Bayer-Zugang Mitchel BakkerEndlich eine Dauerlösung für hinten links?

Lesezeit 4 Minuten
8C4E6826-D810-406B-BFCF-02C8E71AAA88

Verbissen im Zweikampf: Mitchel Bakker (r.) gegen Gladbachs Jonas Hofmann

Leverkusen – Die frohe Kunde bekam Mitchel Bakker am Dienstagmittag nach dem Training von Reportern überbracht. „Es ist jetzt doch mein Tor? Wirklich?“, fragte Bayer 04 Leverkusens Linksverteidiger etwas überrascht. „Dann bin ich natürlich noch glücklicher. Ich habe ja auch gejubelt, als wäre es mein Tor“, sagte Bakker grinsend. Gemeint war sein wegweisender Schuss beim Spiel gegen Borussia Mönchengladbach in der dritten Minute, einer für das gesamte Duell beispielhaften Szene. Der Versuch des Niederländers war vom rechten Innenpfosten ans Bein des überraschten Torhüters Yann Sommer geprallt und anschließend über die Linie gekullert.

Fortan gelang Bayer 04 alles und  Gladbach ereilte sämtliches Fußball-Pech, am Ende stand ein beeindruckendes 4:0 – mit dem nachträglich von der Liga zum Torschützen gekürten Protagonisten Bakker, im positiven wie negativen Sinne. Der Zugang von Paris Saint-Germain hatte für die Führung gesorgt, das 3:0 von Moussa Diaby wunderbar vorbereitet und per Grätsche Gladbachs Stefan Lainer aus der Partie und ins Krankenhaus befördert – der Österreicher erlitt kurz vor der Pause nach einem Foul Bakkers einen Knöchelbruch. „Ich habe ihm eine Whatsapp-Nachricht geschickt, noch habe ich keine Antwort bekommen“, berichtete der Linksverteidiger.

Das könnte Sie auch interessieren:

Das Spiel bot die gesamte Bandbreite von Bakkers Fähigkeiten und Baustellen: Viel Tempo, enorme Physis, Torgefahr und  taktische Defizite. Doch darf Bayer 04 hoffen, im Junioren-Nationalspieler  wieder eine Langfrist-Lösung für den Job hinten links gefunden zu haben.

Die Position ist eine Dauer-Baustelle beim Werksklub. Geeignete Linksverteidiger-Kandidaten sind rar gesät, Weltklasse-Profis gibt es nur eine Handvoll. Auch eine Kategorie darunter – also im Leverkusener Beuteschema – sind Außenverteidiger mit einem starken linken Fuß heiß begehrt. Sieben Jahre lang war bei Bayer 04 Wendell dort Platzhirsch und gleichzeitig Notlösung. 250 Pflichtspiel-Einsätze absolvierte er und avancierte zu Leverkusens Rekord-Brasilianer. Die Zahl scheint überraschend, weil Wendell nur unregelmäßig gehobenes Bundesliga-Niveau präsentierte, sich aber regelmäßig schlimme Ausrutscher leistete, was durchaus wörtlich zu nehmen ist – Wendells Wegrutschen in prekären Situationen war ein ungewolltes Markenzeichen.

Bakker mit Vertrag bis 2025

So sagen die 250 Einsätze aus, dass Bayer 04 viele Jahre vergeblich einen geeigneteren Kandidaten gesucht hat. Und, dass Wendell – im Gegensatz zu seinen brasilianischen Vorgängern Lucio, Emerson oder Zé Roberto – der Sprung aus Leverkusen aufs ganz große Fußball-Parkett nicht gelang. Vor seinem Wechsel in diesem Sommer nach Porto sah Wendell illustre Linksverteidiger-Konkurrenten kommen und teilweise wieder gehen: Konstantinos Stafylidis, Sebastian Boenisch, Daley Sinkgraven und diverse Innenverteidiger, die wiederholt außen aushelfen mussten. In Mitchel Bakker hofft Bayer 04 nun, die gewünschte Stabilität und Balance gefunden zu haben.

Nur sieben Millionen Euro Ablöse kostete der frühere Jugendspieler von Ajax Amsterdam, der in Leverkusen einen Vertrag – ausgehandelt vom mächtigen Berater Mino Raiola – bis 2025 unterschrieben hat. Erhalten hat der Werksklub dafür ein lernwilliges Kraftpaket. „Er hatte großen Einfluss auf das Resultat, das ist positiv. Das zeugt von seiner Power und Entschlossenheit. Und diese Eigenschaften brauchen wir über die Außen“, sagte Trainer Gerardo Seoane. „Manchmal macht er im Stellungsspiel noch ein paar Fehler, wie vor dem Foul gegen Lainer. Da ist Palacios bereits zum Doppeln gekommen, Mitchel muss da das Tempo von Lainer früher aufnehmen. Da muss er noch dazulernen.“

Noch Luft nach oben

Auch das neue Land ist eine Umstellung, nicht nur wegen des Umzugs aus Paris nach Nordrhein-Westfalen. Bei PSG war Bakker gegen tief stehende und unterlegene Gegner Teil einer Ballbesitz-Maschine. In der ausgeglicheneren Bundesliga und im System von Seoane muss der Niederländer deutlich mehr gegen den Ball arbeiten und auf sein Stellungsspiel achten – wobei er noch Luft nach oben hat. „Aber es ist ja verständlich: Ein Spieler, der so viel Power hat, will auch seine Situationen mit dieser Power und Geschwindigkeit lösen“, so Seoane. Bakker wird lernen müssen, sich bei der Problemlösung nicht mehr nur auf seine Physis zu verlassen, sondern vermehrt seinen Kopf einzusetzen. Dann dürfte Bayer 04 viel Freude am neuen Mann hinten links haben.

KStA abonnieren