Die milliardenschweren Investitionen des Bundes kommen laut IHK-Umfrage unter den Unternehmen der Region nur teilweise an.
„Aufschwung wird vertagt“Konjunkturbericht für Bonn/Rhein-Sieg – Einzelhandel ist das Sorgenkind

Einzelhändler in Bonn und Rhein-Sieg erwarten kaum Verbesserungen der Wirtschaftslage. Der Einzelhandel ist das Sorgenkind der IHK. Hier ein leerstehendes Lokal in Siegburg.
Copyright: Quentin Bröhl
An dem Tag, als das Bundesfinanzministerium die konjunkturelle Lage in Deutschland mit dem Wort „gedämpft“ umschrieb und erklärte, kurzfristig sei „mit einer stärkeren Dynamik“ nicht zu rechnen, legte die Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg das Ergebnis ihrer Konjunkturumfrage für den Herbst vor – und die bestätigt die Einschätzung aus dem Hause Klingbeil: „Der Aufschwung wird vertagt“, sagte IHK-Präsident Stefan Hagen am Dienstag mit Blick auf das, was 340 Unternehmen in einer Umfrage der Kammer über ihre Lageeinschätzung geantwortet haben.
Danach sind die Firmenchefs weiterhin skeptisch, ob es trotz eines milliardenschweren Investitionsprogramms des Bundes gelingen wird, die lahmende Wirtschaft anzukurbeln. Hagen: „Wir bewegen uns im dritten Jahr in Folge nur seitwärts“, es gehe nicht nach oben.
Nur 15 Prozent der Unternehmen rechnen mit Verbesserung
Der Konjunkturklimaindex, mit dem die aktuelle geschäftliche Situation der Betriebe und ihre zukünftigen Erwartungen abgebildet werden, liegt bei 92 Punkten, und damit acht Zähler unter der sogenannten magischen Grenze von 100 Punkten. Was sich unter dieser Linie bewegt, nennen die Statistiker „schlecht“, was darüber springt „gut“. Im Sommer zeigte der Index noch 98 Punkte.
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Nur 15 Prozent der Unternehmen rechnen laut IHK kurzfristig mit einer Verbesserung der Lage. Denn die mit Schulden finanzierten Investitionspakete kämen nur bei wenigen Wirtschaftszweigen an, etwa im Bausektor oder in der Rüstung, bei der für die Region wichtigen Chemieindustrie oder im Maschinenbau aber nicht, kritisierte Hagen. Die Manager sähen „in Berlin zu viel Klein-Klein und Koalitionszank, aber nicht den großen Wurf“.
So ist die Lage in den einzelnen Wirtschafts-Branchen
So sieht es in den einzelnen Branchen aus (die Umfrage in der Gastronomie ist noch nicht ausgewertet):
Dienstleistung: Rund 90 Prozent der bei der Kammer gemeldeten Unternehmen arbeiten im Dienstleistungssektor, jahrelang der Wachstumsmotor in der Region, doch der ist ins Stottern geraten. Der Konjunkturklimaindex liegt mit 95 Punkten knapp unter dem Ergebnis des Sommers. Nur ein Viertel der Dienstleister will investieren, vorrangig in Ersatzbeschaffungen, nicht aber in Produktinnovationen. Die Rezession, sagt Michael Schmaus, der Konjunkturexperte der IHK, komme nun auch bei den Beschäftigten an, vielen Unternehmen fehle „die Kraft, eine noch längere Durststrecke durchzuhalten“.
Industrie: Hier ist der Klimaindex leicht gestiegen auf 97 Punkte. Grund: Bei den Firmen überwiegt das Prinzip Hoffnung – es werde schon besser werden, sagen sie, und gehen dabei von einem niedrigen Niveau aus. Die Auftragseingänge seien in jedem dritten Unternehmen rückläufig, gerade im Export. IHK-Hauptgeschäftsführer Hubertus Hille: „Es zeigt sich, dass der Standort durch die hohen Kosten und Belastungen nicht wettbewerbsfähig ist“. Die Betriebe setzten also auf die Inlandsnachfrage und wüssten dabei um das Risiko der hohen Energie- und Rohstoffpreise.
Einzelhandel ist das Sorgenkind der IHK in Rhein-Sieg
Einzelhandel: Er ist das Sorgenkind der IHK. Nach Corona lag der Geschäftsklimaindex infolge des großen Nachholbedarfs der Kunden beim Wareneinkauf bei 125 Punkten und hat sich inzwischen auf 68 Punkte fast halbiert. Hille: „Die Leute halten inzwischen ihr Geld zusammen“. 42 Prozent der Händler rechnen mit einer Verschlechterung, nur drei Prozent erwarten einen Aufschwung. Ein Drittel der Kaufleute will Personal abbauen, zwei Drittel klagen hingegen über Fachkräftemangel. Zudem senken viele Leiter von inhabergeführten Läden den Daumen, wenn sie nach der Erreichbarkeit der Innenstädte und die Konkurrenz aus dem Onlinehandel gefragt werden.
Information und Kommunikation: Der Index setzt seine Seitwärtsbewegung fort und hat sich bei 88 Punkten eingependelt. Was die Erwartungen angeht, hofft laut Kammer ein Teil der Betriebe von den Investitionen des Bundes in Infrastruktur und Digitalisierung profitieren zu können, sie sähen sich aber gleichzeitig durch Bürokratie gebremst.
Im Verkehr fehlen öffentliche Mittel für Verbesserung der Infrastruktur
Verkehr: Die Branche klagt vor allem über fehlende öffentliche Mittel für die Verbesserung der Infrastruktur in der Region, da geplante Baumaßnahmen wie die Sanierung des Tausendfüßlers oder der Nordbrücke auf die lange Bank geschoben worden sind. Ein weiteres Problem bei den Logistikern ist die Personalknappheit. Spediteure suchen händeringend Brummifahrer, Helfer und Arbeitnehmer ohne Berufsausbildung.
Hauptgeschäftsführer Hille sagt dazu, Investitionen in die Infrastruktur seien dringend nötig. „Wenn die Bundesregierung auf der einen Seite Sozialleistungen und Subventionen ausweitet und auf der anderen Seite die Finanzierung wichtiger Verkehrsprojekte öffentlich diskutiert werden muss, weil sie infrage steht, läuft etwas falsch“.
Deshalb hofft die Kammer, dass auch die Städte und Gemeinden nach der Kommunalwahl Impulse für den Stimmungsaufschwung setzen. In einem 9-Punkte-Programm, das an die Räte, die Bürgermeister und den Landrat geschickt worden ist, fordert sie unter anderem ein regionales Verkehrskonzept, interkommunale Gewerbegebiete, mehr Wohnraum, die Stärkung des Einzelhandels und Steuersenkungen.
Die neun Punkte sind zu finden unter www.ihk-bonn.de