Henneferin segelt zur Klimakonferenz„Revolutionen fangen immer klein an“

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Vorträge und Gespräche gehören zur Bildungsarbeit der Klima-Aktivistin Clara von Glasow (Mitte).

Vorträge und Gespräche gehören zur Bildungsarbeit der Klima-Aktivistin Clara von Glasow (Mitte).

  • Clara von Glasow nimmt seit 2017 an den Weltklimakonferenzen der Vereinten Nationen teil.
  • Dieses Jahr ist die angehende Juristin und Betriebswirtschaftlerin in Santiago de Chile dabei.
  • Annette Schroeder sprach mit der 25-Jährigen, die aus Hennef stammt.

Wie kommen Sie dazu, an den Weltklimakonferenzen teilzunehmen? Ich bin Mitglied der Klimadelegation, das ist ein Zusammenschluss von jungen Menschen zwischen 18 und 31 Jahren. Wir nehmen an den Weltklimakonferenzen als Beobachter teil, wollen aber erreichen, dass junge Leute in die Entscheidungen einbezogen werden. Einige Länder setzen das bereits um, Deutschland allerdings nicht.

Unsere Serie: „Prima Klima“

Müll vermeiden, regional einkaufen, weniger Fleisch essen, aufs Fliegen verzichten – viele kleine Schritte sind nötig, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu drosseln. In unserer Serie „Prima Klima“ stellen wir Menschen und Initiativen vor, die sich um einen nachhaltigen Lebensstil bemühen.

Welches Thema bewegt Sie persönlich?

Die Klimabildung. Das bedeutet zum Beispiel, dass ich Vorträge in Schulen und anderen Institutionen halte. Wichtig ist mir aber, vor Ort bei den Verhandlungen zu sein, um Druck auf die Regierungen auszuüben. An der Weltklimakonferenz habe ich erstmals 2017 in Bonn, 2018 dann in Kattowitz teilgenommen. Da war die Anreise mit Bus und Bahn relativ emissionsarm möglich. In diesem Jahr findet die Konferenz in Santiago de Chile statt. Deshalb steht für mich das Thema Flugreisen gerade im Mittelpunkt.

Wie reisen Sie nach Chile?

Ich werde mit dem hölzernen Dreimastschoner „Regina Maris“ segeln. Möglich ist das durch das Projekt „Sail to the COP“, das vier junge Niederländer gegründet haben, um Konferenzteilnehmern eine umweltschonende Reise zu ermöglichen. Ich habe mich dafür beworben, ausgewählt wurden 26 Teilnehmer. Für die Kosten von 2500 Euro habe ich eine Crowdfunding-Kampagne gestartet. Es geht los in Scheveningen, dann nach Casablanca, von dort aus über die Kapverdischen Inseln über den Atlantik nach Recife und dann nach Rio de Janeiro. Mit dem Bus fahren wir dann quer durch Brasilien bis Chile.

Wie lange wird die Reise dauern?

Inklusive Aufenthalt auf der Konferenz über zwei Monate. Wie ich dann wieder zurück komme, ist noch nicht klar, vielleicht nutze ich ein Yacht-Charterunternehmen oder notfalls ein Frachtschiff. Wobei ich letzteres vermeiden möchte, da auch diese Schiffe nicht gerade umweltschonend sind.

Sie verzichten also bei Ihren Reisen selbst konsequent aufs Flugzeug?

Ja, seitdem ich mich intensiv mit dem Thema Fliegen und Klima beschäftige. Früher bin ich schon geflogen, zum Beispiel nach Indien oder Namibia, wo ich als Freiwillige in einer NGO gearbeitet habe, oder für ein Auslandssemester nach Peru. Und schließlich 2017 auf die Fidschi-Inseln, im Rahmen eines Jugendaustauschs, der vom Bundesumweltministerium angestoßen wurde. Hier konnte ich selbst sehen, wie drastisch der Anstieg des Meeresspiegels und vermehrte Extremwetter-Ereignisse das Leben der Menschen verändert haben.

Was muss sich ändern?

Flug- und Schiffssektor sind auf nationaler, europäischer und globaler Ebene wiederholt aus Entscheidungen und Reglementierungen herausgefallen. Zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels ist es aber essenziell, dass die Branchen in die Pflicht genommen werden. Sie dürfen nicht mehr durch fehlende Besteuerung massiv subventioniert werden.

Was sagen Sie Menschen, die regelmäßig in den Urlaub fliegen?

Sie sollten sich überlegen, ob sie das gegenüber ihren Kindern und Enkeln noch verantworten können, und ob es Alternativen gibt, die einen ebenso erholsamen Urlaub versprechen.

Und was halten Sie davon, wenn man seine Flüge mit einer CO2 -Abgabe kompensiert?

Es ist kein echter Ausgleich für den Planeten. Es wird noch mehr ausgestoßen als CO2 , die Emissionen sind dann ja nicht weg, sie verschmutzen weiter die Atmosphäre. Für mich ist das moderner Ablasshandel. Und die Aufforstungsprojekte, die davon finanziert werden, können auch anders ermöglicht werden. Sie sind auch ohne zusätzliche Flüge bitter nötig.

Gab es für Sie ein Schlüsselerlebnis, das Sie motiviert hat, sich für den Klimaschutz einzusetzen?

Es gab nicht das eine Erlebnis. Wir haben in der Familie darüber geredet, sind viel Fahrrad gefahren und haben beim Bauern eingekauft. Ich habe als Kind viel Zeit mit Pferden verbracht. Diese Verbindung hat dazu geführt, dass es für mich nichts Abstraktes ist, wenn der Natur etwas angetan wird. Mit vier Jahren habe ich entschieden, dass ich kein Fleisch esse – damals, weil es mir nicht schmeckte und weil mir die Tiere leidtaten. Ich bin Vegetarierin geblieben. Inzwischen aus Klimaschutzgründen. Denn auch durch die industrielle Tierhaltung werden viele Treibhausgase ausgestoßen.

Hat der Einsatz als Freiwillige im globalen Süden Ihr klimapolitisches Verständnis besonders geprägt?

In Karnataka, Indien, habe ich sieben Monate bei einer Bauernfamilie in einer Art Garage mit Wellblechdach gelebt. Es gab eine Strohmatte auf dem Boden, nur kaltes Wasser und dreimal am Tag Reis. Dadurch wurde mir klar, wie wenig man zum Leben braucht und dass materieller Überfluss belastend sein kann. Danach bin ich minimalistischer geworden. Während meines Studiums hatte ich ein Zimmer in einer WG, mehr will ich jetzt auch nicht. Ich habe so wenig Zeug, dass es in das Auto meiner Eltern passt, plus Anhänger für die Matratze.

Schreiben Sie uns!

Der Klimaschutz wird heiß diskutiert. Bürgerinnen und Bürger sind gefragt, ihr Konsumverhalten zu ändern. Dabei helfen auch kleine Schritte. Die Redaktion möchte wissen: Was tun Sie konkret zu Hause und unterwegs, um Luft, Wasser und Erde weniger zu belasten? Haben Sie Ihren Lebensstil geändert? Und bedeutet das für Sie Verzicht, oder entdecken Sie eine eine neue Lebensqualität?

Bitte schreiben Sie uns per E-Mail. Wir sind gespannt auf Ihre Beiträge. (as)

redaktion.rhein-sieg@ksta-kr.de

Bekommen Sie nicht manchmal auch Lust, ein neues Kleid zu kaufen?

Wenn ich etwas brauche, kaufe ich Second Hand oder auf Flohmärkten ein. Zum Examensball würde mir meine Mutter gern ein passendes Kleid schenken. Das möchte ich aber gar nicht, wahrscheinlich werde ich mir ein Kleid ausleihen.

Wo stoßen Sie an Grenzen?

Ich lebe möglichst verpackungsfrei, aber plastikfrei und vegan ist schwer zu vereinbaren. Pflanzenmilch gibt es nur im Tetrapack. Klar kann man das selber herstellen, aber das ist ziemlich aufwendig. Ich lade mein Handy und mein Laptop ständig, weil ich viel online arbeite, und verbrauche auf diese Weise viel Energie. Und es gibt kein Klopapier, das nicht in Plastik eingepackt ist.

Was sagen Sie Menschen, die sich eine Veränderung zuerst von der Politik wünschen, bevor sie selbst handeln?

Für uns als Klimadelegation ist es auf jeden Fall konsequent, den Klimaschutz auf privater Ebene zu praktizieren. Große Umschwünge und Revolutionen haben immer mit einer kleinen Gruppe angefangen. Man muss sich klar machen, wie tief wir schon im Schlamassel drin stecken und dass schnell gehandelt werden muss, weil es sonst keine Zukunft mehr für uns gibt.

Wie groß schätzen Sie die Bedeutung von Fridays for Future ein?

Natürlich hilft die Aufmerksamkeit, die mit den Demonstrationen erzeugt wird, und ich bin selbst auch gerne Teil davon. Allmählich verlieren sie aber ihren Sensationswert, die Wirkung flacht ab. Wir als als Klimadelegation könnten eine Struktur bieten und die Verbindung zur politischen Ebene herstellen, an der wir durch unsere Präsenz auf den Konferenzen mitunter näher dran sind.

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