Kommentar zu Lockdown-VerlängerungPlanung „Made in Germany“ ist zum Desaster geworden

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Merkel MPK 230321

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (v.l.n.r.), Kanzlerin Angela Merkel und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder 

Vergossene Milch bekommt man nicht mehr in die Kanne. Am besten wischt man sie schnell auf und wird aus Schaden klug. Wichtig ist, dass man es das nächste Mal besser macht. Dass in einer nie gekannten Pandemiekrise Dinge schieflaufen, ist klar. Nur, dass dieselben Fehler mehrfach gemacht werden, ist bitter. Denn die Menschen leiden von Mal zu Mal mehr. Was die Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel in der Nacht beschlossen haben, wird diesen Zustand noch verschlimmern.

Jetzt hauen Bund und Länder die Notbremse rein. Jetzt. Kurz vor Ostern. Wie im Dezember kurz vor Weihnachten. Damit wollen sie die Ausbreitung des Corona-Virus wieder verlangsamen, die sie zuvor mit Öffnungsschritten mit angetrieben haben.

Aber für die Bürgerinnen und Bürger ist das ein Schlag ins Kontor: Nicht nur, dass der aktuelle Lockdown bis zum 18. April verlängert wird, auch das Osterfest fällt, wie schon vor einem Jahr, aus. Keine Ausnahmen für Kontaktbeschränkungen und die Geschäfte bleiben vom 1. bis zum 5. April zu - ausgenommen der Lebensmitteleinzelhandel in engem Sinne. „Erweiterte Ruhetage“ nennen sie das.

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Glauben wir der Politik noch?

Dabei sollte Ostern doch neue Hoffnung aufkeimen. Merkel hatte monatelang gesagt, man müsse bis Ostern durchhalten. Nun heißt es, wenn wir Osterurlaub machen, fällt der Sommerurlaub flach. Das Problem der Politik ist jetzt: Glauben wir ihr noch? Fällt nicht sowieso alles ins Wasser, was wir erhofft hatten, auch wenn wir uns weiter anstrengen?

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Politik darf der Bevölkerung in einer Jahrhundertkrise einiges abverlangen. Die Menschen halten auch viel aus. Aber sie verlieren das Vertrauen, wenn Maßnahmen hilflos und ungerecht wirken. Was gewonnen wird, wenn nun alle vermehrt vor Ostern in die wenigen geöffneten Geschäfte rennen, bleibt das Geheimnis der MPK. Im vorigen Sommer verstrichen die Ferien und die Zeit der niedrigen Inzidenzwerte, ohne dass sich Bund und Länder für den harten Herbst gewappnet hätten. Dabei hatten Virologen unermüdlich gewarnt.

„Wellenbrecher“-Lockdown blieb erfolglos

Auslandsreisen waren aber kein Problem, überhaupt war der Urlaub der Deutschen das beherrschende Thema der damaligen Wochen. Schulen blieben unterdessen ohne Lüftungsanlagen. Im September stieg die Zahl der Neuinfektionen wieder. Die zweite Corona-Welle rollte an.

Der Lockdown im November sollte ein „Wellenbrecher“ werden, war aber so halbherzig, dass die Welle überschwappte und der Kurs ausgerechnet vor Weihnachten verschärft werden musste. Dabei wollten Kanzlerin und die Ministerpräsidenten genau das vermeiden. Von Ministerpräsidentenkonferenz zu Ministerpräsidentenkonferenz hörten wir, dass wir noch einige wenige Wochen durchhalten müssten. Mit der wärmeren Jahreszeit, höherer Impfquote und mehr Tests werde die Pandemie eingedämmt.

Fehlentscheidung am 3. März

Doch dann kam die MPK am 3. März. Man musste kein Wissenschaftler und keine Epidemiologin sein, um die Beschlüsse zu den Lockdown-Lockerungen als Gefahr für die nach vielen Monaten des Lockdowns so mühsam erzielten Erfolge zu begreifen. Der Inzidenzgrenzwert wurde auf 100 verdoppelt, erste Öffnungsschritte wurden beschlossen – im Wissen um die anrollende dritte Corona-Welle, die grassierende britische Variante und der ebenso schlechten Impfquote wie Testpraxis.

Merkel sagte: „Wir wussten, dass wir ein Risiko eingehen.“ Aber man habe sich ein „Instrumentarium“ zur Reaktion hingelegt. Das ist die Notbremse. Von einem Fehler spricht sie nicht. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat nach eigenen Angaben nicht einmal ein schlechtes Gewissen. Die Politik hatte die Kraft nicht mehr, den Öffnungsdruck auszuhalten. Und so ist zusammengefallen, was über Monate aufgebaut worden war. Anfang März war der 50er-Inzidenzwert greifbar nahe, nun liegt er bei über 100.

Absurd ist, dass Deutsche nach Mallorca fliegen können, aber auf gar keinen Fall im Inland Urlaub machen sollen. Noch ist die gefährlichste Virusmutation, die brasilianische Variante, in Deutschland nicht verbreitet. Aber auch das ist wahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit.

Es ist der Kanzlerin und den Länderregierungschefs zu glauben, dass sie alles dafür tun wollen, nun die dritte und gefährlichere Corona-Welle einzudämmen. Aber Planung „Made in Germany“ erscheint in dieser-Krise passé. Das ist mehr als vergossene Milch. Das ist ein Desaster.

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