Psychisch kranke AmokläuferWie Anschläge in NRW zukünftig verhindert werden sollen

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Münster Kiepenkerl Amokfahrt

Menschen stehen im April 2018 vor einem der Lokale am Kiepenkerl in Münster, kurz nachdem ein Fahrzeug in das Straßencafe gefahren war.

Düsseldorf – Alexander R. war seit langer Zeit in psychiatrischer Behandlung, hat Bekannte, die Familie und seine Ärzte etwa in Mails immer wieder beschimpf und ihnen die Schuld für seine Probleme gegeben. Es gab zwei Strafverfahren wegen „Auseinandersetzungen im häuslichen Bereich“ gegen den 48-Jährigen. Unter anderem soll er mit einem Beil auf die Möbel in der elterlichen Wohnung eingedroschen haben.

Auch wenn die Ermittlungen eingestellt wurden, wohl auch weil die Eltern keine Anzeige erstattet haben: Alexander R. war den Behörden bekannt, als er am 7. April 2018 gegen 15:27 Uhr mit einem Kleinbus mitten in Münster auf die Außenterrasse des Restaurants „Großer Kiepenkerl“ raste. Vier Menschen starben, mehr als 20 wurden zum Teil schwer verletzt. Der Täter erschoss sich anschließend selbst.

„Wieso hatten wir den Amokfahrer von Münster nicht auf dem Schirm?“

Nach ersten Befürchtungen, es könne sich um einen Terroranschlag handeln, war schnell klar, dass hier ein psychisch schwer kranker und deshalb verzweifelter Mann ausgerastet war. Die Polizei ging letztlich von einem „erweiterten Suizid“ aus, bei dem der lebensmüde Amokfahrer noch andere Menschen „mitnehmen““ wollte. „Die Ursachen für die Ausführung der Tat“ seien in der Persönlichkeit von Jens R. „begründet“, konstatierte Polizeipräsident Hajo Kuhlisch.

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Dies sei ein Befund, der ihn nicht mehr losgelassen habe, sagt der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU). „Seit drei Jahren treibt mich die Frage um, wieso wir den Amokfahrer von Münster nicht auf dem Schirm hatten. Wieso ist diese psychisch labile Person vorher nicht aufgefallen?“, fragt Reul und gibt die Antwort gleich selbst: „Offensichtlich, weil sich verschiedene Stellen nicht ausreichend oder gar nicht ausgetauscht haben.“

Minister Reul initiiert Modellprojekt

Und weil das so war, hat der CDU-Politiker beim nordrhein-westfälischen Landeskriminalamt (LKA) eine Projektgruppe ins Leben gerufen. Die soll sich damit beschäftigen, wie potenzielle Täter frühzeitig erkannt und gestoppt werden können. Denn Münster sei nur ein Fall von vielen, sagt der Minister. Beispiele sind einfach zu finden: Beispielsweise der Mann, der im Oktober 2018 einen Molotow-Cocktail in das McDonalds-Restaurant im Kölner Hauptbahnhof warf und dann eine Geisel nahm, war psychisch krank und tablettenabhängig.

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Herbert Reul

„Da müssen wir auf alle Fälle ran und unseren Blick weiten“, betont Reul. Nicht nur bei sogenannten „Gefährdern“, etwa aus dem islamistischen Bereich, „sondern auch bei anderen Personen mit Risikopotential müssen wir die zuständigen Player an einen Tisch bringen, Informationen zusammentragen und die Gefahren bewerten“.

Oft Hinweise auf psychische Auffälligkeiten

Täterprofile bei Tötungsdelikten, Amoklagen oder Anschlagsereignissen jedenfalls zeigten in der Vergangenheit häufig „Hinweise auf psychische Auffälligkeiten“, heißt es im „Handlungs- und Prüffallkonzept zur Früherkennung von und dem Umgang mit Personen mit Risikopotenzial“, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Insbesondere bei Amoktaten sei bekannt, dass die „Täter regelmäßig Andeutungen zu ihren - zumeist langfristig geplanten - Taten machen oder Informationen bewusst oder unbewusst an verschiedenen Stellen streuen“.

Einige dieser Menschen seien zudem bei Routine-Einsätzen der Polizei aufgefallen oder hätten Anträge auf den Besitz eine Waffe gestellt. Andere wiederum seien als „Vielschreiber“ bekannt, die Behörden, Institutionen oder andere Adressaten etwa mit E-Mails eindecken, schreibt das LKA, das das Projekt in einer neu eingerichteten Zentralstelle koordiniert.

Auf der Suche nach Schnittstellen mit anderen Behörden

Die Ermittler prüfen unter anderem die rechtlichen Vorrausetzungen für die Zusammenarbeit mit anderen Behörden, etwa dem Gesundheitsamt. Sie sollen standardisierte Methoden und Abläufe erarbeiten, mit denen derartige Fälle zukünftig landesweit bearbeitet werden können. Und sie überlegen, ob es denkbare Schnittstellen mit einzelnen Behörden und externen Experten geben kann, um letztlich umfassende Fallanalysen zu erarbeiten.

Die Kreispolizeibehörden in Bielefeld, Münster und Kleve sind als Teil des Pilotprojektes zudem damit beauftragt, „reale Sachverhalte“ sowie „Gefahrenverdachtsfälle“ probeweise zu überprüfen. NRW-Minister Reul will das Projekt am Freitag bei der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern im Europa-Park in Rust (Ortenaukreis) vorstellen. 

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