Ford-Chef Gunnar Herrmann im Interview„Apple ist durchaus unser Vorbild"

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Herrmann

Ford-Chef Gunnar Herrmann ist Kölns neuer Arbeitgeberpräsident.

  • Gunnar Herrman begann 1979 als Auszubildender bei Ford seine Laufbahn.
  • Seit 2012 ist er Mitglied der Geschäftsführung , seit 2017 war er Deutschland-Chef.
  • Nun wechselt er in den Aufsichtsrat. Corinna Schulz und Thorsten Breitkopf haben mit ihm über den 2024 auslaufenden Fiesta, E-Autos und die Zukunft der Standorte gesprochen.

Herr Herrmann, Ihr Wechsel von der Ford-Spitze in den Aufsichtsrat kam für die Öffentlichkeit doch recht plötzlich. War er das und was sind die Hintergründe? Herrmann Nein, der Wechsel kam nicht unerwartet. Als ich den Job 2017 übernommen habe, lief der Vertrag bis 2019. Bereits von Anfang an gab es immer wieder schwierige Themen. Das angeschlagene Image der Automobilindustrie in Folge des Dieselskandals, danach der Brexit, der uns hart getroffen hat. Es folgten die Pläne, unser Europageschäft neu auszurichten und profitabel und bei den Kosten wieder wettbewerbsfähig zu werden. Schließlich hat mich unser Europa-Chef gebeten, in diesem schwierigen Prozess weiter zu machen. Und für mein Ziel, das erste europäische E-Auto nach Köln zu holen, gab es Anfang 2021 grünes Licht. Jetzt kann ich mit einem guten Gefühl an den Nachfolger übergeben. Das ist für mich der perfekte Zeitpunkt mit Anfang 60.

Auch Ihr Stellvertreter und weitere Führungskräfte auch bei Ford-Europa gehen. Ist das nicht riskant in einer so schwierigen Lage?

Nach außen mag das so wirken, als ob Ford die gesamte Führungsriege austauscht. Dem ist aber nicht so, denn wir vollziehen einen Prozess, für den wir uns schon vor einigen Jahren entschieden haben. Ich habe großes Vertrauen in die Personen, die involviert sind. Wir bekommen eine neue, junge Mannschaft für ein neues Zeitalter.

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Zur Person

Gunnar Herrmann  wurde 1959 in Leverkusen geboren.  1979 begann er als Auszubildender bei Ford seine Laufbahn. Nach der Lehre studierte er in Hamburg Fahrzeugbau und erwarb an der britischen Loughborough University einen Master-Abschluss. 1986 fing Herrmann im Entwicklungszentrum in Köln-Merkenich in der Karosserie-Konstruktion an. Ab 1994 leitete er verschiedene Fahrzeugprojekte und entwickelte den Focus.   Seit 2012 ist er Mitglied der Geschäftsführung , seit 2017 war er Deutschland-Chef.  Er wechselt ab Dezember in den Aufsichtsrat.

Steht Ihr Nachfolger schon fest und welche Qualitäten muss er mitbringen?

Es gibt noch einige Themen, die wir abstimmen müssen, Aber eines steht fest. Es ist eine sehr interessante Aufgabe in einer sehr spannenden Zeit.

In Ihrer Amtszeit waren Sie vor allem als Krisenmanager gefragt. Wie fällt Ihr persönlicher Rückblick aus und wo steht Ford jetzt?

Ich schaue sehr positiv auf die vergangenen fünf Jahre zurück und möchte sie auch nicht missen. Bei all den Krisen haben wir einen hervorragenden Weg gefunden, uns zu positionieren. Wir sind jetzt gut aufgestellt, mit Blick auf die Effizienz und die Elektromobilität. In Zukunft werden wir im Markt mit wirklich starken Produkten vertreten sein.

Sie mussten mehr als 5000 Jobs abbauen. Wie sind Sie persönlich damit umgegangen?

Ich habe immer versucht, mich in die Lage der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu versetzen: Was wäre, wenn ich es wäre, der hier gehen müsste. Wie würde ich das empfinden. Welche Unterstützung würde ich erwarten. Im Rückblick denke ich, wir haben das Ganze den Umständen entsprechend gut gemacht. Immerhin haben wir in ganz Europa mehr als 10.000 Stellen abgebaut. Wir haben das sorgfältig geplant und Schritt für Schritt umgesetzt, ohne dass es Härtefälle oder überbordende öffentliche Diskussionen gegeben hat.

Gilt das auch für die Mitarbeiter der Getriebetochter Getrag?

Das gilt auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Getrag. Die Programme haben wir von Ford weitestgehend übernommen.

Ford leidet wie die ganze Branche unter Chipmangel. Seit Montag ist die Produktion wieder angelaufen. Wie hoch sind die Verluste?

Sicher, wir haben einiges an Volumen verloren. Die genauen Zahlen kommunizieren wir nicht. Aber wenn ich auf die Prognosen schaue, sehe ich, wie gut unsere Restrukturierung funktioniert. Wir waren in der Lage, viele unserer Probleme dank niedrigerer Kosten zu kompensieren. Früher hätten wir signifikante Verluste eingefahren. Diese Verbesserung ist eine echte Leistung und bringt Sicherheit.

Aber wie stabil ist die Chipzulieferung und rechnen Sie nochmal mit Rückschlägen?

Ich würde von einer vorsichtigen Stabilität sprechen. Es gab zusätzliche Hochläufe bei den asiatischen Chip-Herstellern, und die Qualität wird stabiler. Aus den US-Fabriken kommt nun auch mehr Volumen, weil der Staat Milliarden investiert hat. Aber sicher, wir müssen noch immer sehr operativ planen und flexibel sein.

Wie viele Autos werden denn derzeit gebaut, und wie ist Ihre Strategie, sich vor weiteren Lieferengpässen zu schützen?

In Köln bauen wir den Fiesta im Ein-Schicht-Betrieb, weil wir gleichzeitig auf das neue Modell umstellen. In Saarlouis läuft der Focus im Zwei-Schicht-Betrieb. Wir fahren also noch nicht volle Kapazität, aber 80 bis 90 Prozent. Und wir sind viel flexibler geworden. In der Vergangenheit haben wir ein Auto nicht gebaut, wenn etwas fehlte und die anderen Teile ebenfalls nicht abgerufen. Heute nutzen wir die verfügbare Kapazität und können die Produktion besser steuern.

Wird es einen Nachfolger für den Fiesta geben?

Wir werden den Fiesta in seinem geplanten Produktlebenszyklus zu Ende führen, also bis zum Jahr 2024 bauen. Gleichzeitig werden wir den Weg in Richtung E-Mobilität aber durchaus schneller gehen…

Warum setzen Sie nicht auf das Bewährte, nach acht Generationen Fiesta aus Köln, und bringen einfach einen E-Fiesta auf den Markt?

Das Kundenverhalten verändert sich dramatisch. Es ist nicht mehr so, dass jemand seiner Marke immer treu bleibt. Die Markentreue nimmt ab. Digitalisierung und Konnektivität werden wichtiger. Diesbezüglich sind besonders junge Kunden viel affiner. In China etwa fallen schon 33 Prozent der Kundenentscheidungen allein aufgrund der Technologie, nicht mehr aufgrund der Marke.

Welche Schlüsse zieht Ford daraus?

Apple ist da sicherlich ein Vorbild. Wir liefern ein gutes Auto in einem guten Design und die Wertschöpfung wird künftig aus Zusatz-Leistungen wie Apps, online verfügbaren Services oder Mobilitätsdienstleistungen bestehen. Bei Apple hat man eine ID wie ein Personalausweis, die auch bei diversen Hardwarewechsel bestehen bleibt und den Kunden an das Unternehmen bindet. Das ist die neue Marktphilosophie, das Auto wird also mehr die Basis eines neuen Verhältnisses des Kunden zur Marke, das auch viel profitabler sein kann.

Köln hat den Zuschlag für das E-Auto bekommen. Wie ist der Stand bei den Vorbereitungen?

Die Planungen sind abgeschlossen, wir sind schon mitten in der Umsetzung. Wir haben Gebäude abgerissen, an deren Stelle entstehen nun neue Hallen und Fertigungsbereiche. Wir kommen gut voran. Im kommenden Frühjahr wird man schon Einiges auf dem Gelände sehen können.

Mit einem E-Auto wird das Werk im Vergleich zum Fiesta-Bau aber nicht ausgelastet sein. Bekommt Köln ein zweites Modell?

Wichtig für die Auslastung sind das Volumen und die Akzeptanz bei unseren Kunden, unabhängig von der Modellvielfalt. Sie können sicher sein, wir werden unser Werk mit attraktiven E-Fahrzeugen auslasten.

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In Saarlouis hingegen sorgen sich die Mitarbeiter um die Zukunft des Werkes, weil hier 2025 der Focus ausläuft und Ford wohl keine vier Werke in Europa mehr braucht zum Bau von E-Autos?

Ich kenne das Team in Saarlouis und weiß, wie engagiert, effektiv und topmotiviert die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dort sind. Wir arbeiten daran, dass unser Werk in Saarlouis auch künftig eine wichtige Rolle für Ford in Europa spielen wird. 

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