Nach dem 1:2 des 1. FC Köln im Heimspiel gegen Stuttgart entbrennt eine Debatte über den Eingriff des Video-Assistenten – und über das Verhalten der VfB-Bank – Sportchef Thomas Kessler zürnt
Ärger über Elfmeter bei FC-NiederlageDer doppelte Videobeweis

Marvin Schwäbe kassierte gegen den VfB Stuttgart zwei unglückliche Gegentreffer.
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Thomas Kessler nahm sich alle Zeit, die Szene aus der 23. Spielminute zu analysieren. Womöglich aus Solidarität zu Marvin Schwäbe, schließlich blickt Kessler auf eine lange Laufbahn als Torhüter zurück. Vielleicht wollte der Sportdirektor des 1. FC Köln dem 1:2 gegen den VfB Stuttgart aber auch einfach nur eine Erzählung geben, die ohne Vorwürfe an die eigene Mannschaft auskam. Und so sprach Kessler ausführlich über die Umstände, die zum Elfmeter für die Gäste geführt hatte, der den Ausgleich und damit den Kipppunkt des Spiels bedeutet hatte.
Denn nach Ansicht des Sportchefs hatte es einen Videobeweis vor dem Videobeweis gegeben. Nach einem Rückpass von rechts hatte Schwäbe den Ball mit dem ersten Kontakt vorlegt und darüber so viel Zeit verloren, dass ihm Ermedin Demirovic gefährlich nahe gekommen war. Der Stürmer hatte einen Fuß an den Ball gebracht und drohte, dem Kölner Keeper zu entkommen. Schwäbe traf den bosnischen Nationalspieler darauf an der Achillessehne. Demirovic lief weiter, etwas unrund vielleicht, aber stabil. Und rauschte in FC-Verteidiger Timo Hübers hinein. Beide Spieler blieben liegen, die Ärzte liefen herbei. Doch der Zusammenprall war ohne größere Folgen geblieben.
Dachten jedenfalls die 50.000 im Stadion. Die Stuttgarter Bank hatte allerdings auf den eigenen Endgeräten den Kontakt im Strafraum erkannt und forderte nun vehement, die Situation überprüfen zu lassen. Die Schwaben seien dabei mit solcher Penetranz vorgegangen, dass sich der Videoassistent eingeschaltet habe. Diese Kausalität stellte jedenfalls Kessler her. „Der Kölner Keller wurde kurzerhand von Deutz auf die Stuttgarter Ersatzbank verlegt“, frotzelte der 39-Jährige: „Als der VfB die Zeit hatte, auf das iPad zu gucken, hat einer in der Zeitlupe wohl gesehen: Da war doch was. Es gab einen Riesen-Tumult, und dann wurde nachgefragt, was passiert sei.“
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Tatsächlich wurde Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck erst mit Verzögerung an den Monitor geschickt. Dort erkannte er im Standbild den Kontakt, und obgleich nicht jeder Kontakt im Strafraum ein Foul ist, entschied der Referee nach sehr viel Zögern auf Strafstoß.
Der Schiedsrichter ist die ärmste Sau in dieser Situation
Demirovic war nach dem Kontakt weitergelaufen – das wiederum hatte den Schiedsrichter in ein Dilemma gestürzt: Sollte er den Stürmer dafür bestrafen, dass er sich nicht hatte fallen lassen? Die Entscheidung sei letztlich nachvollziehbar gewesen, sagte Kessler, der Jöllenbeck aus der Verantwortung nahm: „Der Schiedsrichter ist die ärmste Sau in dieser Situation.“
Stuttgarts Trainer Sebastian Hoeneß räumte ein, dass seine Bank vernehmbar Klage geführt hatte. Er sehe es aber als „unsere Aufgabe an, wenn wir Fernsehbilder sehen, die aus unserer Sicht klar sind, darauf einzuwirken“, befand er. Den direkten Zusammenhang zwischen Beschwerde und Überprüfung wollte er jedoch nicht herstellen. „Das muss nicht ursächlich dafür sein, dass es den Elfmeter gab. Ich sehe darin nichts Besonderes.“

FC-Sportdirektor Thomas Kessler und der neue Präsident Jörn Stobbe
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Lukas Kwasniok nahm das Thema nur grundsätzlich auf. „Ich war kein Freund des VAR, ich bin kein Freund und werde nie ein Freund davon sein“, merkte der Trainer nach der ersten Kölner Heimniederlage der neuen Saison an. Kein Wort zum Gegner also.
Dabei hatte die Partie so aussichtsreich begonnen. Doch trotz Kaminskis früher Führung (4.) war das Spiel schon bald merklich in Richtung der Gäste gekippt, mit dem verwandelten Strafstoß hatte man das dann auch auf der Anzeigetafel lesen können.
Kwasniok ging offen damit um, dass er mit dem Auftritt seiner Mannschaft nicht vollständig einverstanden gewesen war. „Unser Spiel mit dem Ball war auch schon vor dem Elfmeter holprig, insofern war es nicht ganz so verwunderlich, dass aus so einer Situation entstanden ist. Der Rückpass war einfach nicht scharf genug“, beschrieb er. Sebastian Sebulonsen hatte den Ball unsauber getroffen, Schwäbe spontan nichts Rechtes damit anzufangen gewusst, wenngleich die Szene lösbar gewesen wäre. „Ich hätte den Ball einfach direkt schlagen müssen. Aber ich wollte das Spiel wieder flach eröffnen, um hinten rauszuspielen. Das war in dem Moment die falsche Entscheidung“, sagte der Torwart.
Im Vergleich zum 4:1 im Heimspiel gegen Freiburg, als Köln nach der Führung das Tempo hochgehalten und zu Beginn der zweiten Halbzeit mit zwei schnellen Toren für die Entscheidung gesorgt hatte, stockte das Spiel des Aufsteigers am Sonntag. „Unsere Ballstafette wirkten sehr abgehackt“, beschrieb Kwasniok. Es war ein Rückschritt, auch gegenüber der zweiten Halbzeit beim 1:3 in Leipzig eine Woche zuvor.
Vor der Partie hatte der Coach über seinen Startelf-Debütanten Ragnar Ache gesagt, dass der kopfballstarke Stürmer seiner Mannschaft die Option bieten werde, „Exit-Bälle“ zu spielen, lange Schläge also, sollte sich unter Druck einmal kein anderer Ausweg bieten. Doch aus dem letzten Ausweg wurde eine Dauerlösung. Köln spielte einen hohen Ball nach dem anderen auf Ache, der zwar seine bemerkenswerte Qualität im Luftkampf bewies. Jedoch darunter litt, dass seine Kollegen kaum nachrückten, um zweite Bälle zu sichern. So gingen die meisten Bälle schnell verloren, kam kaum Spielfluss auf.
Partie auf taktisch hohem Niveau
Taktisch blieb die Partie bis in die Schlussphase auf hohem Niveau, Kwasniok probierte vieles, die Partie blieb offen, Köln wurde spielerisch gegen Ende stärker und hatte durch den erneut eingewechselten Said El Mala gute Gelegenheiten. Doch Vagnoman nutzte die Chance, die ihm Stiller per Traumpass bot und die ihm Tom Krauß wegen eines Stellungsfehlers nicht nahm. So verlor der FC eine offene Partie. Hoeneß sprach von einem „Lucky Punch. Es war eher ein Unentschieden-Spiel“.
Kwasniok blickte weniger auf das Resultat als auf das Spiel seiner Mannschaft. „Wir wollen uns verbessern, damit wir eine Mannschaft wie den VfB Stuttgart auch fußballerisch herausfordern können“, sagte er und schloss: „Daran arbeiten wir.“