Köln besonders betroffenDas sind die Gründe für den Jobabbau bei Ford

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Mitarbeiter von Ford stehen vor dem Werksgelände.

Mitarbeiter von Ford stehen vor dem Werksgelände. Der Autobauer Ford will an seinem Kölner Standort nach Angaben des Betriebsrats im großen Stil Jobs abbauen.

Insgesamt 3200 Jobs könnten in Köln gestrichen werden. Für die Beschäftigten ist das bitter – die IG Metall droht bereits mit Widerstand. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Es ist noch nicht allzu lange her, dass der US-Autobauer Ford seiner Tochter in ganz Europa ein hartes Sparprogramm verordnet hatte. Als das vor gut zwei Jahren 2020 abgeschlossen wurde, waren mehrere Werke europaweit geschlossen und rund 10 000 Jobs gestrichen worden. Auf Köln entfielen damals 3800 Stellen, auf das zweite deutsche Werk in Saarlouis rund 1600. Damit sollte der Restrukturierungsprozess eigentlich abgeschlossen sein, hatte der amerikanische Fahrzeughersteller damals verkündet.

Nun muss die Ford-Belegschaft erneut um ihre Zukunft bangen. Vor allem Köln wird diesmal wohl erneut stark betroffen sein. Und so war die Stimmung aufgeheizt und kämpferisch, als Tausende Ford-Mitarbeiter am Montag zu einer außergewöhnlichen Betriebsversammlung auf dem Werksgelände in Köln-Niehl zusammenkamen. Nicht alle, die reinwollten, schafften es morgens in die völlig überfüllte Halle, weswegen der Betriebsrat neben einer bereits geplanten zweiten noch eine dritte Versammlung an dem Tag anbieten musste.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Plänen im Überblick.

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Wo sollen Stellen gestrichen werden?

In Deutschland geht es vor allem um die Zukunft des Entwicklungszentrums in Köln-Merkenich mit rund 3800 Beschäftigten. Hier werden vor allem Klein- und Kompakt-Pkw entwickelt. Davon sollen künftig aber weniger Modelle auf den Markt kommen. Auch die Ford-Verwaltung ist von den Plänen betroffen.

In Köln sitzen die Deutschland- und die Europa-Zentrale des Konzerns. Durch die Umstellung auf Elektromobilität sollen darüber hinaus Arbeitsplätze im nahe gelegenen Ersatzteil-Zentrum mit jetzt knapp 1.200 Stellen wegfallen. Auch am Forschungszentrum in Aachen drohen Einschnitte.

Gibt es schon konkrete Zahlen?

Der neue Ford-Chef Martin Sander, der in Europa auch die Elektrosparte verantwortet, sagte vor der Belegschaft lediglich, dass sie bis Mitte Februar auf konkrete Zahlen warten müssten. Betriebsratschef Benjamin Gruschka übte scharfe Kritik. „Es ist ein Skandal, dass die Geschäftsführung nicht bereit ist, der Belegschaft das konkrete Ausmaß zu nennen“, sagte Gruschka auf der Versammlung.

Die bislang bekannten Zahlen aus den USA sehen laut Betriebsrat vor, dass im Bereich Produktentwicklung von den derzeit 6250 Beschäftigten in ganz Europa im besten Fall 3700 Mitarbeiter, im schlechtesten Fall nur noch 2200 Mitarbeiter bis Ende 2024/2025 im Unternehmen verbleiben sollen.

Das hieße, zwischen rund 2500 und 4000 Menschen verlören ihre Jobs. Betroffen seien die Standorte Köln-Merkenich mit 3800 Mitarbeitern, wo rund 2500 Entlassungen drohen, sowie das belgische Lommel und das britische Dunton. Hinzu kommen laut Betriebsrat noch rund 700 Stellen in der Verwaltung. „Allein für den Standort Köln wären das 3200 Jobs, die gestrichen werden“, so Groschka.

Was sagt Ford dazu?

Von Seiten des Unternehmens hieß es: „Wir kommentieren die aktuellen Spekulationen über eine mögliche Umstrukturierung bei Ford in Europa nicht.“ Ford beschleunige derzeit seine Pläne für den Aufbau eines vollständig elektrisch betriebenen Fahrzeugportfolios in Europa. „Diese Transformation bringt erhebliche Veränderungen mit sich, wie wir Ford-Fahrzeuge entwickeln, bauen und verkaufen, und wird Auswirkungen auf unsere zukünftige Organisationsstruktur haben“, so Ford weiter.

Was sind die Gründe für die harten Einsparungen?

Der Autobauer leidet in Europa unter Absatzproblemen. Die Corona-Pandemie mit Werksschließungen, aber auch fehlende Halbleiter und infolge zahlreiche Produktionsunterbrechungen machen Ford ebenso zu schaffen wie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Europa, in Folge des Ukraine-Krieges.

Hinzu kommt aber vor allem die Umstellung von der Verbrennertechnologie auf Elektromobilität. Für den Bau eines batteriebetriebenen Fahrzeugs sind deutlich weniger Komponenten und damit auch weniger Entwicklungsarbeit nötig. Ford nutzt zudem bis 2030 die MEB-Plattform von Volkswagen, übernimmt also einige Vorgaben des Wolfsburger Konzerns.

Insgesamt zwei Milliarden Dollar investiert Ford derzeit in die Umrüstung des Kölner Werks für den Bau von zwei E-Autos. Durch das Ende des Verbrennungsmotors bei Ford im Jahr 2030, wird auch keine Forschung und Entwicklung von saubereren Diesel-, Benzin- und Hybridmotoren mehr gebraucht. Das ist aber der Schwerpunkt des Forschungszentrums in Aachen, wo auch etliche Stellen wegfallen dürften.

Was sind weitere Gründe?

Die Modellpalette der in Europa von Ford gebauten Autos wird deutlich zusammengestrichen. Die Vans B-Max und C-Max wurden ebenso eingestellt wie der Mittelklassewagen Mondeo. Im Frühjahr endet der Bau der Vans S-Max und Galaxy. In Köln ist zudem das Ende des langjährigen Erfolgsmodells Fiesta in diesem Jahr besiegelt, weil Ford sich aus dem Segment der vergleichsweise margenschwachen Kleinwagen verabschieden will.

Im zweiten deutschen Werk in Saarlouis läuft der Focus 2025 aus. Die Zukunft des Werkes an der Saar ist ungewiss. Ford ist derzeit im Gespräch mit Investoren, die die Fertigungsstätte übernehmen könnten. „Damit bleiben von den einst 14 Modellen bleiben nur eine Handvoll übrig“, sagt Betriebsratschef Gruschka.

Neu auf den Markt kommen zwei E-Autos, die in Köln gebaut werden. Noch in Merkenich entwickelt wurde ein mittelgroßer Crossover mit fünf Sitzplätzen, der dieses Jahr an den Start gehen soll. Im kommenden Jahr wird dann ein weiteres E-Modell in Köln vom Band laufen. Der Puma aus dem rumänischen Werk in Craiova soll als rein elektrisches Modell auf den Markt kommen.

Später folgt möglicherweise noch ein E-Auto aus dem Werk im spanischen Valencia auf einer Ford-eigenen Plattform. Im Klartext: Ford Europa ist damit für immer weniger Fahrzeuge verantwortlich und braucht daher deutlich weniger Produktentwicklung. Es ist daher denkbar, dass ein Großteil der Entwicklung bei der Konzern-Mutter in den USA zentralisiert wird.

Was bedeutet das perspektivisch für Köln und wie geht es weiter?

„Was am Anfang nicht entwickelt wird, kann später auch nicht hier gebaut werden“, sagt Betriebsratschef Gruschka. Nun wollen die Arbeitnehmer in Verhandlungen mit der Konzernleitung gehen. Die Gewerkschaft IG Metall Köln kündigte bereits an: „Sollten diese Verhandlungen nicht erfolgversprechend im Sinne einer Zukunftssicherung für die Beschäftigten verlaufen, werden wir uns als IG Metall in diesen Prozess mit einschalten. Dabei werden wir auch nicht vor Maßnahmen zurückschrecken, die das Unternehmen nicht nur in Deutschland, sondern europaweit empfindlich treffen könnten!“

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