Nach Ende des BergbausRevier bleiben Ewigkeitskosten von 300 Millionen jährlich

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Das Bergwerk Prosper-Haniel.

Das Bergwerk Prosper-Haniel.

Essen – Der Strukturwandel im Ruhrgebiet begann schleichend – vor 60 Jahren. Kurz vor der Kohlekrise 1958 wurde in den Bergwerken des Reviers jährlich mehr als 123 Millionen Tonnen Steinkohle gefördert. 2014 waren es nur noch 5,7 Millionen Tonnen. Die Fördermenge ist 2018 auf null gesunken. Der Motor der deutschen Industriegeschichte steht seit Freitag still.

Das langsame Sterben der Zechen in Nordrhein-Westfalen und im Saarland setzte 1958 ein, als billige Importkohle und das preiswerte Erdöl die Förderung in den Revieren auf einen Schlag unrentabel werden ließen.

Der Abwärtstrend traf eine Schlüsselindustrie, deren Wurzeln auf deutschem Gebiet bis ins frühe Mittelalter zurückreichten. Denn schon vor mehr als 900 Jahren wurde an der Westgrenze der heutigen Bundesrepublik Kohle abgebaut – im Aachener Steinkohlerevier, dem ältesten in Kontinentaleuropa. Um das Jahr 1300 belegten Urkunden den Kohleabbau an der Ruhr, wenig später an der Saar.

Die Krise begann 1958

Die Geschichte der industriellen Kohleförderung begann aber erst im 19. Jahrhundert: Neue Maschinen ermöglichten es den Bergleuten, das schwarze Gold aus immer größeren Tiefen zutage zu fördern. Mit dieser auch qualitativ besseren Kohle wurde Stahl erzeugt – und das Ruhrgebiet wurde zum industriellen Zentrum Deutschlands. 1853 wurden im „Kohlenpott“ bereits mehr als zwei Millionen Tonnen Kohle gefördert. Gut 100 Jahre später, in den Jahren des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg, waren es 150 Millionen Tonnen im Jahr. Doch in der Wirtschaftswunderzeit nach dem Krieg wurde der Pulsschlag der florierenden Steinkohlebranche von Jahr zu Jahr schwächer.

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Wegen der sinkenden Importpreise begann das große Zechensterben: Von 1960 bis 1980 sank die Zahl der Bergwerke in Deutschland von 146 auf nur noch 39, im Jahr 2000 waren nur noch zwölf Zechen in Betrieb, und zuletzt noch Bottrop und Ibbenbüren. Die bundesweite Fördermenge sank von knapp 150 Millionen Tonnen Steinkohle 1957 auf 7,6 Millionen Tonnen im Jahr 2014. Für die Kumpel zog die Kohlekrise dramatische Arbeitsplatzverluste nach sich. Während 1957 noch fast 610 000 Menschen bei den Steinkohle-Betrieben in Lohn und Brot standen, gab es 1970 nur noch 250 000 Stellen. 1994 sank die Zahl der Arbeitsplätze unter 100 000. In den früheren Revieren um Aachen und im Saarland arbeiten bereits seit Jahren keine Bergleute mehr: Die Geschichte des Aachener Reviers endete 1997 mit der Schließung der Zeche Sophia-Jacoba in Hückelhoven, 2012 schloss die letzte Zeche im Saarland.

650 Millionen Badewannen

Der Bergbau wird auch nach der Schließung der letzten Zechen dem Ruhrgebiet erhalten bleiben. Allein der Rückbau der Zeche Prosper-Haniel wird ein Jahr in Anspruch nehmen. Und dann sind da noch die Ewigkeitskosten, die das Revier mit 300 Millionen Euro jährlich belasten werden. Große Teile des Reviers haben sich durch den Kohleabbau abgesenkt, in extremen Fällen bis zu 25 Meter oder mehr.

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Ein Bergmann arbeitet auf der Zeche Prosper-Haniel in 1250 Meter Tiefe an einem Flöz unter Tage. 

Diese Wasserströme müssen mit Hunderten Pumpen reguliert werden. Geschieht das nicht, würde ein Fünftel des Ruhrgebiets überschwemmt. Durch die Wasserhaltung wird auch verhindert, dass das Grubenwasser mit den Trinkwasserschichten in Verbindung kommt. 80 Millionen Kubikmeter Grubenwasser pro Jahr müssen abgepumpt werden – das sind 650 Millionen Badewannen. Die Ewigkeitskosten muss die RAG-Tochter Evonik erwirtschaften – ein Spezialchemie-Unternehmen, das der RAG-Stiftung gehört.

Das Aus des Steinkohle-Bergbaus hat mit ökologischen Gründen und dem Klimawandel nichts zu tun. Deutschland wird künftig rund 60 Millionen Tonnen Steinkohle pro Jahr importieren, Kraftwerke und Kokereien laufen zunächst weiter. Die Industriestaaten müssten bis Ende 2030 die Verstromung der Kohle beenden, um die verabredeten Klimaschutzziele einzuhalten. Der Rest der Welt bis 2050. (mit afp)

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