind -, sondern auch, weil man bei der WGL mit zwei Gruppen von neuen Mietern rechnet: ältere Leute und junge Paare. Für beide sei es wichtig, dass am Königsberger Platz Läden sind, dass der Markt am Donnerstag erhalten bleibt, obwohl das Lebensmittel-Angebot schmaler geworden ist. Und dass Rheindorf-Nord einen nahen Anschluss an die A 59 hat und Busse praktisch vor der Tür abfahren. 

WGL-Chef Hochkamer bemüht das Schlagwort „Urbanes Wohnen“. Sein Unternehmen will das Umfeld kurzfristig schon einmal dadurch aufwerten, dass nicht nur der Platz im Westen des umgestalteten Hochhauses schöner gemacht wird und durch die Verschiebung der Pavillons eine Sichtachse von der Elbe- zur Memelstraße frei wird. Auch das Nachbarhaus im Norden werde äußerlich aufgehübscht, kündigte er an: Dort blättert der Putz. 

Die Miete steigt auf 12,50 Euro

Der Komplett-Umbau wird allerdings auch die Mieten hochtreiben: 12,50 Euro kalt pro Quadratmeter müsse die WGL aufrufen, so Hochkamer. Das ist natürlich deutlich mehr als im Durchschnitt des Bestands, der derzeit bei 6,85 Euro liegt. Wenn eine – und sei sie alt – Wohnung in Leverkusen neu vermietet wird, werden im Schnitt 9,87 Euro gezahlt. Das ist schon näher an den Preisen am Königsberger Platz. Komplett neue Wohnungen kosteten, sagt Hochkamer, inzwischen mindestens 14 Euro pro Quadratmeter. Das passiert, wenn die Baupreise durch die Decke gehen, unter anderem wegen der immer höheren Anforderungen. 

Am Königsberger Platz habe es Nachfragen gegeben, sobald das Bauschild vor dem „Roten Haus“ stand, sagt Thomas Seidel. Aber in die Vermarktung ist die WGL erst am Donnerstag eingestiegen. Ab Mittag war die Musterwohnung zur Besichtigung freigegeben: „Das Vermietungsbüro ist eröffnet“, sagte Gerald Hochkamer um 13.37 Uhr.


Sozialer Zusammenhalt in Rheindorf-Nord soll gestärkt werden

Für Stefan Baake, den Vorsitzenden des WGL-Aufsichtsrats, ist die tiefgreifende Umgestaltung des Königsberger Platzes in Rheindorf-Nord „ein Projekt mit verschiedenen Zielen“: Dass rund 500 Wohnungen neu errichtet werden und der Bestand an diesem zentralen Platz damit im Lauf der nächsten fünf Jahre verdoppelt wird, sei nur eines davon. Es gelte auch, den sozialen Zusammenhalt in diesem gemischten Viertel zu stärken. Deshalb habe man im Aufsichtsrat „auch nicht lange überlegt“, so der Grünen-Politiker. Auch wenn das Investitionsvolumen von insgesamt rund 150 Millionen Euro das größte in der Geschichte der städtischen Tochter ist: „Das, was wir insgesamt machen, ist auch für die WGL ein ganz schön großes Stück.“

Stefan Baake, Aufsichtsratsvorsitzender der WGL, bezeichnet die Veränderungen am Königsberger Platz als Projekt mit verschiedenen Zielen.

Stefan Baake, Aufsichtsratsvorsitzender der WGL, bezeichnet die Veränderungen am Königsberger Platz als Projekt mit verschiedenen Zielen.

Oberbürgermeister Uwe Richrath, selbst Rheindorfer, lobte am Donnerstag „die mutige Entscheidung“ der WGL, das „Rote Haus“ für einen zweistelligen Millionenbetrag zu kaufen und so einem luxemburgischen Immobilienfonds abgenommen zu haben, „der nichts anderes macht, als Geld rauszuziehen“. Aufgabe der städtischen Wohnungsgesellschaft sei es, durch Städtebau das soziale Miteinander in Leverkusen zu fördern und zu stabilisieren. „Deshalb werden wir die WGL niemals verkaufen.“