BahnhöfeSo viel verdient die Deutsche Bahn mit Einzelhandel
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Die Bahn streitet es ab, aber die großen Bahnhöfe in Deutschland – hier der Kölner Hauptbahnhof – können durchaus den Eindruck eines Einkaufszentrums erwecken.
Copyright: Thomas Banneyer
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Berlin – Heute sind Bahnhöfe vor allem Einkaufszentren! Das ist ein Stoßseufzer, mit dem Horst Mutsch oft konfrontiert worden ist. „Doch das stimmt einfach nicht“, sagt der Mann, der bei der Deutschen Bahn (DB) für die Vermietung zuständig ist. „Mit der Sortimentsvielfalt von Einkaufszentren kann man unsere Bahnhöfe nicht vergleichen. Es gibt vielleicht eine Jeans-Marke, aber nicht acht. Wir achten auch darauf, dass sich Reisezentren, in denen es Fahrkarten und Beratung gibt, immer in A-Lage befinden.“ Es gibt noch einen anderen Unterschied: Von der Krise, die das Internet dem Handel beschert hat, ist bei DB Station & Service nichts zu spüren. Jetzt kann Mutsch bei den Mieteinnahmen einen neuen Rekord melden.
„Mit rund 400 Millionen Euro haben wir eine neue Bestmarke erreicht. 2005 waren es 256 Millionen, 2015 knapp 385 Millionen Euro“, sagte der Bahn-Manager. „Auch wir spüren, dass die Zahl der Reisenden steigt.“ Die Höhe der Mieten hängt vom Umsatz ab – deshalb schlägt sich eine höhere Kundenfrequenz in höheren Mieteinnahmen nieder.
Bahn nach Kirche größter Immobilieneigentümer
Dass immer mehr Menschen per Mausklick im Netz einkaufen und nicht mehr bummeln gehen, ist in ganz Deutschland in vielen Städten zu spüren. Fachgeschäfte geben auf, Ladenlokale stehen leer, oder Billigketten ziehen ein. „Bei uns gibt es keine Krise des Einzelhandels“, sagt Chef-Vermieter Mutsch. „Wir profitieren davon, dass viele Menschen die Bahn nutzen und dann an Ort und Stelle einkaufen oder etwas essen wollen.“ Im vergangenen Jahr haben in den Bahnhöfen die Handelsumsätze erneut zugenommen – bei Lebensmitteln und in der Gastronomie um zehn Prozent, bei anderen Waren um rund vier Prozent.
DB ist größter Immobilieneigentümer nach den Kirchen
Die Bahn streitet es ab, aber die großen Bahnhöfe in Deutschland – hier der Kölner Hauptbahnhof – können durchaus den Eindruck eines Einkaufszentrums erwecken.
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Mit rund einer Million Quadratmeter vermieteter Fläche ist die Bahn in Deutschland nach den Kirchen der größte Immobilieneigentümer mit eigenem Bestand. Sie besitzt noch rund 800 Bahnhofsgebäude, rund 1 500 wurden seit 2005 verkauft. Zielzahl ist 500, so Mutsch.
Die guten Erträge ermöglichen es der Bahn, neue Konzepte auszuprobieren. „Wir achten darauf, dass regionale Unternehmen zum Zuge kommen“, so Mutsch. „Im Berliner Hauptbahnhof ist das zum Beispiel Haferkater – ein junges Unternehmen aus Berlin, das sich bei einem unserer jährlichen Start-up-Wettbewerbe als Sieger durchgesetzt hat und mit Erfolg Porridge verkauft.“ Es gehe nicht um die Maximierung von Mieterträgen. „Ginge es darum, hätten wir in jedem großen Bahnhof drei Döner-Läden – aber das wäre nicht im Interesse der Kunden.“
Food Courts sollen umgestaltet werden
Derzeit ist die Bahn dabei, große Bereiche mit Schnellgastronomie, Food Courts genannt, zu modernisieren und neue Ideen umzusetzen. „Mit der Rubenbauer Holding, die 49 Prozent hält, haben wir das Unternehmen Station Food gegründet, das in Karlsruhe das erste Projekt umgesetzt hat. Geplant ist, auch den Food Court im Berliner Hauptbahnhof moderner zu gestalten.“
Horst Mutsch wünscht sich für Berlin noch etwas anderes: „Die britische Sandwichkette Pret a Manger, die in Deutschland bislang nicht vertreten ist. Auch sie kann ich mir im Berliner Hauptbahnhof sehr gut vorstellen. Allerdings ist das Preisniveau für Lebensmittel hier viel niedriger als anderswo. In London kostet ein Sandwich umgerechnet mindestens 4 Euro, in Deutschland lassen sich 2,80 bis 3,80 Euro erlösen.“
Alte Vorurteile gefährden Geschäft
Die Bahn streitet es ab, aber die großen Bahnhöfe in Deutschland – hier der Kölner Hauptbahnhof – können durchaus den Eindruck eines Einkaufszentrums erwecken.
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Die DB versucht, immer neue Unternehmen als Mieter zu gewinnen. Doch es kommt vor, dass wir auf alte Vorurteile über Bahnhöfe stoßen, die heute nicht mehr gerechtfertigt sind“, berichtet Mutsch. „Sicher, Bahnhöfe sind ein Spiegel der Gesellschaft. Vom Vorstandsvorsitzenden bis zum Hartz-IV-Empfänger sind dort viele Menschen unterwegs. Doch schon sehr viele Firmen haben festgestellt, dass Einzelhandel im Bahnhof funktioniert.“ Denn große Bahnhöfe haben große Kundenfrequenzen. Platz Nummer 1 in Deutschland ist der Hamburger Hauptbahnhof, der pro Tag im Schnitt von 530 000 Menschen genutzt wird. Bester Bahnhof in Berlin der Hauptbahnhof mit 300 000 Reisenden und Besuchern täglich. Er steht bundesweit auf Rang 6. Der Essener Hauptbahnhof hat halb so viele Nutzer – aber den umsatzstärksten Lidl-Supermarkt im Land.
Ostbahnhof ist Berliner Sorgenkind
Das größte Projekt in Berlin ist die Umgestaltung des Bahnhof Zoologischer Garten, der bis 2019 dauern wird. „Schon die neuen Zoo Terrassen sind ein Erfolg“, berichtet Mutsch. „Das dortige McDonald’s Restaurant gilt firmenintern als ’Future Shop’. Dort werden neue Konzepte erprobt wie die Auswahl am Computer oder Bedienung am Tisch. Inzwischen kommen aus ganz Europas Franchisenehmer, um sich das Restaurant anzuschauen.“ Als Nächstes entsteht im Erdgeschoss längs der Bahn eine Passage mit Läden und Gastronomie. Sie ist schon zu 80 Prozent vermietet.
In Berlin gibt es aber auch ein Sorgenkind. Am Ostbahnhof halten seit 2015 weniger ICE-Züge als früher. „Dort ist die Zahl der Fahrgäste und Besucher zurückgegangen, das stimmt. Er gehört aber immer noch zu den großen Bahnhöfen in Deutschland“ – mit 72 000 Nutzern pro Tag. Mutsch: „Die meisten Mietverträge laufen innerhalb der kommenden drei Jahre aus. Wir sind gerade dabei, das Mietkonzept neu auszurichten – auf Event- und Konzertbesucher sowie auf die Nahversorgung von Anwohnern.“