Kommentar zum Corona-ManagementScholz startet das Manöver des letzten Augenblicks

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Olaf Scholz muss sich noch als Krisenmanager beweisen.

Berlin – Die Generalprobe fürs Kanzleramt ist bei Olaf Scholz schlecht gelaufen. Als Wahlsieger und designierter Kanzler hat er zwar geräuschlos und schnell eine schwierige Parteienkonstellation in einem Bündnis zusammengebunden. Die dramatische Entwicklung der vierten Welle hat er dabei aber sträflich aus den Augen verlorenen.

Nun hat sich der noch Vize-Kanzler und künftige Kanzler Wochen zu spät auf die Kommando-Brücke gestellt, um das Ruder herumzureißen. Es ist ein Manöver des letzten Augenblicks - wie man es in der Schifffahrt sagt, wenn kurz vor dem Crash eine Kollision doch noch vermieden oder deren Schäden so gering wie möglich gehalten werden sollen.

Jeden Tag sterben hunderte Menschen

Die Kollision mit der vierten Corona-Welle ist leider längst da. Längst sind die Intensivstationen vollgelaufen. Patientinnen und Patienten müssen durch die Bundeswehr verlegt werden. Jeden Tag sterben hunderte Menschen. Mit Omikron grassiert eine neue Mutation des Virus.

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Es hätte nicht so weit kommen müssen. Leider haben sowohl der geschäftsführenden Bundesregierung wie auch den Ampel-Parteien die Souveränität, die Kraft und der Mut gefehlt, ohne parteipolitischen Streit schlicht das Notwendige zu tun und mit der Bevölkerung klar zu kommunizieren. Und auch die Länder haben sich nicht mit Ruhm bekleckert. Bis Mitte vergangener Woche hatten sie alle Möglichkeiten der pandemischen Notlage zur Verfügung. Das Problem war nicht, dass die Länder zu viele der möglichen Maßnahmen angewendet haben. Im Gegenteil: Auch sie gingen zu spät und zu zaghaft vor.

Es fehlen verbindliche Festlegungen

Was seit dem Sommer fehlt, sind verbindliche Festlegungen, ab wann welche Maßnahmen greifen sollten. Weder bei den Inzidenzen noch bei der Krankenhausbelegung gibt es Obergrenzen, die Beschränkungen auslösen. Die müssen aber dringend her - in Abhängigkeit von der Impfquote. Es braucht einfach wieder bundesweite Leitlinien, die dann regional umgesetzt werden können. Die Ministerpräsidentenkonferenz an diesem Donnerstag wäre die richtige Veranstaltung, solche Leitlinien zu vereinbaren.

Zurück zu Scholz: Dem künftigen Kanzler wird in diesen Tagen zu Recht sein eigener Satz vorgehalten, wonach Führung bekomme, wer diese bei ihm bestelle. Im Oktober und November hat dieser Lieferservice jedenfalls nicht funktioniert. Nun hat sich Scholz mit klaren Ansagen auf der politischen Bühne zurückgemeldet: Impfpflicht, bundesweite Schutzmaßnahmen, ein Krisenstab, der die Arbeit aufnimmt. Die neue Bundesregierung wird in der kommenden Woche in Sachen-Pandemiebekämpfung dennoch erst einmal aus der Defensive starten.

Scholz hat sich zum zweiten Mal verkalkuliert

Scholz hat sich zum zweiten Mal in seiner politischen Laufbahn in einer Krisensituation schwer verkalkuliert. So wie er 2017 in Hamburg die Augen vor der Gefahr von Krawallen verschloss und seine Stadt als Erster Bürgermeister nicht schützen konnte, so hat er sich nach der Bundestagswahl in den Ampel-Tunnel begeben und es versäumt, seinen Beitrag für die Bekämpfung der vierten Welle zu leisten.

Um es noch einmal in der Sprache der Schifffahrt zu sagen: Scholz ist ein Kurshalter. Diese Eigenschaft bringt Vorteile mit sich: Verlässlichkeit, Klarheit, Zielgenauigkeit. Das Kurshalten birgt aber auch die Gefahr, aus Sturheit den Blick für das Notwendige zu verlieren - wie im Oktober und November beim Kampf gegen die Pandemie.

Scholz ist ein sehr erfahrener Politiker, der mit dem Kurzarbeitergeld in der Finanzkrise und seiner Bazooka für die Wirtschaft während der ersten Phase der Pandemie die richtigen Instrumente aus dem Hut zauberte. Dass er auch vorausschauend eine akute Krise managen kann, muss er noch unter Beweis stellen. Die Gelegenheiten dazu werden reichlich kommen.

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