Olaf, der ZögerlicheDas schädliche Nachdenken über Waffenlieferungen an die Ukraine

Lesezeit 3 Minuten
Olaf-Scholz-Zögern

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

Berlin – Der Bundeskanzler nimmt sich Zeit für die schwerwiegende Entscheidung über die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Zeit, die das von Russland barbarisch überfallene Land nicht hat. Wenn er nicht schnell handelt, schwächt er sowohl Kiew als auch seine Koalition.

Es ist eine bedenkliche Schuldzuweisung des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba. Putins Angriff auf sein Land hätte verhindert werden können, hätte Deutschland vorher nur Waffenlieferungen zugesichert, sagt Kuleba. Es klingt, als würde er Deutschland eine Mitschuld an dem Grauen geben, das Russland in der Ukraine jetzt anrichtet.

Nach dem diplomatischen Fauxpas, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Gegensatz zu vier osteuropäischen Staatsoberhäuptern in Kiew nicht willkommen zu heißen, ist das der nächste unkluge Vorwurf gegen Deutschland, das in den vergangenen Jahren mit Milliarden-Zahlungen der größte Geldgeber war - und es bleiben wird. Und der Ukraine unzweifelhaft helfen will.

Alles zum Thema Olaf Scholz

Im Krieg leidet auch die Diplomatie

In einem hat Kuleba aber völlig Recht: In Zeiten des Krieges wird das diplomatische Protokoll oft nicht mit der sonst üblichen Sorgfalt behandelt. Denn eine Regierung, die sich seit sieben Wochen gegen einen barbarischen russischen Überfall stemmt, kann im Überlebenskampf nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen und ihre Gefühle im Griff haben. Das sollten der gekränkte Bundespräsident, der zögerliche Bundeskanzler und der wutschäumende SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich verinnerlichen.

Vor den Augen der Welt werden ukrainische Zivilisten, Frauen, Kinder, alte Menschen auf der Flucht durch russische Raketen ermordet, Fahrradfahrer werden auf der Straße erschossen, geflüchtete Frauen berichten von Vergewaltigungen, Videokameras in Geschäften filmen Plünderungen von russischen Soldaten. Söhne, Väter, Ehemänner ziehen in den Kampf. Hunderttausende Mütter fliehen mit den Kindern ins Ausland. Dörfer werden plattgemacht, Städte eingekesselt, Wohnviertel zerschossen.

In einer solchen Situation ist es völlig nachvollziehbar, dass die Regierung von Präsident Wolodymyr Selenskyj vor allem anderen eines fordert: Waffen, schwere Waffen.

Schweres Gerät stärkte Kampfkraft und Moral

Und Kuleba spricht noch in einer anderen Hinsicht eine bittere Wahrheit aus: Während Scholz nach einem Konsens in der Koalition - vor allem aber in seiner SPD - sucht und nach internationaler Abstimmung strebt, werden in der Ukraine weiter Menschen getötet. Es wäre falsch zu behaupten, dass das Sterben aufhört, wenn deutsche Panzer geliefert werden. Aber die Ukrainer könnten sich besser verteidigen, schweres Gerät würde ihre Kampfkraft, ihre Durchhaltefähigkeit und ihre Moral stärken.

Olaf Scholz hat mit seiner „Zeitenwenden-Rede“ kurz nach Kriegsbeginn eine große Rede gehalten. Er wirkte entschlossen und stark. Und hat dann Abgeordnete der eigenen Partei, der eigenen Koalition und viele Menschen in Deutschland, aber vor allem in der Ukraine enttäuscht, weil er mit Worten eine Erwartungshaltung geschaffen hat, die er mit Taten nicht erfüllen konnte. Jedenfalls noch nicht.

Defensive vs. offensive Waffen

Die Unterscheidung zwischen defensiven Waffen - die liefert Deutschland - und offensiven, schweren Waffen - hier zögert Scholz - erscheint im Lichte der russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine müßig. Putin dürfte jederzeit auch jede - defensive - Panzerfaust als Angriffswaffe definieren wollen. Und umgekehrt kann Selenskyj einen - offensiven - Panzer zur Defensivwaffe erklären, weil sein Land überfallen wird und er sich verteidigt - und Russland nicht angegriffen hat.

Vor allem aber muss Scholz schnell handeln. So weitreichend und gefährlich Entscheidungen über Waffenlieferungen auch sind. Oder er muss eine bessere Idee präsentieren. Eine, die Friedensverhandlungen ermöglichen kann. Denn zur Führung, die er für sich reklamiert, gehört eben zu führen. Voranzugehen, den Menschen Sicherheit zu geben, die Koalition zu beruhigen. Das lässt der Bundeskanzler derzeit schmerzlich vermissen.

KStA abonnieren