Kommentar zum KoalitionsvertragDie Ampel muss erst beweisen, dass sie Krise kann

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Die Ampel-Koalition aus Grünen, SPD und FDP

Berlin – Wenn die Regierungszeit der Ampel die Verheißungen einlöst, die die Überschrift des Koalitionsvertrags verspricht, dann kommen vier gute Jahre auf das Land zu. „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“. Den drei Ampel-Parteien ist es gelungen, ihre Aufbruchstimmung und den Wunsch trotz großer Unterschiede zusammenzuhalten, bis zum Ende der Koalitionsverhandlungen zu tragen.

Corona wirft einen Schatten auf die Ampel

Wären da nicht die explodierenden Corona-Zahlen, gegen die SPD, Grüne und FDP in den vergangenen Wochen nicht entschlossen genug vorgegangen sind, wäre die Vorstellung dieses Koalitionsvertrags ein guter Augenblick, die Demokratie zu feiern: Am Ende des selbstbestimmten Endes der Ära Merkel findet sich eine neue Mehrheit zusammen, die trotz großer inhaltlicher Unterschiede vertrauensvoll und mit gegenseitigem Respekt die nächste Regierung verhandelt haben.

So aber liegt ein großer Schatten auf dem Start der Ampel. Während die Koalitionäre hinter verschlossenen Türen um die detaillierten Formulierungen ihrer politischen Vorhaben rangen, hat sich die Corona-Lage landauf landab dramatisch zugespitzt. Dass der künftige Kanzler Olaf Scholz nun mit Krisenstab, Impfkampagne und und einem gesunden Misstrauen gegen die bislang zu schwachen eigenen Maßnahmen nachgelegt hat, ist das Mindeste.

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Es ist der Ampel und es ist der Bevölkerung zu wünschen, dass die neue Regierung die außer Kontrolle geratene Corona-Lage bis zum Ende des Jahres in den Griff bekommt. Nur dann hat die Ampel die Chance, ihre hohen Ansprüche mit politischem Handeln zu erfüllen, die sich aus den Worten ihres Spitzenpersonals und aus dem Koalitionsvertrag ergeben. Es wird nicht die letzte Krise der künftigen Regierung sein.

Nach dem Thema Corona bringt der Koalitionsvertrag die Schlüsselwörter für die kommende Regierung in der Reihenfolge: Klimakrise, Staat modernisieren, innere Einheit vollenden. Das ist klug komponiert. Denn nach der Corona-Krise wird sich der Klimawandel mit Macht als größtes Problem der Menschheit zeigen. Und mehr als 30 Jahre nach dem Mauerfall drohen Ost und West sich voneinander zu entfernen. Angesichts mancher aktueller Debatten scheinen die Unterschiede in der Identifikation zwischen Ost und West größer zu sein, als die zwischen SPD, Grünen und FDP.

SPD zahlt einen Preis fürs Kanzleramt

Bei der Posten-Verteilung im Kabinett hat die SPD durchaus einen Preis für das Kanzleramt gezahlt. Mit den Ressorts Innen, Verteidigung und Gesundheit haben die Sozialdemokraten drei Ministerien übernommen, bei denen man normalerweise viel Reputation verlieren aber nur wenig gewinnen kann.

Die Liberalen tragen ihren wichtigsten Skalp aus diesen Koalitionsverhandlungen mit dem Finanzministerium nach Hause. Mit dem Verkehrsressort, in dem es immer viel zu verteilen gibt, dem Generalisten-Ministerium Justiz und Bildung sind sie zudem gut bedient. Den Grünen ist es gelungen mit Klima, Umwelt und Landwirtschaft die für ihre Klientel wichtigsten Ressorts für sich zu sichern. Sie müssen diese Felder auch besetzen, weil sie in den Koalitionsverhandlungen immer wieder bei diesen Themen allein auf weiter Flur gegenüber SPD und FDP standen.

Bei der Finanzierung ihrer vielen ehrgeizigen Projekte tricksen die neuen Koalitionäre. In diesem und im kommenden Jahr soll viel Geld in den Klimafonds geschoben werden, das dann abgerufen werden kann, wenn 2023 die Schuldenbremse wieder gilt. Zudem sollen wichtige Investitionen beim Bauen und im Verkehr über staatseigene Institutionen finanziert werden. Kann man so machen, muss man dann aber so gut gemacht werden, dass sich die Schulden irgendwann positiv rechnen.

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