„Messi ist ein Sechser im Lotto“Weltenbummler Pfannenstiel erobert die MLS

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Lutz Pfannenstiel, Sportdirektor bei MLS-Klub St. Louis City SC

Lutz Pfannenstiel, Sportdirektor bei MLS-Klub St. Louis City SC

Lutz Pfannenstiel ist der Fußball-Weltenbummler. Derzeit erobert er mit seinem Klub St. Louis City SC die MLS.

Die USA sind endgültig dem Soccer-Fieber erlegen. Der Grund dafür hat einen Namen: Lionel Messi. Der 36 Jahre alte argentinische Fußball-Weltmeister-Kapitän ist durch seinen Wechsel zu Inter Miami in die Riege der fünf bestbezahlten Profisportler in Amerika aufgestiegen. Und der Superstar liefert. Fünf Tore erzielte Messi in seinen ersten drei Spielen für den neuen Klub. Das ist selbst für das Land der Heldengeschichten und unbegrenzten Möglichkeiten außergewöhnlich.

Einer, der die Entwicklung der Major League Soccer aktiv mitgestaltet, ist Lutz Pfannenstiel. Der deutsche Weltenbummler ist Sportdirektor beim St. Louis City SC. Er sagt im Gespräch mit dieser Redaktion: „Lionel Messi ist für die Liga und im Hinblick auf die WM 2026 ein absoluter Sechser im Lotto. Die Attraktivität für Zuschauer, Sponsoren und Nachwuchsfußballer steigt durch diesen Transfer enorm.“

Pfannenstiel nahm 2020 den Job am Mississippi an, dabei gab es den Klub zu dieser Zeit nur auf dem Papier, ohne Logo, ohne Vereinsfarben, nur mit einer Vision – und der Zusage durch eine Expansionslizenz in mittelfristiger Zukunft in der besten US-Fußballliga mitspielen zu dürfen.

Gremium aus Dietmar Hopps

St. Louis City SC ist ein Projekt von Superreichen in einer Arbeiterstadt. Der Verein gehört einem Konsortium, das in der Wirtschaft von St. Louis und dem Bundesstaat Missouri tief verwurzelt ist – ein Gremium aus mehreren Dietmar Hopps sozusagen. Geführt wird der Klub von Carolyn Kindle Betz, Enkelin von Jack Taylor, der durch die Gründung der Firma Enterprise Holdings, zu der mehrere Auto-Vermietungen gehören, Milliardär geworden ist.

Kindle Betz stoß bei der Suche nach einem Sportdirektor auf Pfannenstiel, der den Klub dann innerhalb von drei Jahren vom Nullpunkt aufbaute. Er holte Trainer, Scouts, Spieler für Jugend- und Profimannschaften, war Teil der Planungen einer Infrastruktur. „Wir haben das modernste Fußballstadion und das beste Trainingsgelände in den ganzen USA. Die Jugendakademie ist unter den Top-5 im Land“, sagt der 50-Jährige – nicht ganz ohne Stolz in der Stimme. „Wir könnten mehr Geld ausgeben, aber wir handeln konservativ. St. Louis ist eine Art Ruhrgebiet in den USA, hier geht es um Bodenständigkeit und harte Arbeit. Das ist uns wichtig, das wollen wir als Verein abbilden, das sollen auch unsere Werte sein. Das zeigt sich auch dem Platz: Wir spielen die Mannschaften nicht aus dem Stadion, wir kämpfen sie aus dem Stadion.“

Das US-Abenteuer passt jedenfalls perfekt in die Vita des gebürtigen Niederbayern. Als aktiver Torhüter war er der weltweit erste Fußballspieler, der in jedem der sechs anerkannten Kontinentalverbände einem professionellen Fußballverein angehörte. Nach seiner Tätigkeit als Sportvorstand bei Fortuna Düsseldorf von 2018 bis 2020 wollte er unbedingt wieder außerhalb von Deutschland arbeiten.

„Der Europäer unterschätzt die MLS“, sagt Pfannenstiel. „Viele denken immer noch, das ist doch diese Rentnerliga, in der ein bisschen zum Spaß gekickt wird. Aber: Diese Liga ist im vergangenen Jahrzehnt viel besser geworden.“ Als Beleg dient: Bei der WM 2022 in Katar war die amerikanische Liga nach den europäischen Top-5-Ligen, die Liga mit den meisten Profi-Abstellungen. „Die MLS entwickelt sich vom Budget und Niveau zur absoluten Spitzenliga außerhalb Europas“, betont Pfannenstiel. 

Tabellenführer der Western Conference

Am 26. Februar 2023 feierte St. Louis City sein Debüt in der MLS, nach 26 von 38 Spieltagen ist der Klub Tabellenführer der Western Conference. „Wir haben bisher ordentlich Punkte geholt und sind immer noch Erster – das gab es in der MLS so noch nicht von einer neuen Mannschaft. Für den Außenstehenden haben wir bisher overperformed, das darf aber keine Eintagsfliege sein, alles muss organisch wachsen und eine stabile Basis werden“, erklärt Pfannenstiel. „Unser Plan war, in unserem ersten Jahr jedem Team einen heißen Tanz zu liefern und wettbewerbsfähig zu sein. Wir haben uns keine Platzierung als Ziel gesetzt. Ab 2025 wollen wir dann eine Truppe sein, bei der alle sagen: St. Louis ist so gut, die kommen immer in die Play-offs.“

Play-offs? Ja, für den Europäer ist diese Form der Meisterschaftsentscheidung im Fußball kaum vorstellbar, in Nordamerika ist sie in allen Sportarten Pflicht. Das ist auch für Pfannenstiel eine große Umstellung. „Mein deutscher Kopf sagt natürlich, wenn wir am Ende der regulären Saison immer noch in diesem Bereich stehen, haben wir eine überragende Saison gespielt“, sagt der Sportdirektor, „aber in den USA ist es eben so, dass du dir dafür nichts kaufen kannst, denn es kommen dann ja noch die Play-offs. Und in der Eastern Conference sind schon ein paar sehr starke Teams unterwegs“.

Jetzt könnte man meinen, eines dieser starken Ost-Teams ist Inter Miami – doch weit gefehlt. Das Messi-Team ist weiterhin Tabellenletzter, wird die Play-offs aller Voraussicht nach nicht erreichen. „Messi, Jordi Alba und Sergio Busquets werden Miami nicht von heute auf morgen zum Top-Team machen“, sagt auch Pfannenstiel. „Das wird Zeit brauchen, das ist ganz normal. Dafür sind andere Teams zu gefestigt. Aber Messi wird sicher Weltklasse-Tore erzielen und für Furore sorgen, das steht schon jetzt fest. Sein Einstand im Leagues Cup mit dem 2–1 Siegtreffer war spektakulär und seine Torquote mit fünf Toren in drei Spielen ist herausragend.“

Roman Bürki und Eduard Löwen stark

Den Blick nach Deutschland hat der ehemalige Hoffenheimer Scout bei aller US-Euphorie aber nicht verloren. Das liegt vor allem auch daran, dass Bundesliga-Spieler ins Beuteschema seines Klubs passen. Zwei hat er bereits verpflichtet: „Der Einfluss von den Bundesligajungs ist sehr hoch. Roman Bürki spielt eine überragende Saison und Eduard Löwen ist einer der besten Mittelfeldspieler der Liga.“

Allein deshalb wird er auch die kommende Bundesliga-Spielzeit ganz genau verfolgen. Pfannenstiels Prognose: „Es wird eine sehr interessante Saison, weil Leverkusen viel Qualität hat und oben mitmischen wird. Granit Xhaka und Jonas Hofmann sind Bombentransfers, Alejandro Grimaldo ist auch eine Rakete. Alles wird natürlich wieder auf eine Bayern-Jagd hinauslaufen. Dortmund und Leipzig werden auch im Jagdmodus sein. Bayern muss diese unruhige Zeit zuletzt abhaken und einen neuen Weg nach vorne finden, das wird entscheidend sein.“

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