Sankt Augustin – Draußen schien die Sonne, im Ratssaal ließ der CDU-Bundestagsabgeordnete Norbert Röttgen seine rund 100 Zuhörer frösteln. Putins Überfall auf die Ukraine bedeute nicht weniger als eine neue Zeitrechnung, sagte er. Das Modell Wohlstand ohne Wehrhaftigkeit funktioniere nicht mehr. Auch die Deutschen müssten sich warm anziehen, nicht nur bildlich, so der frühere Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, der beim Frühjahrsempfang der CDU Sankt Augustin auftrat.
Putin bekam 2001 Applaus im Bundestag
Röttgen hatte Putin einst applaudiert, wie viele andere, als dieser 2001 vor dem Deutschen Bundestag eine Rede hielt. „Es war richtig, ihm damals zu glauben“, sagte er in der Rückschau. Röttgen, der wie wenige andere hochrangige Politiker die Annexion der Krim 2014 scharf verurteilt hatte, warnt schon lange davor, den russischen Machthaber zu unterschätzen, der Oppositionelle unterdrücke und erschieße, der Menschenrechtsgruppen wie Mondial als „Terrororganisation“ verbiete, dessen System nicht reformierbar sei.
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Eine freie, demokratische Ukraine, so erfolgreich wie Polen und die baltischen Staaten, das stelle vor allem innenpolitisch für Putin eine Bedrohung dar. „Um die Nato geht es gar nicht“, glaubt Röttgen.
Nun müsse Deutschland, müsse Europa alles Machbare tun, um diesen Krieg zu beenden, „außer selbst Krieg zu frühen“. Sonst sei „Europa wieder ein gespaltener Kontinent“. Wer auf diplomatische Lösungen setze, an einen Waffenstillstand glaube, wiege sich in falschen Hoffnungen.
Der Krieg sei nur „innerhalb Russlands zu stoppen“, wenn der Westen Putin den Geldhahn zudrehe durch den sofortigen Stopp der Importe von Öl und schrittweise von Gas. Dafür sei unter Umständen notwendig, die Laufzeit der drei noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke zu verlängern, die derzeit noch zehn Prozent der deutschen Stromversorgung sicherstellten, sagte Röttgen auf Nachfrage aus dem Publikum.
„Wir müssen verhindern, dass sich Krieg als Mittel der Politik durchsetzt, sonst haben wir ein unfriedliches Jahrzehnt vor uns. Das würde auch unseren Wohlstand berühren.“ Wirtschaftliche Abhängigkeit bedeute Verwundbarkeit, das betreffe genauso die Beziehungen zu China. Die Europäer müssten mit der Schutzmacht USA mehr Macht, mehr Stärke aufbringen. Die CDU stehe auch in der Opposition in der Verantwortung.