Experte im Interview„Digitale Bildung in Deutschland gleicht einem Flickenteppich“

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Bitkom-Experte Daniel Breitinger: „Digitale Bildung darf keine Ausnahme mehr sein.“

  • Daniel Breitinger ist beim Digitalverband Bitkom Referent für bildungspolitische Themen.
  • Im Interview spricht er über die Frage was in der Schulpolitik schief läuft und welche Fähigkeiten in der Digitalwirtschaft künftig besonders gefragt sein werden.

Herr Breitinger, der Bitkom vertritt mehr als 2700 Unternehmen der digitalen Wirtschaft. Wie sehr wünschen sich diese, dass digitale Bildung in Deutschland auf einem hohen Level ist? Das wünschen wir uns natürlich sehr. In der Schule wird der Grundstein gelegt für das spätere Berufsleben. Wenn Schülerinnen und Schüler bereits mit digitalen Kompetenzen in der Schule ausgestattet werden, ist das für das Berufsleben ein wichtiger Faktor.

Was läuft aktuell schief bei digitaler Bildung in der Schule?

Digitale Bildung scheitert aktuell häufig noch, weil eine leistungsfähige Infrastruktur fehlt. Wir haben zwar den Digitalpakt Schule, aber die Mittel daraus fließen nur schwerlich ab.

Zu Person & Verband

Daniel Breitinger ist beim Digitalverband Bitkom Referent für bildungspolitische Themen, wie etwa die Digitalisierung von schulischer Bildung sowie Aus- und Weiterbildung. In Passau, Pavia (Italien) und Berlin studierte er Europa- und Politikwissenschaften und sammelte erste berufliche Erfahrungen im Deutschen Bundestag sowie in der Automobilindustrie.

Der Bitkom ist ein Interessenverband von mehr als 2700 deutschen Unternehmen der digitalen Wirtschaft, vom Mittelständler über Start-ups bis zu den großen globalen Akteuren.

Was muss sich hier ändern?

Der Digitalpakt Schule muss entbürokratisiert werden, damit die Mittel schnell an den Schulen ankommen. Er bestand ursprünglich aus fünf Milliarden Euro, im Rahmen der Corona-Pandemie kamen weitere 1,5 Milliarden Euro für Soforthilfemaßnahmen hinzu. Diese zusätzlichen Gelder sind viel schneller abgeflossen, weil die bürokratischen Hürden geringer waren.

Wo gibt es sonst noch Luft nach oben?

Wir brauchen mehr Bildungsangebote für Lehrerinnen und Lehrer, damit diese mit neuen digitalen Medien und Werkzeugen umgehen, sie in den Unterricht einbringen und erklären können. Ein dritter Punkt sind pädagogische Konzepte, die helfen, digitale Technologien gewinnbringend in den Unterricht einzubringen.

Kann Software Lehrkräfte künftig ersetzen? Hören Sie die Antwort im Podcast „Schul-Check“:

Muss Schulpolitik an sich reformiert werden oder ist sie gut aufgestellt?

Gerade jetzt in der Corona-Pandemie merken wir, dass die digitale Bildung in Deutschland einem Flickenteppich gleicht. Ich habe das Gefühl, dass Digitalisierung an föderalem Klein-Klein scheitert. Deshalb fordern wir einen gemeinsamen Ansatz von Bund, Ländern und Schulträgern, zudem braucht der Bund dringend mehr Kompetenzen. In einer Föderalismusreform 3.0 sollten einheitliche digitale Lösungen erarbeitet und Mindeststandards geschaffen werden.

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Welche Kompetenzen sollten aus den Ländern abgezogen werden?

Der Bund braucht mehr Kompetenzen bei der Koordinierung und Umsetzung vor Ort, auch mit Blick auf den Digitalpakt Schule. Natürlich ist klar, dass der Heimat- und Sachunterricht in Bayern anders strukturiert ist als in Schleswig-Holstein. Das braucht sich auch nicht zu ändern. Aber wir brauchen eine Standardisierung des Digitalen, denn der Digitalisierung sind Ländergrenzen egal. Entsprechend könnte man darüber nachdenken, bei der Ausbildung von Lehrkräften bundesweit im Curriculum des Lehramtsstudiums die gleichen Kompetenzfelder für Medien und Digitalisierung einzuführen.

Welche Fähigkeiten sind in der digitalen Wirtschaft künftig besonders gefragt?

Arbeit digitalisiert sich in allen Unternehmen, und das bringt neue Herausforderungen mit sich. Es gibt digitale Grundfähigkeiten, die jeder beherrschen sollte. Datenkompetenz zum Beispiel, also die Fähigkeit, Daten zu sammeln, sie kritisch zu bewerten und mit ihnen zu arbeiten. Aber auch kollaboratives Arbeiten und digitales Lernen sind zunehmend gefragt.

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Besonders im IT-Bereich sind technologische Fähigkeiten gefragt, zum Beispiel bei Webentwicklung und Künstlicher Intelligenz. Fernab dieser Hard Skills sind Soft Skills in Zukunft zunehmend wichtig. Man muss Lust haben, sich auf Veränderung und Neues einzulassen, man braucht Kreativität und Durchhaltevermögen und einen eigenen Antrieb für lebenslanges Lernen.

Der Bitkom hat ein Recht auf digitale Bildung gefordert. Was heißt das: Muss ins Grundgesetz geschrieben werden, dass jedes Kind am Computer lernen darf?

Vielleicht nicht ins Grundgesetz, aber in die Schulgesetze der Länder. Wir müssen auf jeden Fall dafür sorgen, dass digitale Bildung keine Ausnahme mehr ist. Digitale Bildung ist aber mehr als am Laptop oder Tablet zu arbeiten. Man kann Räume in Schulen schaffen, in denen Schülerinnen und Schüler ihrer Kreativität freien Lauf lassen können, in denen sie Podcasts aufnehmen oder Videoschnitt üben können.

In der Diskussion um Schule während der Corona-Pandemie ist häufig die Rede davon, dass Kinder, die Schulstoff verpasst haben und von zuhause lernen mussten, einen Nachteil gegenüber anderen haben werden. Glauben Sie das auch?

Nein, ich sehe keinen Malus, sondern sehe sogar positive Seiten: Die Schülerinnen und Schüler lernen jetzt, kollaborativ zu arbeiten, wie es ist, sich im digitalen Raum zu bewegen, und werden ständig vor neue Herausforderungen gestellt. Das sind Soft Skills, die künftig gefragt sind: Wie gehe ich kreativ mit Problemen um, wie erfasse ich sie und wie kann ich sie gemeinsam mit anderen bewältigen.

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