Kommentar zum ProduktionsstoppStillstand bei Ford belastet uns alle

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Ein Bild aus besseren Zeiten. Denn bis mindestens Ende Oktober läuft in Köln bei Ford kein einziges Auto vom Band

Köln – Wenn bei Ford in Köln die Bänder still standen, war das in der Vergangenheit oft eine gute Nachricht. Denn entweder waren Sommerferien und die Ford-Leute im sonnigen Urlaub, oder es war Weihnachten. Ansonsten war an stillstehende Bänder im Grunde nicht zu denken.

Kölns industrielles Herz schlägt nicht mehr

Wer heute am Ford-Werk in Niehl vorbeigeht, fühlt eher etwas Gespenstisches in der Stille. Die Parkplätze vor den Hallen, in denen sonst pro Tag etliche neue Fiesta vom Band laufen, sind leegefegt. Die Ford-Werke, größter privater Arbeitgeber mit 17 000 Beschäftigten, sind Kölns industrielles Herz. Und das schlägt grade nicht mehr.

Als Ford Anfang März dieses Jahres erstmals wegen Chipmangels die Produktion in Köln stoppte, galt das allenfalls als ein Kuriosum. Zwei Wochen sollte die Pause dauern. Angesichts von Corona, einem feststeckenden Frachter im Suezkanal und einigen Fabrikausfällen sah man den Engpass an Halbleitern noch als singuläres Problem. Das war es aber nicht. Es wurden mit Unterbrechungen viele Monate Bau-Pause daraus. Die Nachricht „Ford muss Produktion stoppen“ wiederholte sich gut ein halbes Dutzend mal.

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Die Verluste trägt die ganze Region

Die Folgen sind fatal. Ford möchte nicht über Zahlen sprechen, weder über nicht gebaute Autos noch über Verluste oder entgangene Gewinne. Doch der Schaden dürfte immens sein. Bis zu 1400 Autos fertigt Ford normalerweise pro Tag in Köln. Entsprechend dürften Zehntausende Fiesta nicht gebaut und nicht verkauft worden sein. Dieser Einbruch belastet Fords Gewinn, wie stark auch immer. Es gibt aber auch externe Effekte.

Ford wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weniger Gewerbesteuer zahlen. Bis zu 5000 Mitarbeiter sind bei einem Stillstand in Kurzarbeit. Diese Menschen haben weniger Einkommen, zahlen wiederum weniger Steuern und konsumieren weniger. Außerdem belastet das Kurzarbeitergeld die Sozialkassen, und damit uns alle.

Just-in-time-Produktion rächt sich jetzt

Die Autobauer, auch Ford, stellen den Chipmangel dar wie ein Ereignis höherer Gewalt. Wie ein Unwetter, das man ertragen muss, an dem man aber keine Schuld trägt. Das aber kann man so nicht stehen lassen. Die Geschäftsstrategie von Ford – wie auch von anderen Autobauern – beruht auf der Idee der Just-in-time-Produktion, also dem Bauen von Autos ohne eigenes Lager. Das macht in krisenfreien Zeiten Sinn und spart Kosten. Aber wie man aktuell sieht, ist es in Krisenzeiten brandgefährlich. Außerdem darf die Frage nach der Verhältnismäßigkeit gestellt werden. Große Teile – Stahl, Bleche oder Autositze – zu lagern, ist sicher platzintensiv und teuer. Computerchips aber sind klein wie eine Centmünze und galten vor der aktuellen Krise regelrecht als Schüttgut. Sie zu lagern, wäre ein Klacks gewesen.

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Jetzt aber leidet Ford nicht nur darunter, dass Chips Mangelware sind, sondern auch, dass andere kürzlich auf genau diese Idee gekommen sind, und nun ihrerseits Computerchips für noch schwerere Zeiten horten. Das Problem ist hausgemacht.

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