Spannend und informativDas neue Kölnische Stadtmuseum: Köln neu erzählt

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Spielen und Ausprobieren gehört im neuen Kölnischen Stadtmuseum dazu.

Spielen und Ausprobieren gehört im neuen Kölnischen Stadtmuseum dazu.

Das Kölnische Stadtmuseum hat am 22. März seine Wiedereröffnung am neuen Standort, dem ehemaligen Modehaus Franz Sauer, gefeiert – Besucherinnen und Besucher dürfen sich dort auf ein innovatives Konzept, einmalige Exponate und modernste Technik freuen.

Für das Kölnische Stadtmuseum hat eine neue Ära begonnen. Der Umzug in das ehemalige Modehaus Franz Sauer in der Minoritenstraße ist geschafft, die neuen Ausstellungsräume sind nun mit 650 Exponaten bestückt. Der Transformationsprozess vom klassischen hin zu einem der modernsten und innovativsten Museen Deutschlands ist damit abgeschlossen.

Zukunftsorientierte Inszenierung

Das Gebäude des ehemaligen Kaufhauses mit seinen fünf Halbgeschossen und der eindrucksvollen, zentralen Rundtreppe macht das moderne Ausstellungskonzept auf besondere Weise erlebbar. Am Beginn des Ausstellungsrundgangs erzählen herausragende Objekte der Sammlung und besondere Leihgaben kurz und kompakt die wichtigsten Entwicklungen – von der römischen Kolonie über die mittelalterliche Handelsmetropole, die preußische Garnisonsstadt bis hin zum Medienhotspot unserer Tage. Im Mittelpunkt steht dabei das berühmte Stadtmodell von Köln im Jahr 1571, das dank moderner Augmented-Reality-Technik zu neuem Leben erweckt werden kann.

Die neue Ausstellung schaut anhand von emotionalen Fragen auf die Geschichte und Gegenwart der Stadt.

Die neue Ausstellung schaut anhand von emotionalen Fragen auf die Geschichte und Gegenwart der Stadt.

Innovative Ausstellung

Den Kern der innovativen Ausstellung bilden acht epochenübergreifende Frageräume, die Köln auf emotionale Weise erlebbar machen. Angesprochen werden sollen dabei alle Menschen, die in der Domstadt leben. Dabei soll niemand außen vor bleiben. Bei der Neukonzeption der Dauerausstellung waren daher Inklusion und Barrierefreiheit zentrale Ziele. Sowohl bei der räumlichen Gestaltung als auch bei der inhaltlichen Vermittlung orientierte sich das Museumsteam an zeitgemäßen Standards, um allen Menschen einen unvergesslichen Museumsbesuch zu ermöglichen. Das neue Kölnische Stadtmuseum ist zudem in vieler Hinsicht ein partizipatives Haus. Und das nicht nur bei der Konzeption der Ausstellung. Vielmehr können sich Besucherinnen und Besucher aktiv einbringen und ihre Meinungen, Wünsche und Kommentare hinterlassen. Viele Installationen in den Ausstellungsbereichen laden dazu ein, zu spielen, zu kommentieren oder sich miteinander auszutauschen.

Frageräume als Kernstück

Das neue Stadtmuseum bringt seinen Besucherinnen und Besuchern die Historie Kölns also auf eine bisher nie dagewesene Weise nahe. Kurator Stefan Lewejohann, der gemeinsam mit seinem Kollegen Sascha Pries die Ausstellung konzipiert hat, erklärt im Interview , wie das vor Ort im Detail passiert:

Herr Lewejohann, das Kölnische Stadtmuseum will die Geschichte von Köln neu und innovativ erzählen. Was ist darunter im Detail zu verstehen?

Wir erzählen die Kölner Stadtgeschichte jetzt durch einen fragenden Ansatz. Das heißt, dass wir emotionale Fragen stellen und dadurch episodenhaft die Kölner Stadtgeschichte erklären. Zu diesen Fragen zählt beispielsweise „Was lieben wir?“, „Was macht uns Angst?“, „Was verbindet uns?“ oder „Worauf haben wir Lust?“. Die Besucherinnen und Besucher können diese Fragen für sich selbst mit den jeweiligen Antworten versehen. Vor dem Hintergrund der jeweils eigenen Biografie lassen sich geschichtliche Ereignisse dann besser nachvollziehen, da bestimmte Begebenheiten oder aber auch Objekte in einen persönlichen Zusammenhang gestellt werden. Diese emotionalen Fragen stellen Brücken in die Vergangenheit dar. Das Kernstück der Ausstellung sind also die acht Frageräume.

Der Raum der Stadtgeschichte mit dem chronologischen Zeitstrahl ist ein Highlight im Kölnischen Stadtmuseum.

Der Raum der Stadtgeschichte mit dem chronologischen Zeitstrahl ist ein Highlight im Kölnischen Stadtmuseum.

Warum haben Sie sich für diese Art der Präsentation entschieden?

Bei der Konzeption der Ausstellung haben wir uns überlegt, welche Themen und Ereignisse wir erzählen und welche Kernobjekte unserer Sammlung wir zeigen wollen. Zudem haben wir uns darüber Gedanken gemacht, was in der Vergangenheit im Verborgenen geblieben ist. Nach der Sammlung unserer Ideen haben wir schnell festgestellt, dass emotionale Fragen die Menschen sehr stark an verschiedene Ereignisse binden können.

Besucher werden vor Ort zum Mitmachen angeregt.

Besucher werden vor Ort zum Mitmachen angeregt.

Was genau wird den Besucherinnen und Besuchern in den Frageräumen geboten?

Rein optisch wird den Menschen vor Ort eine sehr moderne Formsprache geboten, durch eine hochwertige Architektur. Auch deshalb bietet jeder Raum im Prinzip eine eigene Themenwelt, die die Besucherinnen und Besucher emotional erreichen kann. Eindrucksvolle Exponate aus allen Epochen erzählen in den Ausstellungsräumen dann von der Liebe: zur Stadt, zur Musik oder zu den Kölner Weltmarken wie dem Dom; von Aufständen und Skandalen, die wütend machen; von der Angst vor Verfolgung, Krieg und Tod; von bewegenden oder verbindenden Momenten und vielem mehr. Das Ganze wird an vielen Stellen durch den Einsatz von Medien flankiert. Zudem kann man sich in den Räumen selber ausprobieren.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Die Besucherinnen und Besucher werden auf dem Weg in die eigentlichen Ausstellungsbereiche durch Mitmachanwendungen begrüßt. In dem Raum „Was bewegt uns?“ geht es beispielsweise um das Thema Fortbewegung, da Köln eine Geburtsstätte der Motorisierung ist. Dort hat man die Möglichkeit, mit einem Faden verschiedene Fragen per Knoten zu beantworten und so zu zeigen, mit welchem Verkehrsmittel man ins Museum gekommen ist oder wie weit das eigene Zuhause vom Museum entfernt ist. Durch diese Bindfäden wiederum entsteht ein gutes Bild der Kölner Verkehrsbewegungen. In dem Bereich „Worauf haben wir Lust?“ geht es hingegen auch um das Thema Spielen. Denn gespielt wird seit jeher, und gerade Köln ist eine Wiege der Spielewelt. Die erste Spielkonsole Deutschlands wurde in Köln erfunden. Zudem findet hier die Gamescom statt. Eine dieser ersten Spielkonsolen kann übrigens im Ausstellungsbereich gleich ausgetestet werden.

Mehr als 650 eindrucksvolle Exponate sind im Kölnischen Stadtmusuem ausgestellt.

Mehr als 650 eindrucksvolle Exponate sind im Kölnischen Stadtmusuem ausgestellt.

Welche Spiele können im neuen Kölnischen Stadtmuseum außerdem ausprobiert werden?

Wir verstehen uns nicht nur als ein Museum zum Mitmachen, sondern auch als ein Museum für alle. Das Thema Barrierefreiheit hat für uns eine enorme Bedeutung. Jede Person findet bei uns deshalb einen Ort, wo sie aktiv etwas tun kann. Bei uns können viele Dinge auch einfach angefasst werden, beispielsweise die Nachbildung einer Reliquienbüste. Denn auch so lässt sich Geschichte begreifen. An einer anderen Stelle im Bereich „Worauf haben wir Lust?“, wo es um das Thema Essen und Trinken in Köln geht, gibt es beispielsweise eine Spielestation, die sich intensiv mit der kölschen Esskultur auseinandersetzt. Unter anderem kann dort ein kölsches Memory gespielt werden, wo es um die typischen kölschen Begriffe für bestimmte Lebensmittel geht. Wir versuchen durch diese Spiele nicht nur ein Ort zum Lernen und Lesen zu sein, sondern eben auch einer, der zum Ausprobieren und Spielen da ist.

Blick in den Frageraum „Was lieben wir?".

Blick in den Frageraum „Was lieben wir?".

Darüber hinaus gibt es im Kölnischen Stadtmuseum sogenannte Reflexionsräume. Was ist darunter zu verstehen?

Unsere Besucherinnen und Besucher kommen dort an und sehen an den Wänden der Räume beispielsweise die Fragen „Woran glauben wir?, „Was macht uns wütend?“ oder „Worauf haben wir Lust?“. Anschließend können sie sich in die Mitte des Raumes auf eine Sitzinsel setzen, sich selbst mit diesen Fragen beschäftigen und sie entsprechend reflektieren. Zudem haben wir die acht Fragen mit unterschiedlichsten Kölnerinnen und Kölnern diskutiert. Anschließend sollten sie Objekte mitbringen, die diese Fragen aus ihrer Sicht beantworten. Eine Teilnehmerin mit tunesischen Wurzeln hat zur Frage „Woran glauben wir?“ einen Gesetzestext mitgebracht, da sie Jura studiert hat und ihr Umfeld bezweifelt hat, dass sie das schaffen würde. Doch sie hat gesagt: Ich glaube an mich. Da sie nun ausgebildete Juristin ist, steht dieser Gesetzestext für sie an den Glauben an sich selbst. Solche und ähnliche Geschichten können sich die Menschen in den Reflexionsräumen erzählen lassen. Hinter diesen – am Auftakt jeder Etage – gelegenen Abschnitten finden die Besucherinnen und Besucher dann die Ausstellungsbereiche, in denen diese Fragen historisch mit den unterschiedlichsten Originalobjekten beantwortet werden.

Ein reger Austausch vor Ort ist ausdrücklich gewünscht.

Ein reger Austausch vor Ort ist ausdrücklich gewünscht.

Das große Stadtmodell gibt es weiterhin, mit einer Neuerung. Was genau können die Besucherinnen und Besucher erwarten?

Das Stadtmodell ist für uns nach wie vor eines der zentralen Exponate, da es auch in der alten Dauerausstellung ein Lieblingsobjekt unserer Besucherinnen und Besucher war. Nun steht es nicht nur an einer zentralen Stelle, sondern kann durch eine Augmented-Reality-Anwendung per Tablet auf unterschiedlichsten Ebenen erlebt werden. So lässt sich beispielsweise nachvollziehen, wie sich die Stadt in den Bereichen Verkehr, Bevölkerungsdichte oder Müllproduktion von 1571 bis heute entwickelt hat.

Das Stadtmodell wird per Tablet auf digitale Weise ganz neu erlebt.

Das Stadtmodell wird per Tablet auf digitale Weise ganz neu erlebt.

Wird sich die Ausstellung in den nächsten Wochen und Monaten verändern oder weiterentwickelt werden?

An vielen Stellen werden noch Angebote ergänzt werden, was kontinuierlich passiert. Den größten Wandel werden wir aber in unserem Open Space erleben. Wir haben zwar keine Sonderausstellungsflächen, aber in unserem Foyer-Bereich die Möglichkeit, zu verschiedenden Themen kleinere Präsentationen zu zeigen. Diese können gemeinsam mit Künstlerinnen und Künstlern, Vereinen oder anderen Personen und Gruppen der Stadtgesellschaft umgesetzt werden. Ganz konkret könnten dort beispielsweise Themen wie Fortbewegung aufgegriffen werden. Denn das Thema Verkehr ist eins, was viele Kölnerinnen und Kölner auf sehr emotionale Weise beschäftigt. Wir laden die Stadtgesellschaft also im Foyer unseres Museums dazu ein, mitzureden, mitzumachen und miteinander ins Gespräch zu kommen. Auch dafür soll unser Stadtmuseum ein geeigneter Ort sein.

Kölnisches Stadtmuseum, KSM, Stefan Lewejojann

Kurator Stefan Lewejohann

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