KommentarKita-Schließung in Pulheim – Trägern droht nach Misswirtschaft keine Konsequenz

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Blick auf das Gelände der Kita Kleine Riesen.

Geschichte wiederholt sich. Ein gutes Jahr ist es her, dass Pulheim im Zusammenhang mit einer Kindertagesstätte Schlagzeilen machte...

Jörn Tüffers mit einem Kommentar zur Schließung der Kita Kleine Riesen in Pulheim: „Ausbaden müssen es die Kinder. Wieder einmal.“

Geschichte wiederholt sich. Ein gutes Jahr ist es her, dass Pulheim im Zusammenhang mit einer Kindertagesstätte Schlagzeilen machte. Damals verloren 129 Eltern von hier auf jetzt den Betreuungsplatz für ihr Kind. Das Landesjugendamt hatte dem Betreiber der Kita Waldwichtel, der Diakonie Michaelshoven, die Betriebserlaubnis entzogen.

In der Betreuungslandschaft ein beispielloser Vorgang. Gleichwohl einer mit Ansage. Nachdem der konfessionelle Träger die Einrichtung 2019 übernommen hatte, war es ihm nie gelungen, ausreichend Personal bereitzustellen.

Schon im Frühjahr 2021 hatten sich Eltern an die Öffentlichkeit gewandt, um auf die Missstände hinzuweisen. Scheinbar mit Erfolg. Versprach der erfahrene und mit dem Geschäft vertraute Träger doch, zum Sommer Abhilfe zu schaffen. Allein: Es wurde nicht besser – bis das Landesjugendamt der Diakonie Michaelshoven und den Waldwichteln den Stecker zog.

Hohe Belastungen für Erzieherinnen und Erzieher führen zu vielen Einschränkungen

Von dem Umstand, dass an allen Ecken und Enden Personal fehlt, sind die meisten Kitas in allen Städten des Kreises betroffen – und nichts deutet darauf hin, dass sich daran kurzfristig etwas ändert: Die Belastungen für die Erzieherinnen und Erzieher haben sich während und durch Corona noch verschärft, und trotz aller Bemühungen so mancher Träger, für diesen Job zu werben, bleibt das Interesse junger Leute überschaubar.

Die Folge: reduzierte Öffnungszeiten, mitunter öffnen Einrichtungen nur noch an vier statt fünf Tagen, immer wieder werden Gruppen gemischt, ihre zulässige Größe gemäß dem Betreuungsschlüssel ausgereizt.

Kita die Kleine Riesen schließt: 63 Kinder stehen auf der Straße

Wer geglaubt hat, er hätte im Kontext der Probleme in Kitas schon alles gehört, sah sich in dieser Woche getäuscht: Da wurde bekannt, dass der Träger der Kita Kleine Riesen, die Kleine Riesen Nord – im Mai den Betrieb in ihrer Pulheimer Einrichtung einstellt, da das gesamte Pädagoginnen-Team die Kita verlässt.

63 Mädchen und Jungen stehen auf der Straße. Offizielle Begründung: Dessen Integration sei nicht gelungen. Die Frauen hätten nicht in das „Unternehmenskonstrukt“ gepasst. Es sei nicht davon auszugehen, dass sich kurzfristig neues Personal finden lasse.

Was als Unternehmenssprecher-Geschwurbel daherkam, stellte sich nach weiterer Recherche differenzierter dar – und klarer. „Es hat von Anfang an Probleme gegeben“, sagt ein betroffener Vater. Es sei wiederholt vorgekommen, dass die Kinder nicht betreut worden seien. Das Wort „Notbetreuung“ sei Standard geworden. So werde sein Kind lediglich an zwei statt an vier Tagen in der Kita betreut, weil viele Mitarbeiterinnen krank seien.

Neuer Träger und angepasste Verträge – zum Wohl der Belegschaft?

Ein Faktor, der zu den unhaltbaren Zuständen beiträgt, ist offenbar ein Trägerwechsel. Die Kleine Riesen Nord ist Teil der Babilou Family Deutschland geworden. Die Verträge seien im Zuge der Integration „den rechtlichen Bestimmungen angepasst werden – auch vor dem Hintergrund, eine Vereinheitlichung der Verträge all unserer Kita-Marken zu schaffen“, sagt die Unternehmenssprecherin. Und dies ausschließlich zum Wohl der Belegschaft.

Warum diese dann den Kleinen Riesen geschlossen den Rücken kehrt, weiß nur sie – und ihr Arbeitgeber. Wobei bezweifelt werden darf, dass jemand wegen besserer Arbeitsbedingungen kündigt. Dass die Erzieherinnen schnell einen neuen Job finden werden, steht angesichts der vielen freien Stellen außer Frage.

Stadt springt in die Bresche, 23 Kinder bleiben jedoch übrig

Und so wiederholt sich auch diese Geschichte. Wie schon bei den Waldwichteln springt auch jetzt die Stadt in die Bresche, um zumindest einen großen Teil der Kinder in anderen Einrichtungen aufzunehmen. Von 40 ist die Rede. Bleiben 23 Mädchen und Jungen übrig. Auch sie und ihre Eltern benötigen schnellstmöglich Klarheit, wie es für sie wann und wo weitergeht.

Für private Kita-Träger, die ins Schlingern geraten, ist es komfortabel: Sie wissen, dass die Städte einspringen müssen. Konsequenzen für Misswirtschaft oder verfehlte Personalpolitik? Fehlanzeige! Ausbaden müssen es die Kinder. Wieder einmal.

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