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Bestpreise in der KritikDiese Kölner Hotels klagen gegen Booking.com

6 min
Die Außenfassade des Dorint-Hotels an der Kölner Messe

Die Kölner Hotelgruppe Dorint hat sich an der Klage gegen Booking.com beteiligt - so wie 10.000 Hotels europaweit.

10.000 Hotels begehren gegen Marktführer Booking.com auf. Die Kritik hinter vorgehaltener Hand ist laut – doch öffentlich gegen den Platzhirsch schießen wollen die wenigsten.

Für Urlauber sind Buchungsportale nicht nur bequem, sondern auch bares Geld wert. Knapp drei von vier Übernachtungen buchen die Deutschen beim Marktführer Booking.com, die Plattform ist nicht nur übersichtlich und leicht zu verstehen, sondern bietet häufig die günstigsten Preise. Ganz zum Missfallen der Hotels, die den günstigsten Tarif gerne auf ihrer Website vertreiben würden. Da bleibt der komplette Übernachtungspreis nämlich bei ihnen in der Kasse. Wenn Gäste über Plattformen wie Booking.com buchen, fällt hingegen eine Provision an. Die kann in Städten wie Köln gut und gerne 20 Prozent betragen, schätzen Branchenexperten.

Seit Jahren zieht die Hotelbranche immer wieder vor Gericht gegen Geschäftspraktiken solcher Plattformen. Diesmal fordern mehr als 10.000 Hotels europaweit Schadenersatz von Booking.com – auch Kölner Hoteliers haben sich daran beteiligt. Wie viele genau es sind, lässt sich schwer sagen. Während einige wenige öffentlich über ihre Haltung sprechen, gilt bei den meisten: Hinter vorgehaltener Hand beschweren sie sich, doch aus der Deckung wagen sie sich nicht. Die Betriebe werfen dem weltgrößten Hotelbuchungsportal vor, sie über Jahre daran gehindert zu haben, günstigere Direktpreise anzubieten. Doch ohne Booking.com geht es auch nicht – es ist der wichtigste Online-Vertriebskanal der Branche. 

Dorint-Hotels haben sich an Klage beteiligt

Die Dorint-Hotelgruppe mit Sitz in Köln hat sich bereits vor längerem der Klage über den Hotelverband Deutschland (IHA) angeschlossen, „da wir als Verbund nicht nur abgestimmt, sondern mit einer Stimme sprechen sollten“. Das teilt Geschäftsführerin Stefanie Brandes auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit. Dorint betreibt mehr als 60 Hotels in Deutschland, Österreich und der Schweiz, davon drei in Köln.

Im Zentrum stehen sogenannte Bestpreisklauseln. Diese haben Hotels lange Zeit dazu verpflichtet, ihre Zimmer nicht günstiger als auf Booking.com anzubieten – auch nicht auf der eigenen Website. Aus Sicht der Hotelverbände haben solche Klauseln die Preishoheit der Betriebe beschnitten, den Wettbewerb eingeschränkt und Direktbuchungen verdrängt.

Dorint-Geschäftsführerin Stefanie Brandes

Dorint-Geschäftsführerin Stefanie Brandes

Die Bestpreisklausel habe Einfluss auf die tägliche Preisgestaltung der Hotels und sei somit mit einem deutlichen Aufwand verbunden, sagt Dorint-Geschäftsführerin Brandes. „Da wir unsere Gäste über unsere eigenen Vertriebskanäle nicht benachteiligen möchten, werden die Preise auf dorint.com ständig mit den Preisen von booking.com abgeglichen, sodass zumindest eine Preisparität sichergestellt werden kann.“ Es sei wichtig, dass die Anspruchshaltung für die Bestpreisgarantie für die gesamte Hotellerie thematisiert werde, um „die Ungerechtigkeit von einzelnen Vertriebskanälen zu beheben und die Flexibilität in der unternehmerischen Selbstständigkeit für die europäische Hotellerie wieder zu gewährleisten“, so Brandes weiter.

EuGH hat die Klausel gekippt – doch die Interpretation geht auseinander

Der Europäische Gerichtshof hat die Bestpreisklauseln zwar in einem Urteil vom September 2024 thematisiert, doch die Auslegung fällt unterschiedlich aus. In seinem Urteil stellte der EuGH klar, dass Preisbindungsklauseln grundsätzlich gegen das EU-Wettbewerbsrecht verstoßen können, abschließend klären muss den Fall aber ein Amsterdamer Gericht. Eine generelle Zulässigkeit solcher Klauseln lehnten die Richter am EuGH ab – und stärkten damit vielen Hotels den Rücken. „Der EuGH hat die Bestpreisklausel gekippt. Deshalb haben die Hoteliers Anspruch auf Schadenersatz – die Frage ist jetzt, wie hoch der ausfällt“, sagt Christoph Becker, Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Dehoga Nordrhein, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. 

Booking.com widerspricht – inhaltlich wie formal. Zum einen bestreitet das Unternehmen, bislang eine offizielle Klage erhalten zu haben. Die Klage wird von der europäischen Hotelallianz Hotrec und über 30 nationalen Verbänden unterstützt. Die Organisatoren sprechen von einer der größten juristischen Auseinandersetzungen der Branche, wegen der großen Resonanz sei die Anmeldefrist bis zum 29. August verlängert worden. „Es handelt sich um eine Ankündigung von Hotrec, nicht um eine eingereichte Sammelklage“, teilte das Unternehmen auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Zum anderen weist Booking.com zentrale rechtliche Argumente der Hotelverbände zurück – insbesondere die Auslegung des EuGH-Urteils vom September 2024.

Wir kommen seit Jahren sehr ordentlich miteinander aus
Georg Plesser, Direktor des Excelsior Hotel Ernst, über die Zusammenarbeit mit Booking.com

Die Debatte um Bestpreisklauseln ist nicht neu. In Deutschland untersagte das Bundeskartellamt bereits 2013 dem Kölner Anbieter HRS die Praxis. 2015 folgten Verfahren gegen Booking.com und Expedia. Und 2021 entschied auch der Bundesgerichtshof, dass Bestpreisklauseln von Booking.com nicht mit dem Kartellrecht vereinbar seien. Online-Vergleichsportale nutzen Bestpreisklauseln unter anderem, damit Urlauber die Zimmer auf der Seite nicht bloß vergleichen, sondern dort auch direkt buchen.  

Eine Anekdote veranschaulicht, wie die Diskussion damals ins Rollen kam: Als Bundeskartellamtspräsident Andreas Mundt in einem Hotel am Chiemsee eine zusätzliche Nacht buchen wollte, verlangte die Rezeption mehr Geld als für die Onlinebuchung. Begründung: Der günstigste Preis darf laut Vertrag nur über das Portal angeboten werden. Wieder zurück in Bonn nahm sich Mundt mit seiner Behörde die Klauseln vor – mit weitreichenden Folgen.

Marktmacht von Booking.com ist Verbänden ein Dorn im Auge

Becker vom Dehoga zeigt sich nicht überrascht über die aktuelle Auseinandersetzung der Branche mit Booking.com. „Deren allgemeine Geschäftspraktiken sind für uns kein neues Thema. Das begleitet mich seit 30 Jahren immer wieder“, sagt er. Aktuell gehe es um die Bestpreisklausel, in der Vergangenheit habe man sich schon um andere Vertragsinhalte gestritten wie das „letztverfügbare Zimmer“. Booking.com soll Hotels dazu verpflichtet haben, sagt Becker, ihr letztes freies Zimmer über die Plattform zu vermitteln.

Hinzu kommt, dass die Branche kleinteilig ist, einzelne haben kaum Chancen, Gehör zu finden. Becker berichtet: „Man kann Booking.com Klage androhen, das interessiert die nicht. Sie spielen mit ihrer Marktmacht, denn sie wissen, dass die Hotels ohne sie nicht können.“

Die Hotellerie kritisiert immer wieder die Marktmacht großer Plattformen. Laut einer Studie von Hotrec und der Fachhochschule Westschweiz Wallis wurden 2023 europaweit 29,1 Prozent aller Übernachtungen über Online-Buchungsportale abgewickelt. Innerhalb dieses Segments hält die Booking Holdings laut Studie einen Marktanteil von 71 Prozent – in Deutschland 72,3 Prozent. Booking.com verweist dagegen darauf, dass Direktbuchungen mit 50,9 Prozent weiterhin den größten Anteil am Gesamtmarkt ausmachen.

Und: Die Plattform sei für Hotels ein freiwilliger Vertriebskanal. „Jeder unserer Unterkunftspartner kann seine Vertriebs- und Preisstrategie frei gestalten und seine Zimmer überall anbieten, wo er möchte“, heißt es von der Plattform. Man unterstütze Hotels mit Marketing, Technologie und globaler Sichtbarkeit, darin liege der Mehrwert.

Excelsior-Hotel profitiert von Stammkundschaft

Längst nicht alle Hoteliers stehen mit Booking.com auf Kriegsfuß. Georg Plesser, Direktor des Excelsior Hotel Ernst am Kölner Dom, sagte jüngst in einem Interview der „Wirtschaftswoche“: „Auch an uns wurde die Frage herangetragen, ob wir uns der Klage anschließen wollen. Wir haben es erwogen und uns am Ende dagegen entschieden.“ Der Anteil von Stammkunden sei hoch, der Direktvertrieb sehr erfolgreich. „Mehr als die Hälfte aller Reservierungen kommen direkt telefonisch oder über E-Mail in unserem Buchungsbüro an. Online-Partner sind für uns also wichtig, aber im Gegensatz zu Hotels anderer Preisklassen nicht existenziell“, so Plesser.

Während Becker vom Dehoga über schlechte Kommunikation von Booking.com klagt, zeigt sich Plesser zufrieden: „Wir kommen seit Jahren sehr ordentlich miteinander aus“, sagt er. Auch die Preisklausel stört ihn wenig. Sein Hotel habe kein Problem mit der Preisgestaltung von Portalen wie Booking.com. „Faktisch ist es so, dass sowohl wir als auch Booking oder andere Vertriebspartner immer schon eine Vielzahl von Produktpaketen aus Zimmern und zugehörigem Service schnüren konnten, die dann unterschiedlich bepreist wurden.“ Heißt übersetzt: Statt nur ein Zimmer online zu vertreiben, bietet das Excelsior Zimmer beispielsweise mal mit, mal ohne Frühstück an, mal inklusive Abendessen oder mit spätem Check-out – und kann so eigene Preise setzen. 

Was für Urlauber am Ende zählt, ist ein gutes Angebot. Der Streit zwischen Hotelbranche und Booking.com dürfte dem Wunsch zugutekommen. „Wettbewerb auf dem Markt der Ferienunterkünfte ist für Reisende gut, weil er die Vielfalt des Deutschlandtourismus abbildet und im Ergebnis zu günstigeren Preisen führt“, sagt Norbert Kunz, Geschäftsführer des Deutschen Tourismusverbands (DTV). Plattformen brächten für Anbieter und Gäste viele Vorteile: „Wichtig ist, dass der Wettbewerb funktioniert und die Regeln für alle gelten.“ (mit dpa)