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Interview

Handwerkspräsident
„Wir müssen mal aufhören, Köln schlechtzureden“

Lesezeit 6 Minuten
IInterview mit dem scheidenden Kölner Handwerkskammer-Präsident Hans Peter Wollseifer im Mai 2025

Der Kölner Handwerkskammer-Präsident Hans Peter Wollseifer beim Interview im Mai 2025

Nach 15 Jahren tritt Hans Peter Wollseifer als Handwerkskammerpräsident nicht mehr an. Im Gespräch blickt er zurück.

Herr Wollseifer, Sie treten nach 15 Jahren nicht erneut als Präsident der Handwerkskammer Köln an. Sie sind 69 Jahre alt, andere werden in dem Alter zum ersten Mal Bundeskanzler. Warum ziehen Sie sich vom Amt zurück?

Ich war 30 Jahre im Vorstand der Handwerkskammer, 15 Jahre Präsident und neun Jahre Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks in Berlin. Im August werde ich 70, meine Familie ist lange Zeit zu kurz gekommen, jetzt steht sie an erster Stelle. Gleichzeitig möchte ich Politik und Handwerk auch weiterhin beraten. Ich habe noch diverse Mandate in Berlin, die ich weiterführe, etwa als Vorstandsvorsitzender des IKK e.V., als Verwaltungsratsvorsitzender der IKK Classic und als Mitglied in der Initiative für einen handlungsfähigen Staat unter Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

In Ihre Berliner Zeit fielen vier Legislaturen von Bundeskanzlern, einmal Scholz und drei Mal Merkel. Wie ist Angela Merkel im persönlichen Umgang, die meisten kennen sie ja nur aus der Ferne oder dem Fernsehen?

Angela Merkel ist sehr verlässlich und immer hervorragend vorbereitet. Gleichzeitig ist sie bodenständig, und das passt sehr gut zum deutschen Handwerk. Beispielhaft war etwa ihr Vorgehen, als es darum ging, den Meister als Bachelor Professional und den Betriebswirt des Handwerks als Master Professional anzuerkennen. Dafür haben wir jahrelang bei der Hochschulrektorenkonferenz und der Kultusministerkonferenz gekämpft und kamen auch mit der zuständigen Ministerin Anja Karliczek keinen Meter weiter. Bis zu dem Tag, an dem sie sagte, ich solle einfach mit zur Kanzlerin kommen, ganz spontan. Die Kanzlerin fragte mich: „Warum wollen Sie das eigentlich?“ Ich brachte meine Argumente vor und am Ende des Gesprächs sagte Merkel: „Dann machen wir das so“. Nach drei Jahren Debatte eine super einfache Lösung.


Hans Peter Wollseifer (geboren 5. August 1955 in Hürth) ist seit 2010 ist er Präsident der Handwerkskammer zu Köln. Von 2014 bis 2022 war er Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH). Wollseifer absolvierte eine Lehre als Maler und Lackierer. 1976 erlangte er den Meistertitel im Maler- und Lackiererhandwerk und übernahm im Alter von 21 Jahren den Betrieb seines Vaters in Hürth. Zwischenzeitlich beschäftigte das Unternehmen rund 100 Mitarbeiter. In den darauffolgenden Jahren gründete Hans Peter Wollseifer weitere Betriebe. So kam im Jahr 1985 ein Gerüstbau-Betrieb hinzu. Im Herbst 2009 verkaufte Wollseifer seine Unternehmensanteile, um sich um sein Sachverständigen-Büro und seine 1995 gegründete Immobilien- und Projektentwicklungs-Gesellschaft zu kümmern.


Haben Sie noch andere Merkel-Anekdoten?

In ihrem Wahlkreis in Greifswald wollte Frau Merkel eine Rede bei der Meisterfeier der Handwerkskammer im Greifswalder Dom halten. Am Rednerpult stellte sie fest, dass sie nicht das Rede-Manuskript für Greifswald dabeihatte, sondern das für die Rede bei Frankreichs Präsident Macron tags darauf. Sie erklärte dem Publikum ihren Fauxpas, ging selbst zum Auto, holte die richtige Rede und machte weiter. Im Anschluss daran erlebte ich übrigens die schnellste Autofahrt meines Lebens. Wir durften in der Kolonne der Kanzlerlimousinen zurück nach Berlin fahren, mit Blaulicht und über 200 Stundenkilometern auf der linken Spur der Autobahn.

Bleiben wir beim Autofahren. Wie stehen Sie, wie steht das Handwerk zu den zahlreichen Verkehrsversuchen im Gebiet der Stadt Köln?

Die Idee von Verkehrsversuchen, weniger Individualverkehr in Köln zu realisieren, ist nachvollziehbar. Aber die Stadt muss dennoch weiterhin für die Menschen und für uns als Handwerker erreichbar bleiben. Es darf nicht sein, dass unsere Betriebe manche Straßen nur noch im Notfall anfahren, wenn das Dach undicht oder die Heizung ausgefallen ist. Viele Initiativen, die dazu führen, dass es nahezu keine Parkplätze in manchen Bereichen Kölns gibt, gehen entschieden zu weit.

16.05.2025, Köln: Interview mit Handwerkskammer-Präsident Hans Peter Wollseifer.  Foto: Arton Krasniqi

Hans Peter Wollseifer war 15 Jahre lang Präsident der Handwerkskammer zu Köln.

Was halten Sie von Sonderparkplätzen für Handwerker?

In Bonn, das ja auch zum Bezirk der Handwerkskammer Köln gehört, haben wir mit neun solcher Zonen schon länger gute Erfahrungen gemacht. Tagsüber können dort Handwerker parken, am Abend stehen die Parkplätze wieder den Anwohnern zur Verfügung. In Köln gibt es eine Wirtschaftszone mit drei Parkplätzen an der Venloer Straße, weitere Standorte sind in der Vorbereitung. Für Köln wie Bonn reichen die Wirtschaftszonen bei weitem nicht aus, wir reden von ganz anderen Dimensionen insbesondere für Handwerksbetriebe und Pflegedienste.

Wie bewerten Sie die Handwerkerparkausweise in Köln?

Sie sind sehr teuer, aber vom Prinzip her gut. Aber auch der Handwerkerparkausweis hilft nicht, wenn es keine Bereiche gibt, in denen wir stehen können. Oft fehlt das Verständnis für unsere Belange, mit den meisten unserer Fahrzeuge kommen wir nicht in Tiefgaragen. Und mit unseren Werkstattwagen, die schwere Geräte und Material geladen haben, müssen wir vor Ort beim Kunden parken können.

Wie gut ist Köln in der Bereitstellung von Flächen für Handwerksbetriebe?

Für Handwerksbetriebe sind die Kriterien bei der Verteilung der Gewerbegebiete oder Gewerbeplätze, die im städtischen Eigentum sind, oft kaum zu erreichen. Viele gehen daher leider ins Umland, wo es inzwischen viele Handwerkerhöfe gibt. Unterm Strich ist das für Köln nicht gut, viele Mitarbeiter müssen nun pendeln, morgens aus der Stadt raus und abends wieder rein. Das führt zu einem höheren Verkehrsaufkommen. Die Stadt Köln muss in ihren Gewerbegebieten Flächen für Mittelständler vorsehen.

Handwerkskammer-Präsident Hans Peter Wollseifer in seinem Büro neben der „Ersten Kölner Stadtverordnung“, die mehr als 600 Jahre alt ist

Hans Peter Wollseifer in seinem Büro neben der „Ersten Kölner Stadtverordnung“ (Verbundbrief), die mehr als 600 Jahre alt ist.

Wie stehen Sie zur aktuellen Debatte um die Sauberkeit von Köln, die nach Ansicht vieler mehr als zu wünschen übriglässt?

Berlin ist auch nicht sauberer als Köln. Wir müssen mal damit aufhören, unsere Stadt permanent schlechtzureden. Wir sollten den Fokus lieber auf ihre positiven Seiten legen. Wir haben eine dynamische Wirtschaft. Das Rechtsrheinische entwickelt sich prächtig, im neuen Spacehub von Flughafen und DLR werden in Zukunft Satelliten aus Köln gesteuert, die Antwort auf Elon Musks Spacelink. Köln hat so viele tolle Seiten und ist nicht zuletzt als Universitätsstadt bei jungen Leuten ungeheuer beliebt. Den baulichen Zustand Kölns muss man auch vor dessen historischem Rahmen betrachten. Köln war nach dem Krieg zu 70 Prozent zerstört und musste schnell wieder aufgebaut werden. Da müssen wir noch einiges aufholen, aber ich sehe Köln auf einem guten Weg. Immer nur den Fokus auf Probleme am Neumarkt oder am Ebertplatz zu legen, ist einfach zu kurz gegriffen.

Danke für die Hymne auf Köln. Mit Köln wird noch ein anderes Wort untrennbar verbunden: Klüngel. Was hat es heute damit auf sich?

Konrad Adenauer hat Klüngel ja mal definiert: „Wir kennen uns, wir helfen uns.“ Klüngel als Hilfe und Unterstützung ist nicht negativ, und es gibt ihn im Übrigen überall. Auch auf dem Oktoberfest werden Vertragsabschlüsse getätigt und sicher sprechen auch die Lübecker Bürger miteinander. In Sachen Klüngel sind wir sicher nicht an der Spitze.

Wie sieht es mit der Schwarzarbeit aus?

Ich sehe die Gefahr, dass der Anteil der Schwarzarbeit ansteigen wird, wenn die Menschen immer weniger Netto haben. Wir dürfen es bei Steuern und Sozialabgaben in Deutschland nicht übertreiben. Im Handwerk haben wir einen Lohnanteil von bis zu 80 Prozent, deutlich mehr als in der Industrie. Die hohen Kosten werden unsere Betriebe an unsere Kunden weitergeben müssen, und so wird es unterm Strich für alle teurer.

Bleiben wir in Köln, die hiesige IHK-Spitze hat als einzige den Reviervertrag zum Braunkohleausstieg nicht unterzeichnet. Sie als Handwerkskammer haben das getan. Wie beurteilen Sie diese Entscheidung der IHK-Präsidentin Nicole Grünewald und ihrer Geschäftsführung?

Ich bin mit meiner Immobilienfirma selbst Mitglied der IHK Köln. Und wir als Handwerkskammer haben eine gute Zusammenarbeit mit der IHK. In Sachen Reviervertrag 2.0 sind wir aber unterschiedlicher Meinung. Wer zum großen Ziel kommen will, muss auch breite politische Entscheidungen treffen, der Reviervertrag ist so eine. Ob die Ziele am Ende so eins zu eins erreicht werden, steht auf einem anderen Blatt. Aber politisch ist ein solcher Konsens ein ganz wichtiges Zeichen. Es ist richtig, dass wir als Handwerkskammer diesen Vertrag unterschrieben haben, so wie alle anderen Partner außer der IHK Köln auch. Alleingänge sind in so einem Fall schwierig.

Es gab Kritik daran, dass Sie sich für 4600 Euro einen Tisch für ihr Büro bestellt haben. Die Abgänge Ihrer beiden Hauptgeschäftsführer Duin und Weltrich erfolgten im Streit. Wie stehen Sie heute dazu?

Sie sitzen gerade mit mir an diesem Tisch, er hat 4597 Euro plus 16 Prozent Mehrwertsteuer gekostet. Solide Handwerksarbeit hat ihren Preis. Soll ich mir als Präsident aller Handwerker in und um Köln einen Tisch von Ikea ins Zimmer stellen? Das wäre wohl ein fatales Zeichen in die falsche Richtung. Mir in dem Zusammenhang Unanständigkeit vorzuwerfen, ist einfach schäbig. Es gibt Kritik von Kammergegnern, Vieles wird auch skandalisiert, Sachverhalte werden verdreht, Fakten falsch dargestellt. Natürlich berühren einen solche Vorwürfe. Aber man muss in dieser Position schon einiges aushalten. Mittlerweile schaue ich mir solche Anwürfe mit einem Lächeln an.

Letzte Frage: Würde eine Handwerkskammer ohne Kammerzwang noch dieselbe sein?

Wie bitte?

Eine Kammer ohne Pflichtmitgliedschaft, meinte ich?

Klares Nein. Die Selbstverwaltung ist sehr wichtig, die Kammern erledigen Aufgaben, die andernfalls der Staat erfüllen müsste, und das sicherlich nicht besser als wir, eher im Gegenteil. Auch das Ehrenamt, Prüfer und Gremien sind ohne eine gewisse Verpflichtung schwer vorstellbar. Eine Handwerkskammer mit Pflichtmitgliedschaft muss erhalten bleiben.