Alarm vor Revierkonferenz„Der Strukturwandel funktioniert so nicht“

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Blick auf den Braunkohletagebau Inden bei Jülich.

Blick auf den Braunkohletagebau Inden bei Jülich. Welche Arbeitsplätze die wegfallenden Jobs in der Kohleindustrie ersetzen sollen, ist noch unklar.

Brandenburg ist mit der Ansiedlung von Tesla ein Scoop gelungen. Im Rheinischen Revier kommt der Strukturwandel nur mühsam voran. Woran liegt das?

Sascha Solbach ist der Bürgermeister von Bedburg. Die Stadt liegt mitten im Rheinischen Revier. „Bei uns ist jede zweite Familie direkt vom Kohleausstieg betroffen. Viele wissen nicht, wie es nach 2030 weitergehen soll. Sie spüren keine Anzeichen, dass der Strukturwandel in Gang kommt“, kritisiert der SPD-Politiker im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Schöne Fotomontagen, die die Uferpromenade vom geplanten See im Tagebau Garzweiler im Jahr 2070 zeigen würden, wirkten auf die Bürger wenig beruhigend. „Wenn wir nicht endlich ein Leitkonzept zur Ansiedlung neuer Industriearbeitsplätze auf den Weg bringen, ist der soziale Friede in der Region in Gefahr. Die drohende Abwärtsspirale muss jetzt gestoppt werden“, so der Bürgermeister.

„Die Jobuhr steht auf null"

Am Donnerstag nimmt Solbach an der „Revierkonferenz“ teil, die die SPD-Landtagsfraktion organisiert hat. Bei dem Treffen es um die Frage, welche Prioritäten bei der Förderung des Strukturwandels künftig gesetzt werden sollen. „Der Frust bei den Menschen im Revier ist groß. Bei RWE gehen 14.000 Jobs verloren. Trotz vollmundiger Ankündigungen der Landesregierung, man werde alles für die Ansiedlung neuer Industriearbeitsplätze tun, steht da die Jobuhr auf null“, beklagt Lena Teschlade, die in der Fraktion für das Thema Strukturwandel zuständig ist.

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Die „Zukunftsagentur Rheinisches Revier“, die den Transformationsprozess im Auftrag der Landesregierung steuern soll, ließ die Frage, wie viele neue Industriejobs bereits gesichert sind, unbeantwortet. Dort spricht man von „guten Ausgangsbedingungen“. Zur Ansiedlung von neuen Unternehmen werde ein „breit aufgestellter Werkzeugkoffer“ von Förderangeboten über Beratungsangeboten eingesetzt, teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit.

Bürgermeister Solbach ist das zu wenig. „Die Förderkulisse passt nicht zu den anstehenden Aufgaben. Zuwendungen von Bund und Land dürfen nicht einseitig in die Bereiche Forschung und Entwicklung abfließen. Dem Großgeräteführer oder dem Kesselreiniger nützt ein Job in der Wasserstoff-Forschung nichts“, beklagt der SPD-Politiker.

Klimaschutz wichtiger als Jobs?

Ein weiterer Kritikpunkt: Bislang habe der Fokus bei der Strukturwandelförderung beim Thema Arbeit gelegen. Nach dem Eintritt der Grünen in die Landesregierung gebe es „eine Deutungsverschiebung“. „Das Revier soll zu einer Vorzeigeregion für den Klimaschutz werden. Die Schaffung eines Biotop-Verbunds soll mehr Gewicht bekommen als die Ausweisung von Flächen für Gewerbegebiete. So funktioniert der Strukturwandel nicht“, so Solbach.

Dietmar Brockes, Energieexperte in der FDP-Landtagsfraktion, sieht das ähnlich. „Die Baggerlöcher in der Region dürfen nicht zu Milliardenlöchern werden, in denen die jetzt gut bezahlten Arbeitsplätze im Rheinischen Revier ersatzlos verschwinden“, warnt der Abgeordnete. Die Landesregierung wolle mit dem vorgezogenen Kohleausstieg den Strukturwandel jetzt doppelt so schnell wie bisher umsetzen, schafft aber „bei den Förderzusagen nur Schrittgeschwindigkeit“.

Branchen der Erneuerbaren Energien sollen kommen

Das von der Grünen Mona Neubaur geführte NRW-Wirtschaftsministerium wies darauf hin, man arbeite jetzt mit der Landesgesellschaft NRW.Global Business „intensiv daran“, die Ansiedlung von tarifgebundenen Jobs im Rheinischen Revier zu realisieren. Mehrere Unternehmen der Branche der Erneuerbaren Energien seien daran interessiert, hieß es. Eine Anpassung der Fördermöglichkeiten solle die Prozesse jetzt gezielt unterstützen. Auch die Digitalwirtschaft berge Potenziale. So könne die Ansiedlung von Rechenzentren ein „starker Beitrag“ zum Strukturwandel im Rheinischen Revier sein.

Die SPD fordert, dass NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) das Thema Strukturwandel zur Chefsache machen muss. „Wenn der Strukturwandel im Revier scheitert, wäre ein fataler Vertrauensverlust in den Wirtschaftsstandort Deutschland die Folge. Es ist brandgefährlich, die Dinge einfach laufen zu lassen“, so Teschlade. „Klein-Klein“ helfe nicht weiter.

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