Claudia Wieja war die erste grüne Bürgermeisterin der Stadt. Woran sie gerne zurückdenkt und was für sie eher enttäuschend war.
„Nicht jeder möchte Erklärungen hören“Claudia Wieja über ihre Zeit als erste Grüne Bürgermeisterin in Lohmar

Claudia Wieja verlässt ihr Büro im Lohmarer Rathaus nach fünf Jahren.
Copyright: Lilian von Storch
Im Abschiedsinterview spricht Lohmars scheidende Bürgermeisterin über Enttäuschungen und Freuden, Herausforderungen und Chancen der letzten fünf Jahre.
Die Stichwahl ist jetzt drei Wochen her – wie geht es Ihnen mit etwas Abstand?
Natürlich bin ich nach wie vor enttäuscht, ich hätte gerne nochmal für unsere Stadt weitergemacht. Jetzt geht es noch darum, in den nächsten zwei Wochen die Amtsgeschäfte gut zu übergeben.
Mit welchem Gefühl scheiden Sie aus Ihrem Amt?
Ich war immer gerne Bürgermeisterin und bin stolz auf das Erreichte. In Lohmar habe ich einige Pflöcke gesetzt, die auch in Zukunft mit mir verbunden bleiben. Die Arbeit habe ich immer mit voller Überzeugung für meine und unsere Stadt gemacht, und ich glaube, das haben die Menschen auch gemerkt. Die Rückmeldungen, die ich bekomme, zeigen, dass das auch wahrgenommen wurde und wird und dass es Menschen gibt, die es schade finden, dass ich bald nicht mehr im Amt bin.
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An welche Momente Ihrer Amtszeit denken Sie besonders gerne zurück?
So viele schöne Begegnungen mit Menschen - das macht diesen Beruf so besonders. Wenn man merkt, die Leute haben Vertrauen zu einem, kommen in die Bürgermeisterinnensprechstunde und haben die Hoffnung, dass man helfen kann. Wenn das dann auch funktioniert, man ein Netzwerk zum Laufen bringt und gute Lösungen findet. Und natürlich diese Highlights, so eine Schule wie die in Birk zu eröffnen, einige Spatenstiche – gerade in diesen Zeiten bin ich da schon sehr stolz drauf. Ich bin ja im Austausch mit Kollegen aus anderen Kommunen und bekomme mit, was dort passiert oder auch nicht passiert – da sind hier schon viele tolle Sachen entstanden, die bleiben werden.

Die Gemeinschaftsgrundschule Birk ist in Claudia Wiejas Amtszeit entstanden.
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Welche Erfahrungen waren enttäuschend oder unangenehm?
Ich habe an vielen Stellen versucht, Entscheidungen mit Videos, Gesprächen oder auch Bürgerinformation zu erklären, aber das möchte nicht jeder hören. Nehmen wir das Beispiel Pützerau, wo viele Bürgerinnen und Bürger nicht sehen, dass da vielleicht mehr Verkehr sein wird, aber die Verwaltung erklärt hat, dass es keinen anderen Standort gibt und wir Kindergartenplätze brauchen. Und dass da trotzdem – und hier spielen die sozialen Medien auch wieder eine zentrale Rolle – so gegen agitiert wird. Wenn man versucht, die Dinge zu erklären und transparent zu machen, das aber nicht ankommt, das ist schon enttäuschend. Und auch, dass das teilweise auch vom politischen Gegner, der es eigentlich besser wissen müsste, geschürt wird.
Auch ein Beispiel, die B484, wo die Straße neu gemacht und der Rad-/Gehweg verbreitert wird. Diese Entscheidung ist schon unter Herr Röger oder Herr Krybus gefallen. Ich habe dann gesagt, wir müssen das Thema mal angehen, auch weil es hier noch eine Absackung gab. Da gab es eine sehr unsachliche Argumentation, dass das Ganze ja nur wegen des breiten Radwegs gemacht würde. Ich konnte mir den Mund fusselig reden, dass dieser Ratsbeschluss damals einstimmig mit der CDU gefasst wurde, und trotzdem hat auch die CDU immer wieder dagegen argumentiert. Das ist einfach frustrierend. Man kann nicht immer sagen, ich lasse das jetzt liegen, und in fünf Jahren muss es jemand anderes machen. Ich bin liegengebliebene Dinge angegangen, habe dafür dann aber Kritik bekommen.
Warum glauben Sie, bringt solche Transparenz dann doch nicht so viel?
Ich bin schon davon überzeugt, dass es was bringt. Aber es gibt Leute, die sehen nur ihren eigenen Vor- oder Nachteil, den sie durch eine Entscheidung bekommen, und schauen nicht darüber hinaus. Das wird immer extremer. Es ist aber die Aufgabe eines Stadtrats und auch einer Bürgermeisterin, dennoch notwendige Entscheidungen zu treffen.
Wie haben Sie persönlich sich in den letzten fünf Jahren verändert?
Durch die 16 Jahre im Rat hatte ich schon viel Erfahrung, aber man lernt noch so vieles dazu. Was für mich zum Beispiel ein besonderer Erkenntnisgewinn war, war die Arbeit unserer freiwilligen Feuerwehr, als wir das Hochwasser hatten: Was das für eine Kameradschaft ist, für ein Vertrauen untereinander, das ist einfach Wahnsinn. Das erlebt man als Bürgermeisterin in Krisensituationen wie 2021 hautnah.
Insgesamt würde ich sagen, ich habe mein Naturell behalten, dass ich ehrlich bin, auf Leute zugehen kann, authentisch bin. Ich bin auch nach wie vor ein sehr optimistischer Mensch – auch wenn es mal frustrierende Momente gab, hat mich auch das am Ende gestärkt.

Neben ihren Vorgängern im Rathaus: Claudia Wieja war die erste Frau im Bürgermeisterinnen-Amt in Lohmar.
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Was wünschen Sie sich für Lohmar für die kommenden Jahre?
Dass vieles von dem, was ich auf den Weg gebracht habe, weitergeführt wird. Wir haben als größere Investition noch den siebten Bauabschnitt am Donrather Dreieck, was auch mit der Schulgemeinschaft besprochen ist. Was mich sehr freuen würde und nötig ist, ist der Neubau unseres Bauhofes. Den Kollegen ist schon länger vom Rat versprochen, dass sie endlich ein ordentliches Gebäude bekommen. Sowohl für Lohmar als auch die anderen Kommunen wünsche ich mir natürlich, dass weitere Katastrophen wie das Hochwasser oder Corona ausbleiben.
Was bereitet Ihnen Sorge beim Blick in die Zukunft?
Ich hoffe, dass das Thema Mobilität im Bewusstsein bleibt, genauso wie Klimaschutz und Klimaanpassung. Man kommt eigentlich nicht daran vorbei, dass PV auf die Dächer kommt, oder dass man schaut, wo man noch entsiegeln kann. Wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht, sieht man ja, dass man in diesen Bereichen etwas tun kann und muss.
Was denken Sie, war ausschlaggebend dafür, dass es mit der Wiederwahl nicht geklappt hat?
Ich mache mir darüber viele Gedanken. Es waren in absoluten Zahlen ungefähr 1000 Leute mehr, die mich im ersten Wahlgang gewählt haben, als in der Stichwahl. Ein Teil wird sich gedacht haben, die liegt ja vorne, wir müssen gar nicht zur Wahl gehen. Zwei Wochen sind von der Frist her natürlich auch immer sehr kurz. Dann gab es den AfD-Aufruf, mich nicht zu wählen, aber zur Wahl zu gehen. Vielleicht gab es auch Menschen, die gedacht haben, die hat ja keine Mehrheit mehr im Rat, dann brauchen wir sie deshalb nicht wählen. Letztlich weiß ich es nicht wirklich.
Sie waren die erste Bürgermeisterin in Lohmar. Gab es Momente, in denen Sie den Eindruck hatten, sich als Frau auf andere Weise behaupten zu müssen als ihre Vorgänger?
Weitestgehend nicht. Hier im Haus haben wir auch einige Amtsleiterinnen, und in der Stadtverwaltung sowieso mehr Frauen als Männer. Wir treffen uns ja auch einmal im Monat mit allen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern aus dem gesamten Rhein-Sieg-Kreis – da waren wir 4 Frauen von 19, jetzt sind es leider nur noch zwei. Da spielte das Geschlecht nie eine Rolle, aber auch die Partei kaum. Ich glaube aber, überhaupt Bürgermeisterin zu werden, ist als Frau schwieriger.
Was jedoch den Ton in sozialen Medien angeht, habe ich schon den Eindruck, dass es einen Unterschied macht, ob ich Mann oder Frau bin. Ich habe auch schon böse Briefe bekommen, die aber eher gegen meine Partei gingen als gegen mich als Frau. Ich glaube, die Mischung Grüne und Frau ist eine, die gerne angefeindet wird, weil das nicht in jedes Weltbild passt.
Wie geht es für Sie jetzt nach dem Ende Ihrer Amtszeit weiter?
Ich bin nicht mehr im Stadtrat, werde also politisch diesbezüglich nichts mehr machen. Ich habe ein paar Anfragen und Angebote bekommen, werde mir im November und Dezember aber erstmal Zeit nehmen und dann zum neuen Jahr schauen, was ich noch in welcher Funktion machen kann und werde. Ich bin immer zu aktiv gewesen, um jetzt gar nichts mehr zu machen, sei es in Vereinen oder politisch. Schon vor meiner Amtszeit hatte ich viele Kompetenzen und habe mir jetzt neue erarbeitet - wenn ich die noch für mich sinnstiftend irgendwo einsetzen kann, dann werde ich das gerne tun.

